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herzige That Gottes unsere Hoffnung erwecke. Denn Gott hat es uus zur
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Stärkung gethan, unser furchtsames Herz zu trósten und zu erfreuen,
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wenn viele Sünden unser Gewissen belasten. Wie ein scheues, unge-
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zähmtes Wild wird unser.Gemüt durch die Last der Sünden geängstigt
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und flieht die wahre Hoffnung auf Gott, da der Teufel, der Feind, uns
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üngstigt... und uns in Verzweiflung stürzen móchte. Aber jene barm-
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herzige That... vernichtet das Werk des Teufels, auf dass die Menschen
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mit Zuversicht zur Gottes Barmherzigkeit Zuflucht haben, nach dem
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Beispiele des Schächers, der, aller guten Thaten bar, nur das Verlangen
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hatte, Christus möge seiner gedenken... Wir müssen beherzigen, dass
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er diesen Schächer, der sich so spät bekehrte, Gnade erwiesen, nicht
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wegen dessen Würdigkeit, sondern vermöge seiner Güte. Er ist nicht
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barmherzig für den, der es durch seine Güte aufwiegen, durch seine
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guten Thaten oder seine Unschuld verdienen könnte, sondern seine Barm-
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herzigkeit ist grösser, da sie nicht dem Reichtum und dem Überflusse
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dessen entspricht, dem sie zu Theil wird...

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Vergeltung wäre keine Barmherzigkeit. Und wenn Gott unsäglich
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barmherzig ist, so zeigt er sich in seiner Barmherzigkeit vorzüglich

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dann, wenn der Mensch so tief gefallen ist,... dass seine Seele an der
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Möglichkeit des Heils verzweifelt... Das hat der barmherzige Heiland
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an dem Schächer gezeigt... Und er hat, was er damals für alle

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Sünder that, auch ihm zugesagt, denn in jener Stunde hat er für alle
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Sünder ihre Schuld getilgt ohne Zwang; auch gab es keinen, der es
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verdient hätte, dass er für ihn hätte also leiden sollen, sondern jeder
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hätte verdient, ein solches Leid zu tragen. Und als er in seiner Noth
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und Pein, für alle die Schuld tilgend, dem Vater seine Unschuld für
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unsere Schuld hingab, da konnte sein liebreiches Herz dem Schächer keine
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andere Antwort geben.... Ebenso hatte er den zwei Blinden gesagt:
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Glaubet ihr, dass ich es thun kann? Er fordert nichts von ihnen, sondern
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fragt nur, ob sie es glauben können; und dies nimmt er an statt alles
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Verdienstes... Und das alles hat er gethan, uus Sündern zum Trost, auf
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dass wir dem Teufel nicht unterliegen. Wenn wir aber auf die Güte
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Gottes blicken, der dem Schàcher gnádig war ohne gute Werke, so sollen
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wir diese weder unterlassen, kleine und grosse, wenn wir sie verrichten
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kónnen, noch dieselben geringschützen, da wir wissen, dass Gott der
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guten Werke wegen weder das Heil gibt, noch verdammt. Wenn sie
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gross und zahlreich sind, so werden sie Gott doch nicht überwinden, dass
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er dafür den Menschen das Heil als gleichsam rechtmässig verdient geben
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müsste, und sind sie nicht vorhanden, so wird deswegen Gottes Barm-
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herzigkeit doch nicht leer werden, dass er deswegen den Menschen nicht
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retten könnte. Und ich sage es ausdrücklich: mögen die Werke noch so
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gross sein, allein genügen sie nicht, dem Menschen das ewige Leben zu
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verdienen, aber durch Gottes Barmherzigkeit und durch die Zugabe der
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Werke wird der Mensch das ewige Leben erlangen; wenn sie aber gar
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nicht vorhanden sind, wenn sie der Mensch nicht vollbringen konnte in
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seiner Ohnmacht und Schwäche oder wegen anderer Ursachen, sofern
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er nur einen guten Willen hat, den wird Gott retten in seiner Güte
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und wegen des guten Willens. Wenn er endlich die Werke versäumt, da


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