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Was wir von Waldensern anderer Gegenden und anderer Zeiten
erfahren, gilt auch von diesen: sie hatten ihre Prediger, denen sie
das Recht zur Predigt ohne Autorisation der Kirche zuerkannten. ")
Sie hielten sie für von Gott berufen und, da sie in evangelischer
Armut lebten, für wahre und echte Nachfolger Christi und der Apostel:
sie achteten sie ihres reinen Lebenswandels wegen mehr als die
Priester der Kirche. ) In geheimen Versammlungen hörten sie ihre
Predigten und beichteten ihnen lieber als den Priestern der Kirche. ?)
Und dennoch nahmen sie Theil an dem kirchlichen Gottesdienste und
empfiengen die Sakramente aus den Hánden der Priester. *) Dies gilt
namentlich von den Gläubigen der Sekte (credentes), während unter
ihren Predigern, wie es scheint, die Ansichten auseinandergiengen:
einige von ihnen hielten sich für berechtigt, zur Osterzeit sich unter-
einander zur Consekration und Communion zu versammeln, andere
dagegen mischten sich mit ihren Gläubigen unter die Kirchenbesucher ;
andere endlich enthielten sich nicht nur der selbststándigen Verwel-
tung des Sakramentes, sondern hielten sich auch frei von der Theil-
nahme an der kirchlichen. Abendmalsfeier. ?)
Das war die Lehre der ósterreichischen Waldenser, die auch in
Bóhmen nicht unbekannt blieb. Gewisse Ansichten galten daselbst iu
den ersten Jahrzehnten des 15. Jahrhundertes als specifisch walden-
sisch, wie die absolute Ablehnung des Eides®) und die Liugnung
der Fegefeuers.”) Die Lehre der Waldenser fand in Böhmen auch
1) Primo habent... suos confessores puros laycos heresiarchas. — Item cre-
dunt illos a solo deo, non a domino papa vel aliquo episcopo catholico potesta-
tem habere predicandi verbum dei. (Bericht Art. 1, 2.)
?) Secundo dicunt, sacerdotes ecclesiae... ideo non esse veros et legitimos
successores discipulorum Christi, quia possident propria... "Tertio quia vident in
pluribus presbyteris ecclesiae mala exempla superbiae, avaritiae, incontinentiae...
et aliorum vitiorum, ideo plus credunt suis haeresiarchis praebentibus ois exempla
bona humilitatis, largitatis, castitatis... et aliarum virtutum . . . (Ivefutatio errorum.)
3) Item credunt suos hereticos a peccatis posse absolvere melius quam sa-
cerdotes ecclesie... (Bericht Art. 5.)
*) Item licet presbyteris confiteantur, Christi corpus ab eis accipiant, sectam
tamen ipsorum ipsis nullatenus manifestant. (Bericht Art. 6.) — Item sacramentum
confirmationis non credunt, licet plurimi eorum se confirmari faciant, ne notentur.
(Index errorum Art.' 10.)
5) Index errorum.
9) Dies sagt Mag. Joh. Hus. (Vgl. Documenta p. 185.)
7) Laurentius von Březová (p. 397) sagt von den T'aboriten: item purgato-
rium animarum esse post hanc vitam cum Waldensibus negabant. — Palec sagt in
seinem Traktat „Utrum de. necessitate salutis sit hominem confiteri solis presby-
teris sua peccata tam mortalia quam venalia.^ (Ms. Un. IV. H.7): error Walden-
sium dicens, confessionem posse fieri eque ordinate layco bono sicut presbytero,
non sustinendus, quia heresis.