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XVII
Am Katharinentag 1332 hatte der Sechszehnjáhrige den nicht mehr er-
hofften Sieg bei San Felice erfochten; den er der besonderen Für-
sprache der Heiligen zuschrieb und dessen Erinnerung er alljährlich mit
besonderer Andacht beging. Zur dankbaren Erinnerung gründete Karl IV.
1356 auf der Prager Neustadt die Katharinenkirche und das nach der
Heiligen benannte Augustinerinnenkloster, Auch die Krönung zu Bonn
1346 brachte Karl mit der Heiligen in Verbindung, der er auf der Burg
Karlstein, dem Aufbewahrungsort der Reichskleinodien und seiner per-
sönlichen Kultstätte, die mit märchenhafter Edelsteinpracht ausgestattete
Katharinenkapelle widmete. Auf des Kaisers Wunsch erklärte der Erz-
bischof Ernst von Pardubitz den Katharinentag als Festtag für ganz
Böhmen.
12. Das Verhśltnis des ćechischen Dichters zu seinen Quellen ist das
gewohnte mittelalterliche: sie bieten ihm den getreu befolgten epischen
Faden der Handlung. Wohl führt er einzelne Andeutungen weiter aus,
doch erfindet er zur Handlung nichts Wesentliches hinzu, was die
Quellen nicht enthielten. Im ersten Teil hält er sich genauer und oft
wortgetreu an den lateinischen Text; im zweiten Teil, der Leidensge-
schichte, lässt er verschiedenes aus, was ihm den Fortschritt der an
sich sehr geradlinigen Handlung aufzuhalten scheint: er ist auf be-
scheidene Komposition bedacht.
So fehltiim Cechischen die für den Gang der Handlung ganz be-
langlose, mitten in die Ereignisse hineinfallende Abreise und Rückkehr
des Kaisers (K 275, 287), und sehr berechtigter Weise eine nicht ganz
geschickte Wiederholung im lateinischen Text: der Traum der Kaiserin
(K 277) und dessen Erfüllung in Katharinas Kerker (K 280 == V. 2557 ff.).
Dieser Kerkerszene wird durch Hinweglassung der „seniores“, der Ge-
spráche Katharinas mit ihnen wie mít dem zu bekehrenden Porphyrius
eine geschlossenere Handlung verliehen. Ganz fallen lässt der Dichter
die Erwähnung der weissen Taube als Ernährerin der Katharina (K 286),
die Erscheinung des Herrn (K 287), die Rede der Meister vor der Ver-
brennung (K 267), das Pekenntnis der Heiden (K 298), das Zureden der
Menge an Katharina (K 291—2), sie móge dem Kaiser folgen. Bemer-
kenswert ist das Fehlen des Gespráches zwischen dem Kaiser und
Cursates, dem Erfinder der scheusslichen Ráder (K 292 f.), das die
Beschreibung der Ráder unnótig wiederholt. Die zahlreichen altklassi-
schen Anspielungen (K 256) unterdrückt der Ceche bis auf die Er-
wähnung der Sibylla und des Aristoteles.
Umgekehrt finden sich Erweiterungen. So die nicht ganz not-
wendige Beratung des Kaisers mit den Räten (V. 1400 ff) statt des
einfachen Befehles im lateinischen Text 244, 248; dann die Beratung
der Rhetoren (V. 1460 ff.) und die freudige Begrüssung durch den
Kaiser. V. 1407 ff. und 1496 ff. wird ein Gedanke (vgl. K 249 £) durch
den Kaiser zweimal variiert. Dass der Kaiser die verschmihte Wer-
bung seines Sohnes 1275 und 3192 erwähnt, ist — wie die Ausfüh-
rungen 2288—90 — ein geschickt aus der Bekehrungsgeschichte in die
Leidensgeschichte hinübergeleitetes Motiv, Aus der Andeutung K 297:
»Ultione, quam de chaldeis babilonica fornax olim exegerat" wird die
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