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hilfreich zur Seite stánde. Dieser Bund wurde nun in den Tagen Con-
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stantins und Sylvesters geschlossen und dadurch das Gift des Ver-
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derbens der Kirche eingeflösst. Bis dahin lebten Christen unter Hei-
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den, seitdem leben wahre und gute Christen unter schlechten. Den-
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noch gilt noch immer das Gesetz Christi, obwol ,die letzte Kirche
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das Kreuz Christi, das sie hat tragen sollen, abgeworfen hat.

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In dieser Vereinigung des Staates mit der Kirche kann man je-
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nem doch eine gewisse Berechtigung zugestehen, wenigstens insoferne
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er die von den schlechten Christen immerwührend bedrohte Ruhe und
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Ordnung schützt und erhält, was schliesslich auch den Guten Nutzen
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bringt. Und auch dadurch ist die staatliche Gewalt, die Macht der
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Welt, von Nutzen, dass sie durch ihre Verfolgungen den wahren Chri-
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sten Gelegenheit bietet, Leid zu tragen und dadurch ihren Glauben.
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zu bethitigen. ')

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An sich ist allerdings der christliche Staat ein unlósbarer Wider-
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spruch, oder vielmehr es gibt keinen christlichen Staat, ausser nur
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dem Namen nach. Denn zum Wesen des Staates gehórt Zwang und
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Gewalt, um auch das Gute, das er schafft, zu befehlen und zu Stande
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zu bringen, und zwar der schlechten Christen wegen, die an die Stelle
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der Heiden getreten sind. Der wahre Christ braucht zum Guten nicht
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gezwungen zu werden, und darf zum Guten andere nicht zwingen,
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da Gott das Gute aus freien Stücken verlangt. Die Strafe, welche die
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Gesetze des Staates über den Verbrecher verhüngen, sind nichts an-
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deres, als Rache, die zu üben das Gesetz den Christen verbietet. Die
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Auflehnung gegen den Staat ist zwar ein Übel, aber auch jede Theil-
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nahme an seiner Gewalt.

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Alle Versuche, die mit den Kirchenvütern anfangen auch Au-
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gustinus hat aus der Schrift Blut statt der Milch gesogen Staat
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und Christentum zu versóhnen sind eitel; sie beruhen auf einer Miss-
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deutung der bekannten Worte des h. Paulus,?) die nur Auflehnung

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!) Der Staat selbst hat dadurch, dass er christlich geworden, nichts gewon-
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nen denn die herrschsüchtigen Rotten, insbesondere die Geistlichkeit, haben so viel
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Gut an sich gerissen, dass dem obersten Herrn, dem Kónig, gar wenig geblieben
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ist. Unter Heiden ist das Konigtum besser daran, denn da gibt es keine geistli-
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chen Herren. (Netz des Glaubens.)

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?) Der Apostel hat seine Mahnung an die Rümer gerichtet, weil viele glaub-
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ten, da sie Christus vom Joche des alten Gesetzes befreit habe, so müssten sie
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auch der staatlichen Macht der Heiden fernerhin nicht untergeben sein. Auch
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jetzt könnten viele Menschen gute und böse solche Gedanken von der grossen
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Freiheit fassen. (Netz des Glaubens.)


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