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LanguageGerman
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AnnotationSalomoni, Alessio


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[1] tree
Man nennt viele Künstler, die eigentlich Kunstwerke der Natur sind.
s-1
lyceum-f1-s1
Man nennt viele Künstler, die eigentlich Kunstwerke der Natur sind.
[2] tree
Jedes Volk will auf der Schaubühne nur den mittlern Durchschnitt seiner eignen Oberfläche schauen;
s-2
lyceum-f2-s1
Jedes Volk will auf der Schaubühne nur den mittlern Durchschnitt seiner eignen Oberfläche schauen;
[3] tree
man müßte ihm denn Helden, Musik oder Narren zum besten geben.
s-3
lyceum-f2-s2
man müßte ihm denn Helden, Musik oder Narren zum besten geben.
[4] tree
Wenn Diderot im »Jakob« etwas recht Genialisches gemacht hat, so kömmt er gewöhnlich gleich selbst hinterher, und erzählt seine Freude dran, daß es so genialisch geworden ist.
s-4
lyceum-f3-s1
Wenn Diderot im »Jakob« etwas recht Genialisches gemacht hat, so kömmt er gewöhnlich gleich selbst hinterher, und erzählt seine Freude dran, daß es so genialisch geworden ist.
[5] tree
Es gibt so viel Poesie, und doch ist nichts seltner als ein Poem!
s-5
lyceum-f4-s1
Es gibt so viel Poesie, und doch ist nichts seltner als ein Poem!
[6] tree
Das macht die Menge von poetischen Skizzen, Studien, Fragmenten, Tendenzen, Ruinen, und Materialien.
s-6
lyceum-f4-s2
Das macht die Menge von poetischen Skizzen, Studien, Fragmenten, Tendenzen, Ruinen, und Materialien.
[7] tree
Manches kritische Journal hat den Fehler, welcher Mozarts Musik so häufig vorgeworfen wird: einen zuweilen unmäßigen Gebrauch der Blasinstrumente.
s-7
lyceum-f5-s1
Manches kritische Journal hat den Fehler, welcher Mozarts Musik so häufig vorgeworfen wird: einen zuweilen unmäßigen Gebrauch der Blasinstrumente.
[8] tree
Man tadelt die metrische Sorglosigkeit der Goetheschen Gedichte.
s-8
lyceum-f6-s1
Man tadelt die metrische Sorglosigkeit der Goetheschen Gedichte.
[9] tree
Sollten aber die Gesetze des deutschen Hexameters wohl so konsequent und allgemeingültig sein, wie der Charakter der Goetheschen Poesie?
s-9
lyceum-f6-s2
Sollten aber die Gesetze des deutschen Hexameters wohl so konsequent und allgemeingültig sein, wie der Charakter der Goetheschen Poesie?
[10] tree
Mein Versuch über das Studium der griechischen Poesie ist ein manierierter Hymnus in Prosa auf das Objektive in der Poesie.
s-10
lyceum-f7-s1
Mein Versuch über das Studium der griechischen Poesie ist ein manierierter Hymnus in Prosa auf das Objektive in der Poesie.
[11] tree
Das Schlechteste daran scheint mir der gänzliche Mangel der unentbehrlichen Ironie; und das Beste, die zuversichtliche Voraussetzung, daß die Poesie unendlich viel wert sei; als ob dies eine ausgemachte Sache wäre.
s-11
lyceum-f7-s2
Das Schlechteste daran scheint mir der gänzliche Mangel der unentbehrlichen Ironie; und das Beste, die zuversichtliche Voraussetzung, daß die Poesie unendlich viel wert sei; als ob dies eine ausgemachte Sache wäre.
[12] tree
Eine gute Vorrede muß zugleich die Wurzel und das Quadrat ihres Buchs sein.
s-12
lyceum-f8-s1
Eine gute Vorrede muß zugleich die Wurzel und das Quadrat ihres Buchs sein.
[13] tree
Witz ist unbedingt geselliger Geist, oder fragmentarische Genialität.
s-13
lyceum-f9-s1
Witz ist unbedingt geselliger Geist, oder fragmentarische Genialität.
[14] tree
Man muß das Brett bohren, wo es am dicksten ist.
s-14
lyceum-f10-s1
Man muß das Brett bohren, wo es am dicksten ist.
[15] tree
Es ist noch gar nichts recht Tüchtiges, was Gründlichkeit, Kraft und Geschick hätte, wider die Alten geschrieben worden;
s-15
lyceum-f11-s1
Es ist noch gar nichts recht Tüchtiges, was Gründlichkeit, Kraft und Geschick hätte, wider die Alten geschrieben worden;
[16] tree
besonders wider ihre Poesie.
s-16
lyceum-f11-s2
besonders wider ihre Poesie.
[17] tree
In dem, was man Philosophie der Kunst nennt, fehlt gewöhnlich eins von beiden;
s-17
lyceum-f12-s1
In dem, was man Philosophie der Kunst nennt, fehlt gewöhnlich eins von beiden;
[18] tree
entweder die Philosophie oder die Kunst.
s-18
lyceum-f12-s2
entweder die Philosophie oder die Kunst.
[19] tree
Jedes Gleichnis, was nur lang ist, nennt Bodmer gern homerisch.
s-19
lyceum-f13-s1
Jedes Gleichnis, was nur lang ist, nennt Bodmer gern homerisch.
[20] tree
So hört man auch wohl Witz aristophanisch nennen, an dem nichts klassisch ist, als die Zwanglosigkeit und die Deutlichkeit.
s-20
lyceum-f13-s2
So hört man auch wohl Witz aristophanisch nennen, an dem nichts klassisch ist, als die Zwanglosigkeit und die Deutlichkeit.
[21] tree
Auch in der Poesie mag wohl alles Ganze halb, und alles Halbe doch eigentlich ganz sein.
s-21
lyceum-f14-s1
Auch in der Poesie mag wohl alles Ganze halb, und alles Halbe doch eigentlich ganz sein.
[22] tree
Der dumme Herr in Diderots »Jakob« macht dem Künstler vielleicht mehr Ehre, als der närrische Diener.
s-22
lyceum-f15-s1
Der dumme Herr in Diderots »Jakob« macht dem Künstler vielleicht mehr Ehre, als der närrische Diener.
[23] tree
Er ist freilich nur beinah genialisch dumm.
s-23
lyceum-f15-s2
Er ist freilich nur beinah genialisch dumm.
[24] tree
Aber auch das war wohl schwerer zu machen, als einen ganz genialischen Narren.
s-24
lyceum-f15-s3
Aber auch das war wohl schwerer zu machen, als einen ganz genialischen Narren.
[25] tree
Genie ist zwar nicht Sache der Willkür aber doch der Freiheit, wie Witz, Liebe und Glauben, die einst Künste und Wissenschaften werden müssen.
s-25
lyceum-f16-s1
Genie ist zwar nicht Sache der Willkür aber doch der Freiheit, wie Witz, Liebe und Glauben, die einst Künste und Wissenschaften werden müssen.
[26] tree
Man soll von jedermann Genie fordern, aber ohne es zu erwarten.
s-26
lyceum-f16-s2
Man soll von jedermann Genie fordern, aber ohne es zu erwarten.
[27] tree
Ein Kantianer würde dies den kategorischen Imperativ der Genialität nennen.
s-27
lyceum-f16-s3
Ein Kantianer würde dies den kategorischen Imperativ der Genialität nennen.
[28] tree
Nichts ist verächtlicher als trauriger Witz.
s-28
lyceum-f17-s1
Nichts ist verächtlicher als trauriger Witz.
[29] tree
Die Romane endigen gern, wie das Vaterunser anfängt: mit dem Reich Gottes auf Erden.
s-29
lyceum-f18-s1
Die Romane endigen gern, wie das Vaterunser anfängt: mit dem Reich Gottes auf Erden.
[30] tree
Manches Gedicht wird so geliebt, wie der Heiland von den Nonnen.
s-30
lyceum-f19-s1
Manches Gedicht wird so geliebt, wie der Heiland von den Nonnen.
[31] tree
Eine klassische Schrift muß nie ganz verstanden werden können.
s-31
lyceum-f20-s1
Eine klassische Schrift muß nie ganz verstanden werden können.
[32] tree
Aber die, welche gebildet sind und sich bilden, müssen immer mehr draus lernen wollen.
s-32
lyceum-f20-s2
Aber die, welche gebildet sind und sich bilden, müssen immer mehr draus lernen wollen.
[33] tree
Wie ein Kind eigentlich eine Sache ist, die ein Mensch werden will: so ist auch das Gedicht nur ein Naturding, welches ein Kunstwerk werden will.
s-33
lyceum-f21-s1
Wie ein Kind eigentlich eine Sache ist, die ein Mensch werden will: so ist auch das Gedicht nur ein Naturding, welches ein Kunstwerk werden will.
[34] tree
Ein einziges analytisches Wort, auch zum Lobe, kann den vortrefflichsten witzigen Einfall, dessen Flamme nun erst wärmen sollte, nachdem sie geglänzt hat, unmittelbar löschen.
s-34
lyceum-f22-s1
Ein einziges analytisches Wort, auch zum Lobe, kann den vortrefflichsten witzigen Einfall, dessen Flamme nun erst wärmen sollte, nachdem sie geglänzt hat, unmittelbar löschen.
[35] tree
In jedem guten Gedicht muß alles Absicht, und alles Instinkt sein.
s-35
lyceum-f23-s1
In jedem guten Gedicht muß alles Absicht, und alles Instinkt sein.
[36] tree
Dadurch wird es idealisch.
s-36
lyceum-f23-s2
Dadurch wird es idealisch.
[37] tree
Die kleinsten Autoren haben wenigstens die Ähnlichkeit mit dem großen Autor des Himmels und der Erde, daß sie nach vollbrachtem Tagewerke zu sich selbst zu sagen pflegen: »Und siehe, was er gemacht hatte, war gut.«
s-37
lyceum-f24-s1
Die kleinsten Autoren haben wenigstens die Ähnlichkeit mit dem großen Autor des Himmels und der Erde, daß sie nach vollbrachtem Tagewerke zu sich selbst zu sagen pflegen: »Und siehe, was er gemacht hatte, war gut.«
[38] tree
Die beiden Hauptgrundsätze der sogenannten historischen Kritik sind das Postulat der Gemeinheit, und das Axiom der Gewöhnlichkeit.
s-38
lyceum-f25-s1
Die beiden Hauptgrundsätze der sogenannten historischen Kritik sind das Postulat der Gemeinheit, und das Axiom der Gewöhnlichkeit.
[39] tree
Postulat der Gemeinheit: Alles recht Große, Gute und Schöne ist unwahrscheinlich, denn es ist außerordentlich, und zum mindesten verdächtig.
s-39
lyceum-f25-s2
Postulat der Gemeinheit: Alles recht Große, Gute und Schöne ist unwahrscheinlich, denn es ist außerordentlich, und zum mindesten verdächtig.
[40] tree
Axiom der Gewöhnlichkeit: Wie es bei uns und um uns ist, so muß es überall gewesen sein, denn das ist ja alles so natürlich.
s-40
lyceum-f25-s3
Axiom der Gewöhnlichkeit: Wie es bei uns und um uns ist, so muß es überall gewesen sein, denn das ist ja alles so natürlich.
[41] tree
Die Romane sind die sokratischen Dialoge unserer Zeit.
s-41
lyceum-f26-s1
Die Romane sind die sokratischen Dialoge unserer Zeit.
[42] tree
In diese liberale Form hat sich die Lebensweisheit vor der Schulweisheit geflüchtet.
s-42
lyceum-f26-s2
In diese liberale Form hat sich die Lebensweisheit vor der Schulweisheit geflüchtet.
[43] tree
Ein Kritiker ist ein Leser, der wiederkäut.
s-43
lyceum-f27-s1
Ein Kritiker ist ein Leser, der wiederkäut.
[44] tree
Er sollte also mehr als einen Magen haben.
s-44
lyceum-f27-s2
Er sollte also mehr als einen Magen haben.
[45] tree
Anmut ist korrektes Leben;
s-45
lyceum-f29-s1
Anmut ist korrektes Leben;
[46] tree
Sinnlichkeit die sich selbst anschaut, und sich selbst bildet.
s-46
lyceum-f29-s2
Sinnlichkeit die sich selbst anschaut, und sich selbst bildet.
[47] tree
An die Stelle des Schicksals tritt in der modernen Tragödie zuweilen Gott der Vater, noch öfter aber der Teufel selbst.
s-47
lyceum-f30-s1
An die Stelle des Schicksals tritt in der modernen Tragödie zuweilen Gott der Vater, noch öfter aber der Teufel selbst.
[48] tree
Wie kommts, daß dies noch keinen Kunstgelehrten zu einer Theorie der diabolischen Dichtart veranlaßt hat?
s-48
lyceum-f30-s2
Wie kommts, daß dies noch keinen Kunstgelehrten zu einer Theorie der diabolischen Dichtart veranlaßt hat?
[49] tree
Die Einteilung der Kunstwerke in naive und sentimentale, ließe sich vielleicht sehr fruchtbar auch auf die Kunsturteile anwenden.
s-49
lyceum-f31-s1
Die Einteilung der Kunstwerke in naive und sentimentale, ließe sich vielleicht sehr fruchtbar auch auf die Kunsturteile anwenden.
[50] tree
Es gibt sentimentale Kunsturteile, denen nichts fehlt als eine Vignette und ein Motto, um auch vollkommen naiv zu sein.
s-50
lyceum-f31-s2
Es gibt sentimentale Kunsturteile, denen nichts fehlt als eine Vignette und ein Motto, um auch vollkommen naiv zu sein.
[51] tree
Zur Vignette, ein blasender Postillion.
s-51
lyceum-f31-s3
Zur Vignette, ein blasender Postillion.
[52] tree
Zum Motto eine Phrasis des alten Thomasius beim Schluß einer akademischen Festrede: Nunc vero musicantes musicabunt cum paucis et trompetis.
s-52
lyceum-f31-s4
Zum Motto eine Phrasis des alten Thomasius beim Schluß einer akademischen Festrede: Nunc vero musicantes musicabunt cum paucis et trompetis.
[53] tree
Einige verdampfen, andre werden zu Wasser.
s-53
lyceum-f32-s1
Einige verdampfen, andre werden zu Wasser.
[54] tree
Eins von beiden ist fast immer herrschende Neigung jedes Schriftstellers: entweder manches nicht zu sagen, was durchaus gesagt werden müßte, oder vieles zu sagen, was durchaus nicht gesagt zu werden brauchte.
s-54
lyceum-f33-s1
Eins von beiden ist fast immer herrschende Neigung jedes Schriftstellers: entweder manches nicht zu sagen, was durchaus gesagt werden müßte, oder vieles zu sagen, was durchaus nicht gesagt zu werden brauchte.
[55] tree
Ein witziger Einfall ist eine Zersetzung geistiger Stoffe, die also vor der plötzlichen Scheidung innigst vermischt sein mußten.
s-55
lyceum-f34-s1
Ein witziger Einfall ist eine Zersetzung geistiger Stoffe, die also vor der plötzlichen Scheidung innigst vermischt sein mußten.
[56] tree
Die Einbildungskraft muß erst mit Leben jeder Art bis zur Sättigung angefüllt sein, ehe es Zeit sein kann, sie durch die Friktion freier Geselligkeit so zu elektrisieren, daß der Reiz der leisesten freundlichen oder feindlichen Berührung ihr blitzende Funken und leuchtende Strahlen, oder schmetternde Schläge entlocken kann.
s-56
lyceum-f34-s2
Die Einbildungskraft muß erst mit Leben jeder Art bis zur Sättigung angefüllt sein, ehe es Zeit sein kann, sie durch die Friktion freier Geselligkeit so zu elektrisieren, daß der Reiz der leisesten freundlichen oder feindlichen Berührung ihr blitzende Funken und leuchtende Strahlen, oder schmetternde Schläge entlocken kann.
[57] tree
Mancher redet so vom Publikum, als ob es jemand wäre, mit dem er auf der Leipziger Messe im Hotel de Saxe zu Mittage gespeist hätte.
s-57
lyceum-f35-s1
Mancher redet so vom Publikum, als ob es jemand wäre, mit dem er auf der Leipziger Messe im Hotel de Saxe zu Mittage gespeist hätte.
[58] tree
Wer ist dieser Publikum?
s-58
lyceum-f35-s2
Wer ist dieser Publikum?
[59] tree
Publikum ist gar keine Sache, sondern ein Gedanke, ein Postulat, wie Kirche.
s-59
lyceum-f35-s3
– Publikum ist gar keine Sache, sondern ein Gedanke, ein Postulat, wie Kirche.
[60] tree
Wer noch nicht bis zur klaren Einsicht gekommen ist, daß es eine Größe noch ganz außerhalb seiner eigenen Sphäre geben könne, für die ihm der Sinn durchaus fehle;
s-60
lyceum-f36-s1
Wer noch nicht bis zur klaren Einsicht gekommen ist, daß es eine Größe noch ganz außerhalb seiner eigenen Sphäre geben könne, für die ihm der Sinn durchaus fehle;
[61] tree
wer nicht wenigstens dunkle Vermutungen hat, nach welcher Weltgegend des menschlichen Geistes hin diese Größe ungefähr gelegen sein möge: der ist in seiner eignen Sphäre entweder ohne Genie, oder noch nicht bis zum Klassischen gebildet.
s-61
lyceum-f36-s2
wer nicht wenigstens dunkle Vermutungen hat, nach welcher Weltgegend des menschlichen Geistes hin diese Größe ungefähr gelegen sein möge: der ist in seiner eignen Sphäre entweder ohne Genie, oder noch nicht bis zum Klassischen gebildet.
[62] tree
Um über einen Gegenstand gut schreiben zu können, muß man sich nicht mehr für ihn interessieren;
s-62
lyceum-f37-s1
Um über einen Gegenstand gut schreiben zu können, muß man sich nicht mehr für ihn interessieren;
[63] tree
der Gedanke, den man mit Besonnenheit ausdrücken soll, muß schon gänzlich vorbei sein, einen nicht mehr eigentlich beschäftigen.
s-63
lyceum-f37-s2
der Gedanke, den man mit Besonnenheit ausdrücken soll, muß schon gänzlich vorbei sein, einen nicht mehr eigentlich beschäftigen.
[64] tree
So lange der Künstler erfindet und begeistert ist, befindet er sich für die Mitteilung wenigstens in einem illiberalen Zustande.
s-64
lyceum-f37-s3
So lange der Künstler erfindet und begeistert ist, befindet er sich für die Mitteilung wenigstens in einem illiberalen Zustande.
[65] tree
Er wird dann alles sagen wollen; welches eine falsche Tendenz junger Genies, oder ein richtiges Vorurteil alter Stümper ist.
s-65
lyceum-f37-s4
Er wird dann alles sagen wollen; welches eine falsche Tendenz junger Genies, oder ein richtiges Vorurteil alter Stümper ist.
[66] tree
Dadurch verkennt er den Wert und die Würde der Selbstbeschränkung, die doch für den Künstler wie für den Menschen das Erste und das Letzte, das Notwendigste und das Höchste ist.
s-66
lyceum-f37-s5
Dadurch verkennt er den Wert und die Würde der Selbstbeschränkung, die doch für den Künstler wie für den Menschen das Erste und das Letzte, das Notwendigste und das Höchste ist.
[67] tree
Das Notwendigste: denn überall, wo man sich nicht selbst beschränkt, beschränkt einen die Welt;
s-67
lyceum-f37-s6
Das Notwendigste: denn überall, wo man sich nicht selbst beschränkt, beschränkt einen die Welt;
[68] tree
wodurch man ein Knecht wird.
s-68
lyceum-f37-s7
wodurch man ein Knecht wird.
[69] tree
Das Höchste: denn man kann sich nur in den Punkten und an den Seiten selbst beschränken, wo man unendliche Kraft hat, Selbstschöpfung und Selbstvernichtung.
s-69
lyceum-f37-s8
Das Höchste: denn man kann sich nur in den Punkten und an den Seiten selbst beschränken, wo man unendliche Kraft hat, Selbstschöpfung und Selbstvernichtung.
[70] tree
Selbst ein freundschaftliches Gespräch, was nicht in jedem Augenblick frei abbrechen kann, aus unbedingter Willkür, hat etwas Illiberales.
s-70
lyceum-f37-s9
Selbst ein freundschaftliches Gespräch, was nicht in jedem Augenblick frei abbrechen kann, aus unbedingter Willkür, hat etwas Illiberales.
[71] tree
Ein Schriftsteller aber, der sich rein ausreden will und kann, der nichts für sich behält, und alles sagen mag, was er weiß, ist sehr zu beklagen.
s-71
lyceum-f37-s10
Ein Schriftsteller aber, der sich rein ausreden will und kann, der nichts für sich behält, und alles sagen mag, was er weiß, ist sehr zu beklagen.
[72] tree
Nur vor drei Fehlern hat man sich zu hüten.
s-72
lyceum-f37-s11
Nur vor drei Fehlern hat man sich zu hüten.
[73] tree
Was unbedingte Willkür, und sonach Unvernunft oder Übervernunft scheint und scheinen soll, muß dennoch im Grunde auch wieder schlechthin notwendig und vernünftig sein;
s-73
lyceum-f37-s12
Was unbedingte Willkür, und sonach Unvernunft oder Übervernunft scheint und scheinen soll, muß dennoch im Grunde auch wieder schlechthin notwendig und vernünftig sein;
[74] tree
sonst wird die Laune Eigensinn, es entsteht Illiberalität, und aus Selbstbeschränkung wird Selbstvernichtung.
s-74
lyceum-f37-s13
sonst wird die Laune Eigensinn, es entsteht Illiberalität, und aus Selbstbeschränkung wird Selbstvernichtung.
[75] tree
Zweitens: man muß mit der Selbstbeschränkung nicht zu sehr eilen, und erst der Selbstschöpfung, der Erfindung und Begeisterung Raum lassen, bis sie fertig ist.
s-75
lyceum-f37-s14
Zweitens: man muß mit der Selbstbeschränkung nicht zu sehr eilen, und erst der Selbstschöpfung, der Erfindung und Begeisterung Raum lassen, bis sie fertig ist.
[76] tree
Drittens: man muß die Selbstbeschränkung nicht übertreiben.
s-76
lyceum-f37-s15
Drittens: man muß die Selbstbeschränkung nicht übertreiben.
[77] tree
An dem Urbilde der Deutschheit, welches einige große vaterländische Erfinder aufgestellt haben, läßt sich nichts tadeln als die falsche Stellung.
s-77
lyceum-f38-s1
An dem Urbilde der Deutschheit, welches einige große vaterländische Erfinder aufgestellt haben, läßt sich nichts tadeln als die falsche Stellung.
[78] tree
Diese Deutschheit liegt nicht hinter uns, sondern vor uns.
s-78
lyceum-f38-s2
Diese Deutschheit liegt nicht hinter uns, sondern vor uns.
[79] tree
Die Geschichte der Nachahmung der alten Dichtkunst, vornehmlich im Auslande hat unter andern auch den Nutzen, daß sich die wichtigen Begriffe von unwillkürlicher Parodie und passivem Witz, hier am leichtesten und vollständigsten entwickeln lassen.
s-79
lyceum-f39-s1
Die Geschichte der Nachahmung der alten Dichtkunst, vornehmlich im Auslande hat unter andern auch den Nutzen, daß sich die wichtigen Begriffe von unwillkürlicher Parodie und passivem Witz, hier am leichtesten und vollständigsten entwickeln lassen.
[80] tree
In der in Deutschland erfundenen und in Deutschland geltenden Bedeutung ist Ästhetisch ein Wort, welches wie bekannt eine gleich vollendete Unkenntnis der bezeichneten Sache und der bezeichnenden Sprache verrät.
s-80
lyceum-f40-s1
In der in Deutschland erfundenen und in Deutschland geltenden Bedeutung ist Ästhetisch ein Wort, welches wie bekannt eine gleich vollendete Unkenntnis der bezeichneten Sache und der bezeichnenden Sprache verrät.
[81] tree
Warum wird es noch beibehalten?
s-81
lyceum-f40-s2
Warum wird es noch beibehalten?
[82] tree
An geselligem Witz und geselliger Fröhlichkeit sind wenige Bücher mit dem Roman »Faublas« zu vergleichen.
s-82
lyceum-f41-s1
An geselligem Witz und geselliger Fröhlichkeit sind wenige Bücher mit dem Roman »Faublas« zu vergleichen.
[83] tree
Er ist der Champagner seiner Gattung.
s-83
lyceum-f41-s2
Er ist der Champagner seiner Gattung.
[84] tree
Die Philosophie ist die eigentliche Heimat der Ironie, welche man logische Schönheit definieren möchte: denn überall wo in mündlichen oder geschriebenen Gesprächen, und nur nicht ganz systematisch philosophiert wird, soll man Ironie leisten und fordern;
s-84
lyceum-f42-s1
Die Philosophie ist die eigentliche Heimat der Ironie, welche man logische Schönheit definieren möchte: denn überall wo in mündlichen oder geschriebenen Gesprächen, und nur nicht ganz systematisch philosophiert wird, soll man Ironie leisten und fordern;
[85] tree
und sogar die Stoiker hielten die Urbanität für eine Tugend.
s-85
lyceum-f42-s2
und sogar die Stoiker hielten die Urbanität für eine Tugend.
[86] tree
Freilich gibts auch eine rhetorische Ironie, welche sparsam gebraucht vortreffliche Wirkung tut, besonders im Polemischen;
s-86
lyceum-f42-s3
Freilich gibts auch eine rhetorische Ironie, welche sparsam gebraucht vortreffliche Wirkung tut, besonders im Polemischen;
[87] tree
Die Poesie allein kann sich auch von dieser Seite bis zur Höhe der Philosophie erheben, und ist nicht auf ironische Stellen begründet, wie die Rhetorik.
s-87
lyceum-f42-s4
Die Poesie allein kann sich auch von dieser Seite bis zur Höhe der Philosophie erheben, und ist nicht auf ironische Stellen begründet, wie die Rhetorik.
[88] tree
Es gibt alte und moderne Gedichte, die durchgängig im Ganzen und überall den göttlichen Hauch der Ironie atmen.
s-88
lyceum-f42-s5
Es gibt alte und moderne Gedichte, die durchgängig im Ganzen und überall den göttlichen Hauch der Ironie atmen.
[89] tree
Es lebt in ihnen eine wirklich transzendentale Buffonerie.
s-89
lyceum-f42-s6
Es lebt in ihnen eine wirklich transzendentale Buffonerie.
[90] tree
Im Innern, die Stimmung, welche alles übersieht, und sich über alles Bedingte unendlich erhebt, auch über eigne Kunst, Tugend, oder Genialität: im Äußern, in der Ausführung die mimische Manier eines gewöhnlichen guten italiänischen Buffo.
s-90
lyceum-f42-s7
Im Innern, die Stimmung, welche alles übersieht, und sich über alles Bedingte unendlich erhebt, auch über eigne Kunst, Tugend, oder Genialität: im Äußern, in der Ausführung die mimische Manier eines gewöhnlichen guten italiänischen Buffo.
[91] tree
Hippel, sagt Kant, hatte die empfehlungswürdige Maxime, man müsse das schmackhafte Gericht einer launigen Darstellung noch durch die Zutat des Nachgedachten würzen.
s-91
lyceum-f43-s1
Hippel, sagt Kant, hatte die empfehlungswürdige Maxime, man müsse das schmackhafte Gericht einer launigen Darstellung noch durch die Zutat des Nachgedachten würzen.
[92] tree
Warum will Hippel nicht mehr Nachfolger in dieser Maxime finden, da doch Kant sie gebilligt hat?
s-92
lyceum-f43-s2
Warum will Hippel nicht mehr Nachfolger in dieser Maxime finden, da doch Kant sie gebilligt hat?
[93] tree
Man sollte sich nie auf den Geist des Altertums berufen, wie auf eine Autorität.
s-93
lyceum-f44-s1
Man sollte sich nie auf den Geist des Altertums berufen, wie auf eine Autorität.
[94] tree
Es ist eine eigene Sache mit den Geistern;
s-94
lyceum-f44-s2
Es ist eine eigene Sache mit den Geistern;
[95] tree
sie lassen sich nicht mit Händen greifen, und dem andern vorhalten.
s-95
lyceum-f44-s3
sie lassen sich nicht mit Händen greifen, und dem andern vorhalten.
[96] tree
Geister zeigen sich nur Geistern.
s-96
lyceum-f44-s4
Geister zeigen sich nur Geistern.
[97] tree
Das Kürzeste und das Bündigste wäre wohl auch hier, den Besitz des alleinseligmachenden Glaubens durch gute Werke zu beweisen.
s-97
lyceum-f44-s5
Das Kürzeste und das Bündigste wäre wohl auch hier, den Besitz des alleinseligmachenden Glaubens durch gute Werke zu beweisen.
[98] tree
Bei der sonderbaren Liebhaberei moderner Dichter für griechische Terminologie in Benennung ihrer Produkte, erinnert man sich der naiven Äußerung eines Franzosen bei Gelegenheit der neuen altrepublikanischen Feste: que pourtant nous sommes menacés de rester toujours François.
s-98
lyceum-f45-s1
Bei der sonderbaren Liebhaberei moderner Dichter für griechische Terminologie in Benennung ihrer Produkte, erinnert man sich der naiven Äußerung eines Franzosen bei Gelegenheit der neuen altrepublikanischen Feste: que pourtant nous sommes menacés de rester toujours François.
[99] tree
Manche solcher Benennungen der Feudalpoesie können bei den Literatoren künftiger Zeitalter ähnliche Untersuchungen veranlassen, wie die, warum Dante sein großes Werk eine göttliche Komödie nannte.
s-99
lyceum-f45-s2
– Manche solcher Benennungen der Feudalpoesie können bei den Literatoren künftiger Zeitalter ähnliche Untersuchungen veranlassen, wie die, warum Dante sein großes Werk eine göttliche Komödie nannte.
[100] tree
Es gibt Tragödien, die man, wenn einmal etwas Griechisches im Namen sein soll, am besten traurige Mimen nennen könnte.
s-100
lyceum-f45-s3
– Es gibt Tragödien, die man, wenn einmal etwas Griechisches im Namen sein soll, am besten traurige Mimen nennen könnte.

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