[1] |
|
---|
[2] |
verbieten, da, wo der Staat in seiner Sphüre Gutes schafft,') aber auch
|
---|
[3] |
da, wo er Lasten zu tragen auferlegt, wie Steuern und Frohndienste,
|
---|
[4] |
die, obgleich an sich nicht berechtigt,? ja unter Christen eigentlich
|
---|
[5] |
unstatthaft, dennoch geleistet werden sollen, da sie zu leisten noch
|
---|
[6] |
nicht sündigen heisst. Zur Sünde zwingt aber der Staat die Christen,
|
---|
[7] |
indem er sie zum Kriege aufruft. Da, so wie überall, wo Sünde ge-
|
---|
[8] |
boten wird, erreicht der Gehorsam seine Gránze, namentlich wenn die
|
---|
[9] |
staatliche Gewalt im Dienste der Kirche und der Priesterschaft auf-
|
---|
[10] |
tritt und zum Abfall vom rechten Glauben nóthigt. Wenn überhaupt
|
---|
[11] |
jeder Glaubenszwang ein Übel ist, so ist derselbe, zu Gunsten der
|
---|
[12] |
verleiteten Kirche geübt, ein doppeltes. Aber auch dann bedeutet das
|
---|
[13] |
Reeht des Ungehorsams noch kein Recht, selbst Gewalt anzuwenden.
|
---|
[14] |
Es sündigen sowol diejenigen, die die alte Kirche mit Gewalt schützen,
|
---|
[15] |
als auch diejenigen, die für die Wahrheit des göttlichen Wortes in
|
---|
[16] |
den Krieg ziehen, denn beide lügen, wenn sie beten: vergib uns
|
---|
[17] |
|
---|
[18] |
In dem christlichen Staate und in der christlichen Gesellschaft,
|
---|
[19] |
wie sie sich seit den Tagen Constantins ausgebildet, gibt es für den
|
---|
[20] |
wahren Christen keine Stelle, ausser in den untersten Schichten, die
|
---|
[21] |
nur gehorchen, ohne zu befehlen, die dienen, ohne zu herrschen. Jede
|
---|
[22] |
Herrschaft, jede Stándegliederung verstósst gegen das Gebot der brü-
|
---|
[23] |
derlichen Gleichheit (Luk. XXII, 24—27) Konige wollen den Christen
|
---|
[24] |
ihr stolzes Joch auferlegen, da doch alle durch Christi Blut erkauft
|
---|
[25] |
sind, und verachten die Kreatur, die ihnen ähnlich ist. Niemand kann
|
---|
[26] |
König und in Wahrheit Christ zugleich sein. Constantin hätte das
|
---|
[27] |
kaiserliche Diadem niederlegen müssen. Was das alte Gesetz noch
|
---|
[28] |
gestattet hat, ist in dem neuen durch Christi Gesetz verboten. Ämter
|
---|
[29] |
im Staate und in der Gemeinde darf der wahre Christ auch deswegen
|
---|
[30] |
nicht bekleiden, weil er verpflichtet ist, die Gelegenheit zur Sünde
|
---|
[31] |
zu meiden, die überall ihnen anklebt. Er darf nicht Richter sein, da
|
---|
[32] |
er sich als solcher der Gefahr aussetzt, sich durch Geschenke beste-
|
---|
[33] |
chen zu lassen, nach Gunst und Ungunst sein Urtheil zu fällen, un-
|
---|
[34] |
redliche Zeugen zur Zeugenschaft aufrufend ihres Betruges mitschuldig
|
---|
[35] |
zu werden, und vor allem, weil die Gesetze, die er handhaben wird,
|
---|
[36] |
nicht die Besserung, sondern nur die Bestrafung der Schuldigen be-
|
---|
[37] |
! Nur dass die Macht gebietet und zwingt, wührend der Glaube dasselbe
|
---|
[38] |
nur lehrt. Das alte Gesetz hat den Zwang zugelassen. [m neuen Gesetz sündigt
|
---|
[39] |
derjenige, der zwingt, aber auch, wer sich widersetzt.
|
---|
[40] |
2) Die Worte des Apostels (Rom. XIII.) enthalten kein unter Brüdern gel-
|
---|
[41] |
tendes Gebot.
|
---|