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Den Taboriten entgegentretend, sucht Chelčický nachzuweisen,
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dass der Unterschied zwischen ihrer Auffassung und der Lehre der
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Pikarden ein scheinbarer, ein erkünstelter sei. Ihr Sakrament sei doch
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nur leeres Brot, zweck- und nutzlos zugleich, Christus sei in ihm nicht
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mehr gegenwärtig als in jedem anderen Objekte. Das Bild des Ge-
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kreuzigten wäre besser geeignet, das Gedächtnis seines Todes zu er-
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wecken. Die Taboriten hätten kein Recht gehabt, in ihren Verhand-
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lungen mit den Prager Magistern -irenische Formeln zu acceptiren, da
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sie doch dabei ihre ursprüngliche Lehre sich vorbehielten, obgleich
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sie dieselbe vor anderen und namentlich vor dem Volke verbürgen.
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Da sie von ihrer wahren Lehre nur.etwas von weitem andeuten, aber
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alles zu sagen nicht wagen, so sei in ihren Reden überall ja und
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nein enthalten.

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Chelcicky spricht den Taboriten das Recht ab, sich auf den auch
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von ihnen hochgeachteten Wiclif zu berufen. Sie hiitten ihm vielmehr
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Unrecht gethan, ihn missverstanden. Mit ihm weiss sich dagegen
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Chelčický selbst in Übereinstimmung, wenn er an der realen Gegen-
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wart Christi im Sakramente festhält. Wenn er aber zugleich dieselben
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Argumente wiederholt, die Wiclif aus der Rüstkammer der Scholastik
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genommen, um die Lehre von der Wandlung der Elemente aus dem
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Felde zu schlagen: ") so ist es seine Meinung nicht, dass auf diesem
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Gebiete den Künsten der Logik die Entscheidung zufalle. Wie die
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Menschwerdung, so ist auch Christi Gegenwart im Sakramente .ein
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Mysterium, ,eine góttliche Sache^ erhaben über die menschlichen
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Grünzen und nur durch den Glauben erfassbar.

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Chelcicky erspart ferner den Taboriten einerseits den Vorwurf
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nicht, sie hätten durch ihre Lehre die damals oft gehörten schreck-
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lichen Lästerungen des Sakramentes verschuldet, findet es aber ander-
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seits nicht folgerichtig, dass sie doch eine niedere Anbetung Christi
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im Abendmal zulassen wollen. Ist Christus im Sakramente gegenwär-
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tig, so gebührt ihm die volle Anbetung, ist er es nicht, so ist sowol
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die höhere als auch die niedere Anbetung nicht statthaft. Doch ist
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seine Absicht keineswegs, die kirchlichen Gebräuche in Schutz zu
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nehmen, vielmehr verwirft er die Frohnleichnamsfeier, die Ausstel-
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lung der Monstranz, das Aufbewahren des geweihten Brotes; aber auch
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die hussitische Gewohnheit, die Hostie wie eine Fahne vor den Krie-
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gern in den Kampf zu tragen ist ihm ein arger Missbrauch. Bei Gottes

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1) Ziemlich günstig spricht sich Chelčický in der Replik gegen Biskupec
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über die Ubiquitätslehre aus: wenigstens sei sie von der Wahrheit nicht so weit
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entfernt, wie die Lehre der Taboriten.


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