Einleitung.
Aus Geburtstag der wohl den gewaltigsten osterreichischen Staatsthaten zuzizählenden Klósterauf-
hebung Josephs II. muss schon der 10. September 1773 angesetzt werden, als der Bringer jenes Hand-
billetes Kaiserin Maria Theresias, das, in Bestitigung der Bulle Papst Clemens XIV. vom 21. Juli 1773,
für das Gebiet der damaligen österreichischen Gesamintmonarchie, 139 münnliche Jesuitencollegien-
und Residenzen sowie 1] weibliches Jesuitenhaus aus der grossen Kaiserin Landen mit einem-
male tilgte. Den gesammten Fundal- und beweglichen Besitz der seinerzeitigen Jesuiten Oesterreichs aber
führten das kaiserliche Patent vom 12. Februar 1774 und dessen Ausführungs- und Folgeverord-
nungen dem wirklich arbeitenden Wirthschaftsleben zu.
In Böhmen selbst traf das Aufhebungsgeschick die Jesuitencollegien zu Brzeznitz, Eger,
Gitschin, Klattau, Komotau, Kóniggrütz, Krumau, Kuttenberg, Leitmeritz, Neuhaus, Prag-Altstadt, Prag-Klein-
seite, Prag-Neustadt, sowie die Jesuitenresidenzenzu Altbunzlau, Heiliger Berg bei Przibram, Czelkowitz,
Duppau, Goltsch-Jenikau, Kossumberg, Libeschitz, Mariaschein, Tuchomierschitz und Wopporzan !).
Naturgemiss wurden mit dem Gesammteigenthume der Jesuiten auch die Archive der einzelnen
Ordenshäuser derselben mit aufgehoben und vom Staate in Besitz genommen, oder besser, hätten von demselben
in Besitz genommen werden sollen. Denn leider ist die wohl bestens angeordnete Umwandlung der Jesuiten-
archive zu ósterreichischem Staatsyute in der Praxis nicht so umfassend und vollständig durchgeführt worden,
als dies im Interesse der heutigen Wissenschaft und Forschung entschiedenst hätte geschen sollen; denn das
bezügliche Entziehungsbestreben der Jesuiten war dem schwerfälligen Gange des den grossen Aufhebungs-
gedanken in die fruchtbringende That umsetzen sollenden unterbehördlichen Mechanismus entschieden über-
legen gewesen, und hatte die lange Spanne Frist zwischen Befehl und Ausführung der Jesuitengüterreduction
(noch 1777 fanden z. B. in Bóbmen Functionen der Aufhebungscommission in Prag statt) nicht unbenützt
gelassen ?).
Was im Besonderen den Antheil des Verwaltungsgebietes Bühmens anbelangt, so ist unsere heutige
Kenntnis von dem Schicksale seiner Jesuitenarchive eine ungemein geringe. Soviel nur steht fest, dass
diese Archive — soweit sie eben von den ursprünglichen Besitzern nicht auf die Seite gebracht, in diesem
Falle also vernichtet oder in das Ausland ,gesichert* worden waren — in ihrem Hauptstocke kistenweise
der damaligen Wiener Hofkanzlei überschickt wurden, welch' letztere sie noch im Jahre 1780 unausgepackt
!) Die ehemalige Jesuitenresidenz Arnau war schon früher, bald nach ihrer Stiftung (1666) von den Jesuiten verlassen worden;
die heute in Böhmen noch existierenden beiden Jesuitenhüuser, das Collegium zu Mariuschein und dio Residenz zu St. Ignaz in Prag-
Neustadt, wurden erst in den Zeiten des Concordates und seinen unmittelbaren Vorjahren (Mariaschein 185%, Prag 1866) neu gegründet,
*) Vgl. Wolf: Die Aufhebung der Kloster in lumerüsterreich, Wien 1871. S. 42; Milkowicz: Die Kloster in Krain, Archiv
f. österr. Gesch. 14. BJ. S. 459.