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sichten über die eigentlichen Beweggründe, welche Karl IV. bei
der Anlage dieser Burg leiteten, bei den Historikern und Kunst-
historikern geteilt gewesen. Es handelt sich um die Frage, ob
die Burg Karlstein zur Verwahrung des böhmischen Staats-
schatzes oder des Schatzes des deutschen Reiches errichtet wor-
den war.
IL 10. Die Verwahrung der deutschen Reichskleinodien auf
der Burg Karlstein hat besonders Chytil hervorgehoben und
ganz besonders betont, da die bóhmischen Kroninsignien, ins-
besondere die Wenzelskrone, auf Betreiben Karls IV. in der
Wenzelskapelle des Veitsdomes hinterlegt worden waren. Doch
Scheint er sich doch nicht über den eigentlichen Anlagegedanken
vólig klar gewesen zu sein. Erst der Prager Bauarchivar Jo-
hann Herain hat klar der.Meinung Ausdruck verliehen, dal
Karl IV. die Burg Karlstein zwecks Aufbewahrung der Krone
des deutschen Reiches und zwar an der Straße, welche von Prag
nach Deutschland führte, errichtet hat. Herain hat auch aus-
geführt, daß in der Kreuzkapelle dieser Burg erst vom Jahre
1437 die wichtigsten Staatsurkunden der Länder der böhmi-
schen Krone verwahrt wurden. Die Tatsache, daß auf dem Karl-
stein die deutschen Reichskleinodien, die böhmischen Kroninsi-
gnien dagegen im Veitsdome ihre Verwahrung gefunden haben,
ist wiederholt von Podlaha betont worden. Die Ansicht, daß die
sichere Aufbewahrung der deutschen Reichskleinodien den
eigentlichen Anlagezweck der Burg Karlstein gebildet hat, ist
dann die herrschende Ansicht bei den Kunsthistorikern gewor-
den, sie wird K. Guth, V. V. Stech und Zd. Wirth vertreten.
1I. 11. Das Heiligtum, in dem die deutschen Reichsinsignien
verwahrt wurden, benannte Karl IV. nach der hervorragendsten
Insignie des deutschen Reiches, der Passionslanze, »capella pas-
sionis et insigniorum ipsorum«. Als ihm die Reichskleinodien
im Jahre 1350 von Ludwig dem Alteren von Baiern-Brandenburg
übergeben wurden, befand sich das Eisen der. Lanze mit den
anderen Reliquien in einem großen kreuzförmigen Reliquiar von
vergoldetem Silber. Wie man sich in dem Gralstempel der Burg
Montsalvage den größten Schatz der Christenheit, die Schüßel
aus Kristall dachte, aus der Christus seinen Jüngern das letzte
Abendmahl gereicht haben soll, wurde in der Kreuzkapelle jene
Lanze verwahrt, mit der Longinus die Hüften Christi geöffnet
haben soll. Es erinnern demnach nicht nur äußerliche Anklänge
wie die Ausschmückung der Kreuzkapelle an den Gralstempel.
Beide dienen vielmehr ähnlichen Zwecken der Aufbewahrung
von Gegenständen, welche mit der Passion Christi zusammen-
hängen. Der Gralkultus stützte sich auf das Blut Christi. Wie die
Gralsschüßel war aber auch die Longinuslanze eine durch das
Blut Christi geheiligte Reliquie. Es mußten sich. deshalb ganz