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Urkunden in den Sakristeien der Kirchen verwahrt. Die - becker Tresekammer oder Dreskammer (entstellt aus »trese- laria«, »thesauraria consilii«) befand sich in einem Gewölbe über der Ratskapelle der Marienkirche. So wurden auch die älteren Archivalien der oberhessischen Landstadt Alsfeld einst in der Sakristei der Walpurgiskirche zugleich mit: denen der Kirche und des Hospitals aufbewahrt. Das alte Urkundenarchiv der Stadt Frankfurt a. M. wurde in den Türmen der Leonhards- kirche verwahrt. In den italienischen Städten stoßen wir auf die alte Institution der »sacristia communis«; einer solchen wird z. B. in Mantua in den letzten Dezennien des XIII. Jahrhunder- tes gedacht. Den gleichen Aufbewahrungsort finden wir auch bei den Universitätsarchiven. Schon Herzog Rudolf IV. ordnete in dem Stiftsbriefe der Wiener Universität vom Jahre 1365 an, für die Privilegien der Universität einen mit Eisen beschlagenen Schrein anzuschaffen, und bestimmte als Aufstellungsort dieses »Scriniums« die innere Sakristei der Allerheiligen (d. i. St. Ste- phans) Kirche. So wurde auch die »arca« mit dem Urkunden- schatz der Freiburger Universität dem dortigen Dominikaner- kloster anvertraut.

I. 14. Über die Ursache, weshalb vornehme weltliche Per- sonen schon frühzeitig und dann später während des ganzen Mittelalters hindurch ihre Rechtstitel in den Kirchen hinterleg- ten, sind verschiedene Vermutungen geäußert worden. Einige Forscher waren der Ansicht, daß man den für weltliche Perso- nen ausgestellten Urkunden durch Verwahrung in kirchlichen Archiven volle Rechtssicherheit gewährleistet haben wollte. So hat Sickel auf die »loca credibilia« in Ungarn hingewiesen, die als geistliche Archive Depots für Privaturkunden gebildet hàt- ten. Redlich glaubte, daß weltliche Personen in den kirchlichen Archiven eben rechtssichere Orte sahen und deshalb in diesen ihre Urkunden hinterlegten. J. B. Noväk ist gleichfalls auf jene »depositüre Tütigkeit« der Archive zu sprechen gekommen. Neuestens hat Zibermayr diese Gepflogenheit durch den Hinweis darauf erklären wollen, daß die weltlichen Kreise damals noch nicht schriftkundig und die Mönche die einzigen Träger der Bildung waren. Zibermayr suchte aber auch geltend zu machen, daß lange Zeit fast nur in den Gotteshäusern feuersichere Ge- wölbe zur Verfügung standen, indem die landesfürstlichen Bur- gen im Innern fast ganz aus Holz und mit Schindeldächern ge- deckt waren.

I. 15. Daß die Schriftkenntnis der Mönche die Ursache davon war, daß Laien ihren Urkundenschatz geistlichen Anstal- ten zur Verwahrung übergaben, kann deshalb nicht angenom- men werden, weil wir sehen, daß weltliche Personen auch mit anderen Teilen ihres Schatzes dasselbe taten. Sie haben ja auch



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