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Grausamkeiten ... unter die Christen sich eindrángte mit seiner heidni-
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schen Herrschergewalt und als der Priester, der sich in Elend vor ihm
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geborgen in Gruben und Wäldern, von ihm kaiserliche Ehre und Herr-
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schaft in Empfang nahm und vom Glauben abfiel: als diese argen Dinge
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geschahen, da ist. die Stimme gehört worden: heute ist das Gift ge-
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gossen in die h. Kirche. Hat aber um der zwei reichen Herren willen,
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des weltlichen und des geistlichen, der Glaube aufhören sollen?... Dann
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haben die Doktoren Schriftstellen des alten und neuen Bundes zum
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frommen des weltlichen Herrn gesammelt... und ihm gerathen, die
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h. Mutter Kirche zu befriedigen und zu schützen, auf dass sie nach Be-
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lieben ruhig schlafen könnte, sie haben ihm gerathen, Gott mit der
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frommen Schärfe des Schwertes zu dienen, und sollten auch ganze Ge-
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genden in Asche gelegt werden und tausende dahin sinken bei ihrer
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scharfen Arbeit; darum haben die Doktoren gelchrt, die Kirche besitze
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zwei Schwerter... Und da sie das Gebot und das Beispiel Christi ver-
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schmäht haben, so badet sie sich im Blute und vergilt Böses mit Bösem.
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Auch habe ich deinem Meister Jacobus, als er mich einen Ketzer ge-
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heissen der Macht wegen, in seinem Zimmer in Bethlehem gesagt:
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Wenn die Macht, wie du sagst, recht im Glauben begründet ist, wo ist
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in der Schrift die Anleitung zu lesen zu ihren Werken, zum Kampfe
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und anderen Grausamkeiten? Und er sagte: Nirgends, aber die alten
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Heiligen sagen es. Und als der König von Prag abgezogen war, nachdem
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auf beiden Seiten viele gefallen waren, entschuldigte er die Schlächter
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und sagte: Ich kann ihnen daraus kein Gewissen machen, denn das
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wäre eine Geringschätzung des Ritterstandes. Aus weicher Quelle trinkt
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dies dieser Mann milden Geistes und heiliger Gestalt? ... Die Doktoren
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haben grósseren Ablass ertheilen dürfen, als Christus selbst, der da
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spricht: Ihr habet gehórt, dass zu den Alten gesagt ist: Du sollst nicht
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tódten; wer aber tódtet, der soll des Gerichtes schuldig sein. Ich aber
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sage euch: Wer mit seinem Bruder zürnet, der ist des Gerichtes schuldig.
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Hier aber bleibt nach dem Morde kein Vorwurf im Gewissen und der
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Schlechte benóthigt keiner Busse und keiner Reinigung, so dass das alte
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Testament des Mordes halber härter strafte, als die Nachsicht der Dok-
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toren... Wie hart hätte dein Meister Jacobus denjenigen angefahren,
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der am Freitag eine Blutwurst genossen hätte: aber das Vergiessen von
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Menschenblut beschwert das Gewissen nicht! Wer hat ihm sein Gewissen
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genommen, wenn nicht die alten Heiligen, die da voll sind des heiligen
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Geistes... Sie haben das Gift den Christen eingeflösst, sie, die im
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Rathe des armen Jesu nicht sassen... Aber darum ist der Glaube und
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das Gesetz nicht aufgehoben worden und die Menschen sind noch immer
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verbunden, Christo gehorchend, die Freunde zu lieben und ihnen Gutes
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zu thun...

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Du sagst ferner, ich tadle es, wenn die Priester sagen: bekehret
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euch, zeiget euch, beichtet! Da hast du mich weit gefehlt, denn ich
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tadle keineswegs die Beichte an denjenigen, die sich zu Gott bekehren
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und wahre Busse thun... Ich wünsche nichts so sehr, als dass die ganze
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Welt dem vernünftigen Priester beichte, der zu beichten versteht, zu Gott
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sich bekehre und in Busse bis zum Tode beharre Aber wisse, ich


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