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210). Der Mörder sollte nämlich entfliehen, da-
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mit seine Verwandten desto leichter mit den
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Verwandten des Ermordeten das Sühn- oder
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Wérigeld bestimmen könnten, um die Selbst-
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hilfe oder die gerichtliche Verfolgung von Sei-
[7]
ten der Letzteren abzuwenden. Das älteste Bei-
[8]
spiel einer solchen Composition durch Schieds-

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richter biethet der Cod. Dipl. VI. 349. Nr.'

[10]
CDLV. Diese Composition oder die Zahlung des
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Wergeldes heisst in der Kniha Tovačovská od-
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klad hlavy, und die Höhe des Betrages richtete
[13]
sích nach dem Stande des Ermordeten; nebst-
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dem musste der Mórder aber eine bestimmte
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Zahl Messen lesen lassen und eine bestimmte
[16]
Anzahl von Stücken Tuch an Arme vertheilen
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und sich einer Bussprocession unterziehen, die
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pokora (Demülhigung) genannt wurde, bei wel-
[19]
cher die Zahl der Begleiter wieder nach dem
[20]
Stande des Ermordeten bestimmt wurde. Die
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Kn. Tov. S. 119 und die von mir herausgege-
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bene Kniha Drnovská S. 101 beschreiben die
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für eine ermordete Herrenstandsperson unter-
[24]
nommene Bussprocession, welche Beschreibung
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wir in deutscher Uebersetzung folgen lassen:
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,der Mórder soll in Begleitung von 50 .Perso-
[27]
nen zu seiner Demüthigung zum Grabe gehen,
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barfuss, ohne Gürtel, soll sich sodann, mit dem
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Gesichte nach unten, quer auf das Grab legen
[30]
und der nächste Verwandte des Ermordeten
[31]
halte ein mit der Spitze nach unten gekehrtes
[32]
Schwert zwischen den Schultern des Mörders
[33]
und frage ihn dreimal: habe ich endlich deinen
[34]
Hals in meiner Macht, wie der meines Bruders
[35]
in deiner Macht war? Und wenn jener dreimal
[36]
antwortet: ja, aber ich bitte dich um Gottes
[37]
willen, lasse mich leben, so sage der Ver-
[38]
wandte des Ermordeten: Gott zu Liebe lasse

[39]
ich dich leben, und er verzeihe dem Mörder ;

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dieser soll ihm aber in allen Nöthen und Be-
[41]
dürfnissen gerade so beistehen, wie es der er-
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mordete Bruder oder Verwandte verpflichtet
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gewesen wäre, so oft als die Nothwendigkeit
[44]
eintrüte.* (Vergl. Grimm R. A,713, 714.) Auch das
[45]
Olmützer Landrechtsgedenkbuch vom J. 1517
[46]
führt auf S. 14 und 48 zwei specielle Fille

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einer solchen Pokora an; die späteren Gerichts-
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acie weisen aber keine mehr nach. Dass die
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pokora auch in Pohlen bestand, darüber siehe
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Helcel Starod. Pr. Pols. Pomn. I. 287. Doch
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waren die Verwandten des Ermordeten nicht
[54]
verpflichtet, sich ia Unterhandlungen wegen des
[55]
Wergeldes einzulassen, sondera konnten ohne-
[56]
weiters den Mórder gerichtlich belangen: si vero
[57]
contigerit, quod aliquis oecidatur ... et amici
[58]
occisi velint occisores de homicidio impetere,
[59]
in curia nostra respondeant^ (C. D. IL 143);
[60]
diess bestütiget auch die Kn. Tov. Straflos ging
[61]
der Mörder nur dann aus, wenn er nachweisen
[62]
konnte, dass der Getödtete den Streit begann
[63]
oder dass dieser jenen zum Zweikampfe auf-
[64]
» forderte.

[65]
Holoty (holoti) nom. plur. von holota: ... cani-

[66]
ductoribus, qui Holoti nuncupantur C. D. IL.
[67]
338. canum custodes, qui Holoti vocantur C.
[68]
D. IL. 272, 348, die Führer der zur kónigli-
[69]
chen Jagd gehörigen Hunde (zu unterscheiden
[70]
Yon dem hójny und lovčí), eine wegen ihrer
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Erpressungen berüchtigte Menschenklasse; daher
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holota auch als Schimpfwort gebraucht = dem
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deutschen Hundsfütter.

[74]
/ffomutne Chomutné die Abgabe für Zugpferde,
[75]
hergeleitet von chomát = Kummet, helcium.

[76]
Hranice in der älteren Form granice , woraus
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durch Umlautung des a das deutsche Wort Grünze
[78]
(wie Grütz aus Gradec) entstand, welchen Sinn
[79]
es gegenwärtig = limites, fines, metee im bóh-
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mischen hat. Ursprünglich bedeutete es aber
[81]
nicht die Gränzlinie, sondern bestimmte Gränz-
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(zeichen, grösstentheils solche, welche in Bäume
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eingehauen waren. Belegstellen dafür sind: usque
[84]
ad arborem, in qua sunt meta i. e. hranicie;
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est quercus et in ipsa est meta, id est hranicie
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(Cod. Dipl. I. 84); et vetustos arborum
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truncos, in quorum stipitibus, priusquam succi-
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derentur, signa se vidisse limitaria concorditer
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asserebant. (Cod. Dipl. IV. 390.) Zur Anbriu-
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gung solcher Griinzzeichen wurden am hiufig-
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sten Eichen und Tannen gewählt; über eine
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Tanne (jedle) ist Belegstelle: usgue ad arborem,
[93]
qui dicitur Jedl, in qua sunt mete. (Cod. Dipl.

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