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Hierauf unterklebte er die am meisten beschädigten mit Lein-
wand. Der ständische Landeshistoriograph Franz Palacky
unterzog sich der mühevollen Arbeit, ein den damaligen wissen-
schaftlichen Anforderungen entsprechendes neues Inventar der
Urkunden des St. Wenzelsarchives anzulegen. Er ließ die alte
Einteilung der Urkunden nach ihrer Sprache und den einzelnen
Territorial. und Sachbetreffen fallen und faBte simmtliche |
Originalurkunden und Abschriften in einer einzigen chronolo-
gischen Reihe zusammen, indem er nur von den öffentlichen
Urkunden eine Anzahl von Privaturkunden (als besondere Ab-
teilung »Privatarchiv«) trennte. Jede Urkunde bekam eine
Nummer des Inventars und nebst dem auch eine besondere Re-
positionsnummer. Aus dem ständischen Sitzungssaal wurden
die Urkunden des Kronarchivs in die ehemaligen Räume der
Landtafel auf dem Prager Schlosse gebracht, welche auch mit
Schränken und Schubladen für die Aufbewahrung der Urkun-
den des St. Wenzelsarchivs versehen wurden, Damit künftighin
ein Fortschreiten der Vernichtung der Urkunden durch Feuch-
tigkeit verhindert werde, wurde im Jahre 1838 festgesetzt, daß
alljährlich im Frühjahr und im Herbst eine kommissionelle
Überprüfung des St. Wenzelsarchives in den neuen Räumen
stattfinden sollte.
Ein Wandel in den Aufbewahrungsverhältnissen des St.
Wenzelsarchivs wurde erst durch die Pensionierung des Archi-
. vars dieses Archives Peter Vincenz Erben und die darauf auf
Veranlassung Fr. Palackys durch den böhmischen Landtag er-
folgte Bestellung eines eigenen Landesarchivars in der Person
Anton Gindelys angebahnt. In den beiden Berichten, welche
der Landesausschuß dem böhmischen Landtage »über die Orga-
nisierung des bóhmischen Landesarchivs und die Vorschläge
seiner Erweiterung« vorgelegt hat, wird das St. Wenzelsarchiv
ausdrücklich für das neu gegründete Landesarchiv reklamiert.
Der Landtag des Kónigreiches Bóhmen hat in der XXX. Sitzung
der Landtagssession am 16. Februar 1866 den bóhmischen Lan-
desausschuf) zu beauftragen beschlossen, sich mit der Regierung
ins Einvernehmen zu setzen, um eine Vereinbarung dahin zu
erzielen, daß eine zeit- und fachgemäße Verwahrung des St.
Wenzelsarchives als besondere unteilbare Abteilung des böh-
mischen Landesarchivs ermöglicht werde. Durch eine Eingabe
vom 22. Juni 1881 hat dann der Landesausschuß das Ansuchen
um Extradierung des St. Wenzelsarchives erneuert. Tatsächlich
waren auch schon am 12. April 1884 die Verhandlungen zwi-
schen der Statthalterei und dem böhmischen Landesausschuß
so weit gediehen, daß der mit der Leitung des Ministeriums des
Innern betraute Ministerpräsident Graf Eduard Taafe auf Grund
eines a. h. Vortrages vom Kaiser Franz Josef I. die Ermächti-