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den Kelch erklärt, waren dem Könige treu geblieben oder kehrten
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zum Gehorsam zurück. Sigismund konnte erwarten, Prag werde ent-
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weder sich unterwerfen oder uuterliegen ; schroff wies er die Gesand-
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ten der Hauptstadt ab, die zu ihm naclı Kuttenberg gekommen waren.
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Aber eben dadurch erreichte das Schwanken und Zweifeln ein Ende:
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die Prager riefen die Taboriten herbei. Ihnen folgten andere Zuzüge,
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eben aus jenen Städten, die in der chiliastischen Erregung als Zu-
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fluchtsorte gepriesen wurden. Alle, die Prager und die Ankömmlinge,
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verbanden sich zum gemeinschaftlichen Widerstande gegen König
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Sigismund so wie gegen alle Widersacher des Gesetzes Gottes und
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des Kelches.

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Das Taboritenweib, das im Kampfe auf dem Žižkaberge mit den
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Worten fiel: es geziemt sich einem getreuen Christen nicht vor dem
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Antichrist zu weichen, hat im Namen jener Kriegspartei gesprochen,
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die den Krieg als Pflicht proklamirt hatte und jenen zur Hilfe ge-
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kommen war, die sich nur ein bescliránktes Recht zum Kriege zuer-
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kannten und ohne diese Hilfe wahrscheinlich unterlegen wáren.

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Mitten in dem Siegesjubel der vereinigten Prager und Taboriten
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vernehmen wir die Stimme des Peter Chelcicky. Er hatte auf die
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Frage, die die Gemüther aufgeregt hatte, eine andere Antwort gefun-
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den. Für ihn gab es weder Recht noch Pflicht für die Wahrheit das
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Schwert zu erheben, da er jedweden Kampf für unchristlich erklärte.
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Wann hat Gott das Gebot ,Du sollst nicht tódten!^ widerrufen? Und
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dieses Gebot verbietet Mord, Todesstrafe, Kampf und Krieg ohne alle
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Einschränkung. Judas Makkabäus ist für Cheléicky ,der grosse Mór-
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der, Christi Wort und Beispiel gebietet den Feind zu lieben. Dem
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Feinde der Wahrheit darfst du in dem, was gegen Gott wäre, keinen
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Gehorsam leisten, darfst aber auch nicht seiner Gewalt dich mit Ge-
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walt widersetzen, ihn nicht bekämpfen. Auch die Prager Magister be-
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fanden sich auf Irrwegen, da sie ein beschränktes Recht zum Kampfe
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einriumten. Dies sagte Peter unumwunden demjenigen, der unter ihnen
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die erste Stelle einnahm, den er selbst bisher zu seinen Lehrern ge-
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zühlt, Mag. Jakobell, als er mit ihm in dessen Predigerwohnung bei
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der Bethlehemskapelle zusammentraf. Seine Gründe, die sich auf Aus-
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sprüche der grossen Kirchenvüter stützten, bekehrten ihn nicht, und
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auch die grossen Erfolge, die die vereinigten Parteien auf dem Schlacht-
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felde davontrugen, vermochten nicht ihn zum Schweigen zu bringen;
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als er im J. 1420 nach Sigismunds Niederlage unter dem Vyšehrad noch-
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mals mit Jakobell sich besprach, scheint er gegen die Magister den
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Vorwurf erhoben haben, sie seien schuldig an dem vergossenen Chri-


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