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XIX
Glanze Christus und die gekrönte Maria mit Szeptern in den Händen,
der zaghaft hoffenden Katharina zuwinkend,
Es ist zweierlei möglich: entweder schwebte dem Dichter hier
eine fremde poetische Darstellung vor oder er kopierte ein wirkliches
Bauwerk. Für den ersten Fall muss man an die Schilderung des Gral-
tempels im jüngeren Titurel denken!), wo zum Vergleich besonders die
Strophen 26—36 (Glasfenster aus Edelsteinen) und 47—49 (Uhrwerk
mit Gestirnen) in Betracht kommen. Dem é&echischen Dichter kénnen
diese Stellen vorgelegen haben — zum mindesten lässt sich das Gegen-
teil nicht beweisen, Die meisten von ihm genannten Edelsteine finden
sich auch im Graltempel; doch sind eine Reihe von Edelsteinen im
Cech. Gedicht erwähnt, die das deutsche nicht hat; Demant, Türkis,
Sardin, Paleis, Kalcidon, Elfenbein und — bezeichnend — der Granat,
während 12 im deutschen Gedicht erwähnte Steine sich im čechischen
nicht finden, Auch mag beachtet werden, dass in der KL im Unterschied
zum Gralgedicht die Farben der einzelnen Edelsteine in den Fenstern
nicht angegeben werden. Ausser diesen bloss stofflichen Ueberein-
stimmungen leiten keine feineren Beziehungen von der deutschen zur
slavischen Schilderung. Die ältere deutsche Edelsteinliteratur kam für
den Cechen wohl nicht in Betracht, wie denn überhaupt eine deutsch-
geschriebene Quelle für die KL nicht erweisbar ist.
Der Ceche hatte es gar nicht nôtig, sich mit der nicht leicht
verständlichen Gralschilderung abzumühen — ihm lag die Edelstein-
pracht heimischer Bauwerke näher: die Wenzelskapelle im unteren Dom
zu S. Veit und die Kreuz- und Katharinenkapelle auf Burg Karlstein,
Die ursprünglich ganz freistehende Wenzelskapelle wurde durch
Karl IV. in den neuen Dom einbezogen, ihre neue prächtige Wölbung
1366 von Peter Parler vollendet und 1372 oder 1373 die Wände nach
dem Vorbild der Karlsteiner Katharinen- und Kreuzkapelle bis zur
Hóhe des 2:6 m messenden Simses mit Edelsteinen auf vergoldetem
Gipsgrund ausgeschmückt, Einen besonderen Schmuck bildeten die aus
Amethysten zusammengesetzte Geisselungssäule und das Chrysopras-
kreuz an der Fahne des Auferstehenden.?)
Mehr als die Wenzelskapelle entsprechen der Schilderung der
KL die Karlsteiner Kapellen sowohl der Zeit ihrer Vollendung nach als
durch begleitende Umstände. 1348 wird durch Ernst von Pardubitz der
Grund gelegt zur „Krone des bóhmischen Burgenbaues", die, sichtlich be-
einflusst durch den Papstpalast in Avignon (Matthias von Arras?), als
Aufbewahrungsort der Reichskleinodien und kostbarer Reliquien wie
1) Fr. Zarncke. Der Graltempel. Vorstudie zu einer Ausgabe des
jüngeren Titurel. Abh. der k. sichs. Ges. d. Wiss., philol.-hist. KI, 7. Bd.
(1879), 375 ff.
*) Vgl. Jos. Neuwirth, Der Prager Dom. Die Baukunst, heraus-
geg. von R. Borrmann und R. Graul, 2. Heft, S. 8.
3) Vgl. Jos. Neuwirth, Mittelalterliche Wandgemilde und Tafel-
bilder der Burg Karlstein in Böhmen. Forschungen zur Kunstgeschichte
Bóhmens I. Prag, 1896, — Dazu der aufschlussreiche Bericht von Hans
Lambel, Aus Bóhmens Kunstleben unter Karl IV. Oesterr.-ungar.
Revue 24 (1899).