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Diesen Versen entspricht genau die Darstellung des apokalyp-
tischen Weibes mit dem Knaben auf dem linken Arm und mit der
Sternenkrone, umgürtet mit der Sonne und auf der Mondsichel stehend,
in der Nordwestecke der Karlsteiner Marienkirche (Neuwirth Tafel VIII,
Text S. 30). Mit dieser Karlsteiner Darstellung beriihren sich (nach
Neuwirth 33, vgl. Lambel 52) die Darstellungen der berühmten Weli-
slawschen Bibel der Lobkowiczischen Bibliothek und des „Scriptum
super apocalypsim“ des Metropolitankapitels zu St. Veit. Auch die
lateinische Quelle der XL erwähnt (Knust 262) die Sibylla, legt ihr
aber etwas ganz anderes in den Mund als die ac, KL: Felix ille deus,
ligno qui pendet ab alto, die wörtliche Uebersetzung des griechischen
Textes (Friedlieb, Die sibyll. Weissagungen, 1852, VI, 26). Der čech.
Dichter hat den Namen beibehalten, der Sibylla aber in den Mund ge-
legt, was er auf der Karlsteiner apokalyptischen Darstellung im Bilde
sah und was er in den Erläuterungsversen auf der Wand las: Et sig-
num apparuit in celo mulier amicta sole et luna sub pedibus eius et in
capite eius corona stellarum. Et mulier peperit filium masculum, qui
recturus erat omnes gentes in virga lerrea. Daraus bildete der Dichter
die Geburt Christi durch die Junfírau. Ob wir bei dem sonnenumgür-
teten Weibe nach der álteren Weise (Ambrosius, Augustinus, Welislaw-
bibel, Scriptum super apocal) an die Kirche oder nach der jüngeren,
schon bei Alkuin begegnenden an Maria zu denken haben, ob also hier
ein Zusammenhang mit der unter Karl IV. mächtig einsetzenden Marien-
verehrung vorliegt, ist nicht zu entscheiden. Die wichtige Rolle, die
in der éechischen Legende bei der Bekehrung der hl. Katharina Marien
zukommt, deutet m. E. auch auf die Karolinische Zeit hin.)
14. Vor dem Uebergang zum sprachlichen Teil sei einiges über das
Verháltnis der KL zu den anderen slavischen bemerkt, Pateras Legende
stellt bloss die Leidensgeschichte mit sehr wesentlichen stofflichen Ab-
weichungen dar, so dass an die „Vulgata” als Quelle kaum gedacht
werden kann. Im Ganzen macht die einfachere kleine Legende durch
ihre strophische Gliederung und die in grossen, knappen Zügen ver-
laufende Handlung den Eindruck einer grossen Heiligenballade, während
die KL eine breit hinflutende, ins einzelne schildernde und stark rheto-
rische epische Erzählung ist. Weder inhaltliche, noch formelle, sprach-
liche und stilistische Gründe berechtigen, die grosse KL dem blinden
Dichter Jakub zuzuschreiben, der sich am Schluss von Pateras Fassung nennt,
Bartośs geistliches Volkslied hat den Gang der Handlung der KL
und Einzelzüge überraschend bewahrt. Ein sehr hohes Alter können wir
nach den sprachlichen Merkmalen diesem Liede nicht zusprechen. Es
werden also die Uebereinstimmungen weniger auf Kenntnis der ac. KL
als etwa lateinischer Fassungen oder einer der verlorenen a&, im 17. Jh.
noch vorhandenen (siehe oben S. II, Anm. 1) zurückzuführen sein.
1) Zu dieser Frage Lambel 374 £
2) Ueber den grossartigen kirchlich-künstlerischen Marienkult der
Karolinischen Zeit bes. K. Burdach, Zur Kenntnis altdeutscher Hand-
schriften etc., Cbl. f, Bibliothekswesen 8 (1891), 472 (in Buchform: Vom
Mittelalter zur Reformation, Halle 1893, S. 111 f.)