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der Tage dauern: aber in Chelčickýs Schriften spricht sich doch hie
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und da die Hoffnung aus, es werde die Zahl der getreuen Christen
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wieder zunehmen, es würden die Suchenden den Pfad des Heiles
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wieder finden und im Reiche des Antichrists Gemeinden von Christi
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wahren Nachfolgern begründen, den ältesten Christengemeinden ver-
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gleichbar, die unter Heiden entstanden und sich erhielten. Die Samm-
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lung und Organisation der zerstreuten Elemente zu einem Ganzen
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durch persönliches Eingreifen, betrachtete er nicht als seine Aufgabe.
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Chelcicky war aller Sektenbildung abhold, und fühlte sich zu diesem
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Werke nicht berufen und vielleicht als Laie auch nicht berechtigt.
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Er übte eine systematische zersetzende Kritik an dem Destehenden:
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positive Vorschläge zu einer Neugestaltung fand er nur in seinen
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Rückblicken auf die bessere Vergangenheit und ihre Mustergiltigkeit.

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Desto fleissiger führte er seit dem Ende des Krieges die Feder.
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So entstand die Postille, sein umfangreichstes Werk. Da er für die
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würdigste Sonntagsfeier die Anhórung des góttlichen Wortes hielt,
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die Predigt ,getreuer Priester" aber selten geworden war, so wollte er,
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der Laie, dem Volke in seinem Werke einen Ersatz bieten. Eine
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ganze Reihe von spüteren Schriften findet sich in der Postille gleich-
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sam in Keimen enthalten, die in der Folge zu besonderen Traktaten
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sich entfalteten. Einer von ihnen gestaltete sich zu einem Werke, das
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an Umfang der Postille wenig nachstehend, den Namen erhielt: ,Das
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Netz des Glaubens". Darin hat Cheléicky am ausführlichsten seine
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Gedanken über Kirche und Staat ausgesprochen. Aber es ist nicht
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möglich, bei diesen Schriften den Zeitpunkt genau zu bestimmen, in
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dem sie entstanden sind,

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Auch iiber Chelcickys Verkehr mit Rokycana fehlen bestimmte
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Daten.

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Während der besiegte Taboritismus seiner Auflosung entgegen-
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gieng, während ein Theil der Utraquisten vom Schlage Piibrams ausser
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der Forderung des Laienkelches alles übrige fallen liess, ohne Berech-
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tigung nur in diesem einzigen Punkte der Kirche den Gehorsam wei-
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gernd!): sammelte sich eine mittlere Partei um Rokycana. Im Dogma

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!) In den Sitzungsberichten der k. b. Gesellschaft der Wissenschaften 1878
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habe ich nach der Wiener Handschrift einige Stellen aus Příbrams bohmischen
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Traktat ,über den Gehorsam" mitgetheilt. Derselbe ist gegen Wiclif und Peter Payne
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gerichtet. In ihm bestreitet Příbram die Definition der Kirche als Gemeinschaft
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der Erwählten. Das Papsttum, sagt Příbram, indem er gegen Wiclif und seine
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Lehre, die römische Kirche sei die antichristliche Kirche, sich erklürt, sei von
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Christus begründet und werde bis an das Ende der Tage bestehen. Niemand dürfe
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von derselben abfallen.


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