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den Staat das Archiv des altberůhmten Sedletzer Cisterzienserstiftes, da „soliches nicht eingezogen
werden konnte, indem dieses Kloster nicht wie andere aufgehoben, sondern blos die Geistlichen vertheilt, und
das Stift sammt Vermögen und Angehörigen dem böhmischen Orden zur Verwaltung übergeben worden.“
(Gubernialdecret vom 27. Januar 1790, Z. 2469), und das Mühlhausener Prämonstratenserarchiv,
wegen der Zuweisung des Mühlhausener Priorates an sein Mutterkloster Strahof 17).
Aber dem gerade werthvollsten Theile der so vor der Hand für die Universitätsbibliothek zu Prag
gewonnenen strengen Diplome ward kein dauernder Aufenthalt in diesem localen Wissenainstitute gestattet.
Die im Principe und im nackten Sachinteresse der Wissenschaft sowie der Gesammtverwaltung des üster-
reichischen Kaiserstaates vollkommen richtige und nur zu billigende, sowie consequent gefolgerte Anschauung
des beriihmten ästerreichischen Historiographen und Geheimen Archiv-Directors Josef Freiherrn von Hor-
mayr, dass nur eine Vereinigung aller in der weiten Monarchie verstreuten, wichtigeren Urkunden
und Quellen in einem einzigen Reichs-Centralarchive der systematisch zu betreibenden, von allem Verliin-
derungswahne unangekränkelten, wahrhaft österreichischen Geschichtsforschung von wirklichem und ergiebigsten
Nutzen sein könne, fand einen allmächtigen Fürderer in dem damaligen „Minister der auswärtigen Geschäfte,“
dem Staatskanzler Fürsten, resp. Grafen Metternich, Diesen hatte Hormayr für die möglichst vollkommene
Ausgestaltung des Wiener geheimen Staatsarchives zu gewinnen gewusst, und eben durch ihn eine Ent-
scheidung Kaiser Franz I. vom 6. März 1811 bewirkt, kraft welcher Metternich Vollmacht erhielt, aus
sämmtlichen kais, Provincialarchiven und Bibliotheken deren Stock von Kaiser-, Königs- und anderen landes-
herrlichen, sowie päpstlichen und sonstigen bedeutenderen Diplomen nach Wahl Hormayrs für das geheime
Staatsarchiv abverlangen zu dürfen. Zu diesem so eminent wissenschaftförderlichen Centralisierungsentschlusse mögen
übrigens auch unterschiedliche äussere, mit dem Verstreutsein der Urkunden unvermeidlich zusammenhängende
Miss- und Umstände veranlassend beigetragen haben, Aus einem bald anzuführenden bezüglichen Schreiben
Metternichs treten uns solche äussere Gründe wenigstens unverhüllt entgegen. Die grösstentheils zu den Diplom-
depóts verwendeten Provinzialregistraturen vermochten nichts dazu beizutragen, um ein etwa schon früheres
Durcheinander der ihnen anvertrauten Urkunden auch nur irgendwie zu corrigieren; im Gegentheile; gross-
artige Verschleppungen, Verwüstungen und Zerstórungen von Acten, sei es aus Unkenntnis, sei es aus Mangel
an Fürsorge, Zeit oder directem Uebelwollen mógen allenthalben nicht zu verhindern gewesen sein. Denn nur
so war er zu erklären dass bei der aus dem Wiener Frieden resultierenden Aenderung der Reichsgrenze die
bei dieser Grenzbestimmung zu Rathe zu ziehen gewesenen Urkundenarchive in mehr als einem Falle die Rath-
suchenden gar klüglich im Stiche gelassen haben. Fürst Metternich sagt dies wenigstens in dem citierten
Schreiben geradezu, und tadelndst trifft in dieser Hinsicht sein beissendes Urtheil Innerósterreich und die
Stammlande im einzelnen, die Provinzen Bóhmen und Mihren aber im allgemeinen. Metternich wollte solche
Erfahrungen wohl nicht wieder machen. Und darum griff er mit diesmal segenbringender Dictatorhand auf
Grund der Hormayr'schen Vorschlige herzhaft in die sogenannten „historischen“ und bekannt theoriegrauen
Provinzsonderrechte in puncto der verschiedenen Provinzial-Urkundenbestünde ein, und dirigierte das Beste der
letzteren in das centrale Geheime Staats-, Hof- und Hausarchiv zu Wien. Verzeichnisse aller vorhandenen Diplome
wurden von jedem Provinzielarchive, von jeder Provinzialbibliothek, so weit beide eben der Staatsverwaltung
unterstanden, abverlangt, Hormayr wühlte aus denselben, was ihm für Wien erwerbenswerth dünkte, und noch
das Ende von 1811 und der Anfang von 1812 sahen die so von ihm bezeichneten Urkunden Eigenthum des
Geheimen Hof-, Stasts- und Hausarchives zu Wien werden. Metternich engagierte nümlich durch directe
Schreiben an die einzelnen Landesverweser die betreffenden Lünderstellenleiter in eigener Person für die
Hereinbringung der verlangten Urkunden; daher auch wohl diese verhültnismüssig rasche Realisierung des
kais. Patentes vom 6. März 1811, z. B. auch in Böhmen.
17) Dennoch dürften solche Mühlhausener Archivstücke vielleicht eingezogen worden sein, da G. Wolf a. a. O. Beilage III.
in dem leider commentarlosen Aufzihlungsschema von ,Urkunden aus Klostern in Bohmen* auch eine Urkunde ,Prümonstratenser. in
Strahof 1668“ (wobl Mühlhausen, das ja zu Strahof gehörte) erwähnt.