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zwecken, ja den Tod des Sünders fordern. Der Christ soll aber Böses
ertragen und mit Gutem vergelten. Auch Handel darf er nicht treiben,
da aller Handel mit Übervortheilung anderer, mit absichtlichem oder
unabsichtlichem Betruge verbunden ist. Vor allem sind aber die Städte,
in denen sich Handel und Wandel ansammelt, Gefässe des Giftes, in
denen der wahre Christ sich unmöglich von der Verführung der Welt
frei halten kann. Kain!) ist ihr Erfinder und Begründer gewesen.
Städte und Burgen sind gebaut worden, um in ihnen den gesammel-
ten Raub in Sicherheit zu bergen; sie sind der Wehleidigkeit der
Menschen entsprossen.?) Unter wahren Christen wáren sie unnütz,
da die christliche Liebe ihre Graben ausfüllen, ihre Mauern dem Erd-
boden gleich machen móchte. Landbau und Handwerk scheint Chel-
¢icky für die einzige mit dem Christentum vóllig verträgliche Be-
scháftigung gehalten zu haben. Am heftigsten eifert er gegen diejenigen
Stände, die von der Arbeit anderer leben, namentlich gegen den Adel.
Das Netz des Glaubens, das in seinem 2. Theile ,die Rotten", d. h.
die verschiedenen Stánde schildert, enthàlt viele Ergüsse seiner de-
mokratischen Gesinnung, drastische Schilderungen der , Wappenrotten“,
der Herren und Ritter, Stellen, die der Literaturhistoriker zur Scház-
zung seines Stils besonders heranziehen wird.?)
? Kain ist der wahre Vater des Stadtvolkes. Er hat die ursprüngliche Ein-
falt des Lebens in List verwandelt, indem er Mass und Gewalt erfand, wihrend
früher das einfültige Volk tauschte, ohne zu messen noch zu wügen. (Netz des
Glaubens.)
?) In den Stádten miissen alle Gebote übertreten werden, die dem Christen
befehlen, ihr Leben nicht zu vertheidigen, die ihm verbieten sich zu rächen. (Netz
des Glaubens.)
3) Als Probe mag folgende Stelle aus dem „Netz des Glaubens“ genügen:
Der Distelstrauch (der Parabel Jud. IX.) mit seinen grausamen Stacheln
ruft: „Da ihr mich zum Herrn wählt, so werdet ihr fühlen, dass ich euer Herr
bin: ich werde so herrschen, dass wenigen die Haut heil bleibe. Schinden will
ich den Kerl (chlapa) wie eine Linde!“ Und ein anderer ruft ihm zu: „Schinde
den Bauer, er schlägt wieder aus, wie die Weide am Baclıe!“,.. Und der Mensch
der Lust mit breitem Fettbauch spricht: „Unser sind sie ja, die Väter haben sie
gekauft als ewig Erbgut für uns; sie stehen in der Landtafel...“ Das mag wahr
sein, es ist ihr wahres Erbeigentum nach Erbrecht, das die Väter ihnen erworben
und durch Verschreibung gesichert. Und die Hölle haben sie euch auch verschrie-
ben: dies natürlich Erbtheil habt ihr nach eueren Vätern. Wenn aber die Väter
euch Menschen gekauft und Grund und Boden, so haben sie fremdes Gut (Ps.
XXIIL) gekauft und auf fremdem Boden. Denn der Herr spricht: Mein ist die
Erde... Darum rühmt euch nicht dieses Handels, denn wo hat euch Gott Ver-
schreibungen gegeben, dass er euch sein Gut überlasse?... Einen schlechten Kauf
haben euere Väter gekauft. Wer kann den Menschen so ungerecht und unbillig
kaufen, dass er ihn misshandle, wie das Vieh, das zum Schlachten bestimmt ist,
auf dass er an ihrem Harm sich weide. Seine Hunde hält er besser, als seine
Eigenleute. Dem Hund ruft er zu: „Feldmann! Komm her und lege dich aufs
Polster!“ So willst du Menschen kaufen, du Fetter! Aber sieh, wen du gekauft
und wie du gekauft! Die Menschen waren früher. Gottes, ehe du sie gekauft...