a1_Jede soziale Gruppe, angefangen von der Familie bis zur Nation, hat ihre Beziehung zur Volkskultur, zu den ethnologischen Bedingungen der Lebensweise. Dank diesem Umstand können wir Unterschiede in der Lebensweise sowohl grosser nationaler Komplexe und Zonen, als auch spezifische lokale und regionale Besonderheiten verzeichnen und charakterisieren, die noch immer nicht verschwanden, obgleich die allgemeinen Zivilisationsmerkmale ständig zunehmen. Die wissenschaftlich-technische Revolution beeinflusst die Lebensweise der Menschen dermassen, dass die heutigen Generationen hoffen können, gegebenfalls einigemal so tiefgreifende Veränderungen in den Zivilisationsbedingungen und in der Struktur durchzumachen, die in der Vergangenheit nicht einmal in hundertjährigen Zeiträumen ihresgleichen haben.
Die Lebensweise - der Gegenstand des volkskundlichen Studiums ist vielgestaltig, und es zeigen sich darin sowohl ethnische und ethnographische Traditionen, als auch soziale Tendenzen der einzelnen Zeiträume und Epochen, geographische und biologische Einflüsse. Die Einwirkung der Traditionen auf die Formung des Lebensstils steht in diesem Komplex an erster Stelle und variiert je nachdem, in welcher Beziehung und in welchem Verhältnis die volkstümliche und städtische Kultur zueinander stehen, wie lebendig, gefördert oder unterdrückt die volkstümlichen Traditionen in den einzelnen Gebieten und Ländern sind., a2_In der Tschechoslowakei kann sich das Studium der Formung des Lebensstils an die Traditionen aus den dreissiger Jahren anlehnen, da fortschrittliche Architekten in wissenschaftlichen Studien, wie der Lebensstil der künftigen sozialistischen Gesellschaft beschaffen sein solle, und in ihren Studien grossen Wert auf die Fortsetzung und Verwertung der positiven Traditionen in der volkstümlichen Lebensweise und in der Volkskultur legten.
Die Begriffe Lebensstil und Lebensweise sind nicht identisch. Die Grundlage der Lebensweise wird duch die Produktionsart und Sozialsturuktur der Gesellschaft geschaffen und der Begriff "Lebensweise" umfasst einen Komplex von verschiedenen Elementen, die in drei Hauptgruppen zusammengefasst werden können: Entwicklungsbedingungen des Lebens des Individuums oder einer Gruppe in der Beziehung zu den grundlegenden biologischen Bedürfnissen, zum Wohnen, zur Verköstigung und Bekleidung. Entwicklungsbedingungen des Lebens in der Beschäftigung und Bedingungen für die Realisierung der Freizeit des Individuums oder einer Gruppe. Der Lebensstil ist ein übergeordneter Begriff, der ein bereits derart in sich geschlossenes und untereinander verbundenes System von Formen des sozialen Kontakts, des Wohnens, der Bekleidung. Arbeitsweise, der Einstellung zu Menschen und Dingen, der Redeweise zum Ausdruck bringt, dass es durch seine Einheitlichkeit charakteristisch ist., a3_Unter dem volkskundlichen Aspekt können wir von einem Lebensstil bei den ländlichen Volksschichten in der vorindustriellen Periode sprechen, wo sich die innere Harmonie aller Komponenten der materiellen und geistigen Kultur aus hundertjährigen wiederholten Erfahrungen im Kontakt mit der Natur ergab, die dann die Form des Lebensunterhaltes, den Lebens- und Arbeitsrhytmus bestimmten. In der weiteren historischen Periode schuf sich die industrielle Volksgemeinschaft lediglich in einigen Schichten ihren Lebensstil, je nach dem Grad der Abhängigkeit von den ethnographischen Bedingungen, und die gegenwärtige Volksgemeinschaft der Periode der wissenschaftlich-technischen Revolution muss sich ihren Lebensstil erst schaffen.
Die ethnographischen Bedingungen wirkten als Stimulator der Spezifizität der Lebensweise in der industriellen Gesellchaft sowohl auf jene Gruppen ein, die mit der traditionellen Beschäftigungsweise, mit der Landwirtschaft, verknüpft waren, als auch auf jene Gruppen, die im Laufe der Industrialiserung in den Städten und Industriegebieten entstanden waren und einige Äusserungen, Vorstellungen und Bindungen besonders in der sozialen Kultur von den Traditionen der vorindustriellen volktümlichen Gesellschaft übernnommen hatten.
Die ethnographischen Monographien aus tschechischen Industriegebieten der letzten Jahre, die Studien einzelner Lokalitäten und Stadthäuser zeigten, dass in diesem Milieu in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und in den zwanziger und dreissiger Jahren dieses Jahrhunderts ein bestimmtes Modell der Lebensweise entstand, das nach der Besiedlungsentwicklung, der Herkunft der Bewohner, ihrer Beschäftigung und Weltanschauung vom volkskundlichen Gesichtspunkt in einige Gruppen eingeteilt werden kann:
1. Von den Traditionen des ländlichen Lebens beeinflusste Gruppen, die sie in der Stadt ein dem Landleben ähnliches Milieu aufsuchen und bestrebt sind, die überkommenen Gebräuche und Normen im Leben weiterzubehalten. 2. Durch die gemeinsame Beschäftigung integrierte Gruppen, die eigene profesionelle Traditionen haben, die dann die Lebensweise sowohl in der materiellen Kultur, ale auch in geistigen Äusserungen beeinflussen. 3. Durch langjähriges Zusammenleben zusammengeschweisste Gruppen mit ähnlicher sozialer Eingliederung, ähnlichem Kulturniveau, die in einem Milieu leben, das nachbarliche Beziehungen und soziale Kontrolle begünstitgt. 4. Gruppen mit gleicher politischer Ansicht, die dann die Nachbarn- oder Gruppenbeziehungen potenzierte., a4_Einer der charakteristischen Indizes für den Einfluss der ethnographischer Bedingungen in Bezig auf die Lebensweise ist die Art der Freizeitgestaltung. Es kommen hier nicht nur persönliche Angewohnheiten und Wünsche, sondern vor allem familiäre, ethnische und ethnographische Traditionen, Traditionen sozialprofessioneller Gruppen un zur Geltung. Wir können den Inhalt der Freizeit auf dem flachen Land in der vorindustriellen Periode grösstenteils mit den volkstümlichen Unterhaltungen im Laufe des Jahres, mit der Teilnahme an kirchlichen Zeremonien, mit nachbarlichen geselligen Unterhaltungen identifizieren, wo man erzählte, sang und tanzte.
Die Ausnutzung der Freizeit der Werktätigen in der industriellen Gesellschaft erweiterte sich um zahlreiche Möglichkeiten in Verbindung mit der Verstädterung und den grossen Möglichkeiten zur Saturierung kultureller Bedürfnisse. In den städtischen Gemeinschaften dauerten zwar einige mit den Inhalt der Freizeit des vorindustriellen flachen Landes verbundene Aktivitäten fort, gerieten aber vielfach besonders in den Industriegebieten in Konflikt mit Aktionen der Arbeiterorganisationen (z. B. Teilnahnme and kirchlichen Zeremonien). In Gebieten mit starker Tradition des volkstümlichen Lebens erhielten sich die Jahresgebräuche entweder als Ausdruck eines inneren Bedürfnisse oder als Ausdruck lokaler oder regionaler Repräsentation.
Die gegenwärtigen Veränderungen in der Lebensweise, die vor allem mit der sozialistischen Wirtschaftgebarung in den Dörfern verbunden sind, zeigen sich am augenfälligsten in den Veränderungen der baulichen Entwicklung des Dorfes und in der Umwandlung des Gehöftes von Wirtschafts- und Wohneinheiten zu ausschliesslichen Wohneinheiten., a5_Zu Änderungen kam es auch in der Kost. Während die volkstümliche Kost auf den in der Landwirtschaft erzeugten Proukten beruhte, ist in der Gegenwärtigen Periode der Kollektivierung auch die Bauernfrau grösstenteils auf den Lebensmittelmarkt angewiesen, und infolgedessen änderte sich auch die Speisekarte. Auch die Kleidung blieb nicht unverändert. In Böhmen und Mähren gibt es schon nur mehr einige Gebiete (Chodenland, mährisch-slowakische Grenzgebiet, Walachei), wo die volkstümliche Kleidung bis auf den heutigen Tag die Tagesbekleidung der älteren Generationen bildet; bei einigen Gesellschafts- und Familienfeiern zieht auch die Jugend diese Kleidung an. Anderswo passt sich die Kleidung schon lange der städtischen an. Die Änderung in der Wohnweise sind nicht bloss für das flache Land in der Gegenwart typisch. Besonders in Gebieten mit Tagbaubetrieb und in Arealen grosser Bauten kommt es zur Übersiedlung ganzer Lokalitäten von Bauern- und Arbeitersiedlungen und -kolonien in neue Häuser mit mehreren Wohnungen in Siedlungen., a6_Die Änderungen in der Lebensweise beziehen sich nicht nur auf das Wohnen und die übrigen, biologischen Bedingungen, die vom traditionellen Modell abweichen. Die Änderungen in der Beschäftigungsweise finden ihren Niederschlag auch im Rhytmus des modernenn Dorfes im Laufe des Tages, der Woche und des Jahres. Die komplexe Mechanisierung in der Landwirtschaft ermöglicht eine gleichmässige Verteilung der Arbeitszeit und die Heranziehung der Samstage und Sonntage als arbeitsfreie Tage. Im Jahresregime des flachen Landes kam es zu einer umwälzenden Veränderung in der Ausnützung der Ruhezeit. Die Bauern können heute, ebenso wie die Arbeiter und übrigen Angestellten ihren Urlaub ausnützen. Zum Jahresregime des Dorfes gehören üblicherweise Erholungs- und Touristenfahrten an Samstagen und Sonntagen.
Die volkskundlichen Elemente in der Lebensweise wirkten aber nicht nur direkt, sondern auch mittelbar, in Schichten, die sozial nicht zu den Volksschichten gehörten. Eine Welle des Rustikalismus in der Architektur ging in den dreissiger Jahren durch zahlreiche Länder Europas und den anderen Erdteile und das angewandte Volkswerk dient nicht nur als Ergänzung des städtischen Lebensmilieus, sondern ist wichtiger Bestandteil der Touristenindustrie und bedeutsame nationale Repräsentation. Die Entstehung des Lebensstils ist ein langfristiger Prozess. Die Vorstellungen der fortschrittlichen Architekten und Aestetiken der dreissiger Jahre diese Jahrhunderts dahingehend, dass sich ihre Pläne und Ansichten erst dann erfüllen würden, wenn die Gesellschaft den Sozialismus erreicht haben wird, rechneten nicht damit, dass die Gesellschaft selbstverständlich nicht nur das Beste und Wertvollste akzeptieren und wählen, sondern auch weiterhin modischen Einflüssen und einigen falschen Traditionen und Ansichten aus der Vergangenheit unterliegen wird. Die Beziehung zwischen ethnographischen Bedingungen und Lebensweise ist in den einzelnen sozialistischen Ländern unterschiedlich. Sie ist abhängig davon, inwieweit jeweils bislang die volkstümliche Tradition des Wohnens, der Kleidung, in der Kost und der geistigen Kultur lebendig ist. Länder mit bisher lebendiger Volkskultur haben bei der Gestaltung des neuen Lebenssstils etwas andere Probleme als dort, wo die traditionelle Lebensweise bereits verstädterte und nivellisisert wurde., and Článek zahrnuje poznámkový aparát
In diesem Jahr verliefen 40 Jahre seit der Veröffentlichung der Monographie der Kladnoer Region, die dem Leben der Bergleute in Kladnoer Revier gewidmet wurde. Das neue Thema in der ethnographischen Forschung wurde mit großem Interesse angenommen, kurz danach wurden herausgegeben die Monographie der Rosice-Oslavany-Region (Rossitz-Oslawan) und in der Slowakei die des Bergdorfes Žakarovce.
Im Manuskript blieb die der interessantesten Ostravaer Region (Ostrau) gewidmete Monographie. Im Laufe der 70er wurden nur Einzelstudien veröffentlicht. Der Nordböhmische Braunkohlerevier wurde nicht komplex untersucht, nur einzelne Themen: Siedlungen, Kolonien, Instrumente.
In den 70er Jahren wurde das Interesse für das Alltagsleben und Festtagsaktivitäten der Bergleute zum Bestandteil der ethnographischen Erforschung der Arbeiter in den Städten. In der letzten Zeit setzte sich das Interesse für die materielle Kultur und das Alltagsleben nicht durch; man ist aber ständig sehr interessiert an verschiedensten Schrifttumsformen: Rätseln, Anekdoten usw. - in diesem Bereich wurde eine ganze Reihe von Titeln herausgegeben. Erfreulich ist auch die neue Tendenz, stark regional geprägte Bergbaumuseen zu gründen und zu betreiben. and Do článku je zahrnut poznámkový aparát.
Der vorliegende Aufsatz konzentriert sich auf die Frage der Lebensfähigkeit der Tradition unter jenen Volkschichten, die nicht im ländlichen Milieu leben, stellt Erwägungen über die Stabilität und Entwicklung der Normen an, die diese Schichten anerkennen und sich danach richten. Als grundlegende Voraussetzungen für die Entwicklung und Lebensfähigkeit der Tradition umreisst die Verfasserin drei Faktoren: eine zahlenmässig kleine Gruppe, deren Mitglieder einander kennen und durch verwandschaftliche und nachbarliche Beziehungen zueinander gehören, Stabilität dieser Gruppe, soziale und professionelle Homogenität. Diese Merkmale findet sie auf Grund zahlreicher Untersuchungen im Milieu der Arbeiter-Vorstadthäuser (der sog. Pawlatschenhäuser), wo die Arbeiter-, Handwerker- und Angestelltenfamilien lebten, die in der ersten, höchstens in der zweiten Generation vom Lande, aus niedrigeren sozialen Schichten stammten. Der Übergang der Landbevölkerung in die Stadt, ihre Ansiedlung, hatte grösstenteils eine analoge Entwicklung. In die Stadt wanderten junge Leute ab, für die einziger Anhaltspunkt, und dies nicht immer, jemand von den Verwandten oder Freunden war, der bereits in der Stadt angesiedelt war. Beweise hierfür liefern zahlreiche Aufzeichnungen in den Volkszählungsbögen. In dieser ersten Periode können wir schwerlich eine Lebensfähigkeit der Traditionen verfolgen. Der Angehörige des ländlichen Kollektivs wird in der Stadt zunächst zum einsamen Einzelgänger, der aus dem bekannten Milieu, aus den Gewohnheiten herausgerissen wird, wonach sich sein Leben bisher richtete. Bei einigen rief diese Herausgerissenheit das Gefühl der Befreiung von der festen Ordnung hervor, durch die er in der Gemeinde und Familie gebunden war. In der Regel verwandelt sich das Gefühl der Befreiung in ein Gefühl der Verlassenheit und in ein Streben nach Verwurzelung. Er sucht Verwandte, Bekannte, Leute aus seiner Heimatgegend auf. Auch dies wird durch die Materialien in den Archiven bestätigt. Die Verwurzelung in der Familie und die Ansiedlung fördern die Rückkehr zu den Traditionen., Günstig wirkt die Nachbarschaft anderer Familien, die solche Traditionen haben. Wenn das Milieu nicht günstig ist, erhalten sich die Traditionen nur im Familienmilieu, nach aussen findet eine Anpassung an die Umgebung statt. In jenen Häusern, wo sich ein Kollektiv von Mietern konzentrierte und konsolidierte, das eine positive Beziehung zu den Traditionen hatte, entwickelten sich Normen des Zusammenlebens, die jenen in der ländlichen Gemeinschaft nicht unähnlich sind. Worin beruhten diese Normen? In der Verpflichtung, die Mieter zu grüssen (Grussgemeinschaft), in den sich aus der Nachbarschaft der Mieter ergebenden Kontakten. Diese Nachbarschaft war zweistufig: unmittelbar, in Beziehung zu den Nachbarwohnungen oder den Gängen, und weitergehend, indem sie alle Hausbewohner umfasste. In der unmittelbaren Nachbarschaft war die Beteiligung der Mieter an Familienangelegenheiten (Geburt eines Kindes, Hochzeit) selbstverständlich, dieser gesellschaftliche Kontakt reichte von unformellen tagtäglichen Unterredungen und Unterhaltungen bis zu gemeinsamen Feiern bedeutsamer Tage und Ereignisse, an denen das gesamte Nachbarkollektiv des Hauses teilnahm (Namenstagsfeier, Sternsingen, Osterbescherung). Die nachbarlichen Beziehungen waren in den Frühjahrs- und Sommermonaten intensiver, wo die Möglichkeit beständiger Kommunikation auf den gedecken Gängen (Pawlatschen) bestand. In den Wintermonaten kam man nicht in den Wohnungen zusammen, zum Unterschied von den ländlichen Gepflogenheiten (Spinnen, Federschleissen). Diese Normen des Zusammenlebens nahmen ihren Ausgang von der traditionellen Lebensart auf dem Lande. Sie bestätigen die Prämisse, dass eine durch ähnliche Abstammung, durch nachbarliche Beziehungen und ähnliche soziale Einstufung verbundene kleine lokale Gruppe in der Stadt ein günstiges Milieu für die Aufrechterhaltung und Entfaltung der Traditionen abgab., and Článek zahrnuje poznámkový aparát