IX
Mitbruders, und dieser liess eiligst auf dem sogenannten Kleinen Hofe des Clementinums eine grosse Menge
im Archive schon vorbereitet gewesener Schriftbündel und Hefte verbrennen, mit seinen Ordensgenossen den
aus den Flammen aufsteigenden Rauch mit den bezeichnenden Worten: „Fumus meritorum filiorum Sanctissimi
Patris Ignatii ascendat ad coelum!“ begrüssend. Dass P. Provin just nicht den werthlosesten Theil des
Archivbestandes seines altberühmten Collegiums diesem Actenautodafe überliefert haben dürfte, ist wohl
zweifellos. Die moderne Geschichtsforschung aber hat Dank dieser so liebenswürdigen Besorgnis des P. Provin
um die Zeit und Mühewaltung der zur Aufhebung seiner intimsten Schätze entsendeten kaiserlichen Com-
mission und Dank der arglosen Gestattung des gestellten Verbrennungsbegehrens, den mehr als unnöthigen
Untergang manches unumstösslichen Zeugens für das wahre Thätigkeitsbild der Söhne St. Ignatii in Böhmen,
vielleicht und wahrscheinlich auch der so völlig verschollenen Correspondenz des Prager Centralcollegiums mit
dem Generale des Ordens in Rom, unwiderbringlich zu betrauern. (Vgl. auch die etwas malerisch gegebene
Darstellung eines Theiles des hier Erwühnten bei , Hanslik: Geschichte der Prager Universitüts-Bibliothek *, p. 69.)
Den Hauptstoss gegen den geschlossensten Theil der vorjosephinischen austrokatholischen Hierarchie 4)
führte jedoch erst Keiser Josephs IL. Rescript vom 12. Januar 1782 5). Im Principe schon 1780 und
1781 beschlossen, respective vorbereitet, gab die am 10. November 1781 von der kaiserlichen Hofkanzlei an-
geordnete Erhebung in Sachen des derangirten Carthiiuserstiftes zu Mauerbach bei Wien den ersten Impuls
zur nunmehrigen energischeren Durchführung der schon lange gehegten allgemeinen Klosteraufhebungsabsicht.
Ein von dem Hofrathe der Hofkauzlei und Referenten für sümmtliche geistliche Sachen daselbst, Franz Joseph
von Heinke, der Seele und Hauptarbeitskraft in der Aufhebungsangelegenheit, der auch schon die Jesuitenauf-
hebungserlüsse verfasst hatte, ausgearbeiteter und von dem obersten Hofkanzler Grafen Kolowrat am 27. De-
cember 1781 Sr. Majestit vorgetragener Aufhebungsgrundentwurf ©) brachte die ganze Angelegenheit in nun
nicht mehr zu hemmenden Fluss. Das obige Rescript vom 12. Januar 1782 bildete die erste und entschei-
dendste kaiserliche Folgeäusserung dieses Vortrages. Es leitete die so zu nennende erste Klosterauf hebungs-
periode Oesterreichs, d. h. die Aufhebungen der Jahre 1782 bis 1784, ein. Die uns hier einzig interessierenden
beiden ersten Hauptpunkte des Rescriptes mügen ihrem vollen Texte nach hier angeführt sein; sie lauteten:
»1, Alle Ordenshäuser, Kläster, Hospizien, oder was diese geistlichen Versammlungshüuser sonst für
Namen haben môgen, vom männlichen Geschlecht des Karthäuser-, Camaldulenser-Ordens und die Ere-
miten oder sogenannten Waldbrüder, dann vom weiblichen Geschlecht der Carmeliterinnen, Claris-
sinnen, Capuzinerinnen, Franziscanerinnen werden aufgehoben und das gemeinschaftliche Leben
der darin befindlichen Personen soll aufhóren.*
»2. Hat die Art der Aufhebung in folgender Gestalt zu geschehen: Das Landesgubernium wird nach
Empfang dieses Rescriptes einen tauglichen Commissür mit der erforderlichen Instruetion und einem Creditiv
nebst einem geschickten Mann von der Cameralbuchhaltung in ein jedes Kloster der genannten Orden mit
dem Auftrage absenden, dass der Commissür unter bestündiger Beobachtung der gróssten Bescheidenheit und
eines gütigen Befragens der obrigkeitlichen Personen und der ganzen geistlichen Gemeinde die hůchste Ent-
Schliessung kund mache... Nach der Publication soll der Commissiir die Schliisseln der Kassen, Kirchen-
schätze, Archive und Vorrathshäuser verlangen, alles jene, welches nicht zu täglichem Gebrauche in der
Kirchen und im Hause auf die Zeit des Dableibens der Ordenspersonen nothwendig ist, versiegeln... Es
soll sogleich ein Inventar verfasst, und die Verrechnung einem geschickten auch getreuen weltlichen
Beamten übergeben werden ...*
Diese ersten Klosteraufhebungsverfügungen veranlasste noch unmittelbar die centrale , Hofkanzlei*
zu Wien aus ihrem complicierten Machtbefugniskreise selbst heraus.
4) In Gesammtostarreich existirten vor 1782 1533 Mänuer- und 590 Frauenkloster. (Vgl. A. Wolf: „Aufhebung der Klöster
in Innerósterreich*, und De Luca.)
$) Vgl. A. Wolf: Aufhebung etc. S. 16 und ff.
9) Nach Wolfsgruber: Geschichte der Camaldulenser-Eremie auf dom Kahlenberge (Blütter d. V. f. Landeskunde von №. Oe'
N. F. XXV, S. $85) datiert das Kolowratsche Gutachten selbst vom 17. Decomber 1781 (Vgl. anch A. Wolf a. a. O. S. 21.)
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