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das von außen her durch das große Mosaikbild kenntlich ist. Es
ist die »sacristia nova desuper«, von deren Errichtung uns Bencä
von Weitmühl erzählt, Neben jenem Gewölbe oberhalb der
Wenzelskapelle muß es noch ein anderes Gewölbe unterhalb
derselben gegeben haben, welches dem gleichen Zwecke diente.
Dieses letztere Gewölbe befand sich direkt beim Grabe des
Staatspatrons. Für das Alter dieser Aufbewahrungsstätte spre-
chen vor allem die eingangs gemachten Feststellungen allge-
mein archivgeschichtlicher Natur, die zweifellos die Tatsache
ergeben haben, daß man im Mittelalter die Aufbewahrung des
Schatzes unter den Schutz von Heiligenreliquien stellte. Nach-
"dem später bereits durch zwei Jahrhunderte der böhmische
Kronschatz mit dem Archiv auf der Burg Karlstein gelegen war,
galt noch zu Beginn des XVII. Jahrhundertes die St. Wenzels-
kapelle als der althergebrachte Aufbewahrungsort der Krö-
nungskleinodien und des Kronarchives. Die Gruft, wo der Leich-
nam des heiligen Wenzel liegt, erscheint immer noch als die
eigentliche Aufbewahrungsstätte des Staatsschatzes. Das Ge-
wölbe unter der Wenzelskapelle muß dann gegen Ende des
XVII. Jahrhundertes, nachdem das Kronarchiv von da zur
Landtafel gebracht worden war, vermauert worden sein. Dieses
Gewölbe ist zweifellos identisch mit jenem Gewölbe, das im
Jahre 1911 anläßlich der mit der Restaurierung des St. Wen-
zelsgrabes vorgenommenen Ausgrabungen vom Architekten Hil-
. bert entdeckt wurde; dasselbe verlàuft als Kellergewólbe lings
der äuBeren Umfassungsmauer der Wenzelskapelle und zeigt
. rechterhand tresorartige Vertiefungen, welche zur Aufnahme
des Staatsschatzes dienten.
II. 9. Der bóhmische Staatsschatz hatte also seinen alt her-
gebrachten, durch den Leichnam des Staatspatrons bestimmten
Aufbewahrungsort in den Gewólben oberhalb und unterhalb der
Wenzelskapelle des Veitsdomes. Für die hervorragendsten Be-
Standteile des deutschen Reichsschatzes, die am 21. März 1350
von dem Markgrafen Ludwig ausgeliefert worden waren, mußte
Kaiser Karl IV. erst eine neue, würdige Aufbewahrungsstätte
schaffen. Dies geschah durch die Erbauung der Burg Karlstein.
Hier schuf Karl IV. in der Kreuzkapelle ein Gegenstück zur
Wenzelskapelle, ein zweites »sacrarium gemmeum«. Wie im
Mittelpunkte des bóhmischen Staatsschatzes die Wenzelsreliquie
stand, so bildete den Glanzpunkt des deutschen Reichsschatzes
die damals in einem goldenen Kreuze verwahrte Passionsreli-
quie, die heilige Lanze mit dem Nagel Christi — das Abzeichen
. des alten deutschen Reiches — und ein Stückchen Holz vom
Kreuze Christi. DaB die Burg Karlstein nicht von dem Gesichts-
punkte der gewóhnlichen Ritterburgen aus zu betrachten ist,
darüber ist man immer einig gewesen. Dagegen sind die An-