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auch die Verwahrung seiner erlangten Briefe nach dem dama-
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ligen Zeitgebrauche verknüpft hätte.« Immerhin ist es höchst
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wahrscheinlich, daß zur Zeit König Vratislavs die ältesten,
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allerdings jetzt verloren gegangenen Urkunden, welche die böh-
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mischen Herrscher namentlich von den Päpsten empfangen hat-
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ten, auf dem Vyšehrad verwahrt wurden. Dies hat aber nichts
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mit dem Kanzleramte zu tun als vielmehr mit der Tatsache,
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daß sich in diesen Zeiten auf dem Vy&ehrad die Schatzkammer
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der böhmischen Herzöge befunden hat. Niemand anderer als
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Kosmas ist uns der Gewährsmann dafür, daß auf dem VySehrad
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Sich die »camera ducis« befand, in welcher unter anderem auch
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die Bastschuhe Přemysls als »Religuie« verwahrt wurden.

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II. 2. Seit wann sich der Schatz des böhmischen Herzogs
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auf der Burg Vyšehrad befunden hat, ob er schon ursprünglich
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da gewesen oder erst später dahin gekommen ist, vermögen wir
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nicht zu sagen. In Anbetracht des Umstandes aber, daß der
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VySehrad eine bei weitem jüngere Burg als Prag-Hradschin ist,
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erscheint es nicht unwahrscheinlich, daß die Übertragung des
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Schatzes von der Wenzelsburg auf den VySehrad erst in den
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Tagen Vratislavs I. erfolgt ist, als letzterer in einen Gegensatz
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zu seinem Bruder, dem Bischof Jaromir gekommen war und
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seine Residenz dahin verlegt hatte. Ebenso wenig wissen wir,
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wie lange der herzogliche Schatz auf der Burg Vyšehrad ge-
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blieben ist und wann er in die von Spytihněv II. und Vratislav II,
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erbaute Basilika des heiligen Veit auf dem Hradschin geschafft
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wurde, Als ganz sicher muß es gelten, daß der Schatz der böh-
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mischen Herzöge, die »camera ducis«, sich noch in den Tagen
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des Kosmas auf dem Vyšehrad befunden hat. Von den Zeiten
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Vladislavs II. an scheint allerdings der Ruhm des Vyšehrad als
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Residenzburg dauernd geschwunden zu sein. Und da erscheint
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es nicht unwahrscheinlich, wenn iiberhaupt in dieser Beziehung
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Vermutungen gemacht werden können, daß damals der herzog-
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liche Schatz nach der Prager Residenz gebracht wurde, wenn
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auch einzelne Teile desselben wie die berühmten »Přemysl-
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reliquien« auf dem Vyšehrad auch spüterhin zuriickgeblieben
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sind. Direkte Zeugnisse fiir die Verwahrung des böhmischen
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Königsschatzes auf der Prager Burg besitzen wir erst aus der
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zweiten Hälfte des XIIL Jahrhundertes. Der unbekannte Ver-
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fasser der chronikalischen Aufzeichnungen über die Vorfälle
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nach dem Tode Kónig Píemysl Otakars IL, sicherlich ein Pra-
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8er Domherr, gibt uns Kunde über die näheren Umstände der
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Verwahrung des bóhmischen Kónigsschatzes zusammen mit
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dem Domschatze in der Veitsbasilika auf dem Hradschin. Seine
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Schilderung der Plünderung des Domschatzes durch die bran-
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denburgischen Ritter im Januar 1279 ist zugleich ein untrügli-
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cher Beweis dafür, da damals auch das Archiv der böhmischen


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