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RESUMÉ
Die Geschichte des böhmischen Kronarchives.
I. 1. Die Schriftlichkeit im Rechtsverkehre und weit mehr
noch die schriftliche Geschäftsgebahrung der Behörden — die
Vorbedingungen für die Entstehung von Archiven — sind erst
das Produkt einer hôheren Kulturstufe. Bedeutend später als
‚bei den germanischen Völkern, erst um die Mitte des XII. Jahr-
hundertes kommt es bei den Tschechen.zur Ausfertigung von
Urkunden und im Zusammenhange damit zur Archivbildung.
Erst dadurch, daß auch hier das Siegel aus einem Erkennungs-
zeichen zu einem Beglaubigungsmittel wurde, sind in Böhmen
die Grundbedingungen für einen Urkundenschutz gegeben und
eine sorgfältige Aufbewahrung der schriftlichen Zeugnisse
über Rechtsvorgänge angebahnt worden.
I. 2. Der hohe Nutzwert der Urkunden war durch den Cha-
rakter des mittelalterlichen Rechtes gegeben, Daher kam auch
die Fürsorge der mittelalterlichen Rechtsträger für einen mög-
lichst vollständigen Urkundenschatz. Wie oft mußten damals
die Herrscher und noch viel leichter die Untertanen in ihren
subjektiven Rechten Schaden leiden, wenn sie den Urkunden
der Gegenpartei keine eigenen Urkunden entgegenstellen konn-
ten. Aus Sorge um die Erhaltung des Besitzstandes und der
Privilegien wurde deshalb überall im Mittelalter der Aufbe-
wahrung der Urkunden besondere Sorgfalt zugewendet. Einzig
und allein waren es die Erfordernisse des praktischen Lebens,
welehe archiverhaltend wirkten, keineswegs irgendwelche gei-
stige Interessen. Damit ist aber nicht gesagt, daR die mittel-
alterliche Geschichtschreibung überhaupt ganz interesselos an
den mittelalterlichen Archiven vorbeigegangen ist. Behalten
wir nur bóhmische Verhältnisse im Auge, so genügt es, auf
den Chronisten Pulkawa hinzuweisen, der das bóhmische Kron-
archiv benützt und Urkunden aus ihm in seine Chronik auf-
genommen hat.
I. 3. Die mittelalterlichen Archive sind fast ausschlieBlich
Urkundenarchive, Die Amtsgeschafte wurden nur mindlich ab-
gewickelt und man empfand auch keinerlei Bediirfnis, cin