EHRI-BF-19380423_DE

Protokoll mit Ervin Moskovitz über die Ausweisung aus dem Burgenland

Date23. April 1938
PlacePressburg (Bratislava)
CollectionPolizeidirektion Pressburg (Bratislava)
Bibliographic referenceNationalarchiv Prag, Innenministerium I – Präsidium, Sign. 225-1186-16/101. Original auf Slowakisch.

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Protokoll

Aufgenommen am 23. April 1938 in der Polizeidirektion in Pressburg

mit Ervin Moskovitz

geb. am 15. Juli 1894 in Menhardsdorf, Bezirk. Kesmark, ebenda heimatberechtigt, Jude, verheiratet, Kaufmann, zuletzt wohnhaft in Güssing (Burgenland), der darauf hingewiesen wurde, die Wahrheit zu sagen, gibt an:

Ich bin am 4. Juli 1932 von Pressburg nach Güsing gezogen, wo ich ein Geschäft mit Baumaterialien und Gemischtwaren hatte.

Zur Zeit des Umsturzes in Österreich (am 12. März 1938) wurde von Seiten der österreichischen Ämter oder der Bevölkerung nichts gegen mich unternommen.

Am 17. März 1938 gegen 16 Uhr kamen jedoch zwei Männer der SA in mein Geschäft, von denen einer der Kreisleiter und etwa 24 Jahre alt war, und er ist aus Güssing, und der zweite war sein Vertreter und stammt aus der Ortschaft Kleinmürbisch, die mir ein Schriftstück vorlegten, auf dem etwa das Folgende stand: Ich spende freiwillig der N.S.D.A.P. für den Schaden, welchen die Vaterländische Front und die Juden verursacht haben. Im zweiten Absatz wurde der Betrag von 1000 Schilling genannt, die ich ihnen gegeben habe und das Schriftstück habe ich auf der rechten Seite unterschrieben und der Kreisleiter Jandrasits und sein Vertreter Strobl auf der linken Seite.

Die Genannten von der SA wiesen mich nachdrücklich darauf hin, dass sie meinen Laden ausplündern und mich einsperren würden, wenn ich diese 1000 Sch. nicht hergebe. Es widerstrebte mir, die 1000 Sch. herzugeben, aber insofern ich wusste, dass Juden, die den SA-Mitgliedern nicht gegeben hatten, was diese verlangten, bereits einsitzen, war ich gezwungen die verlangten 1000 Sch. herzugeben. Am Anfang wollte ich ihnen nur 100 Sch geben, später 200 Sch, aber sie schlossen das aus und bestanden darauf, mich sofort einzusperren, wie die anderen, und mein Geschäft sofort auszuplündern, wenn ich ihnen nicht sofort 1000 Sch gäbe.

Als ich den verlangten Betrag bezahlt hatte, gingen die Genannten weg und ich hatte Ruhe bis zum 28. März 1938, allerdings kamen in der Zwischenzeit SA-Mitglieder ins Geschäft, mit oder ohne Waffen, und verlangten Schuhcreme, Bürsten, Gummistiefel, Socken, Zahnpasta usw., was ich ihnen ohne Aufmucken geben musste, denn wenn ich es ihnen nicht gegeben hätte, hätten sie mich sofort eingesperrt. Ich füge hinzu, dass die Genannten mir nichts dafür gezahlt haben, was sie von mir im Geschäft erhalten haben.

Ich muss hinzufügen, dass SA- Mitglieder schon am 15. oder am 16. März 1938 bedruckte Flugblätter von etwa 40 cm Länge und etwa 10 Zentimeter Breite auf mein Geschäft klebten, mit der Aufschrift Jüdisches Geschäft und dem jüdischen Zeichen auf der Rückseite.

Am 28. März 1938 kamen drei uniformierte Männer in mein Geschäft, von denen einer von der Gestapo, ein zweiter vom NSKK war, sie gingen mit mir in die Wohnung, wo sie alles sehr gründlich durchsuchten und sie nahmen mir gegen eine Quittung 240 Pengö in Banknoten, 190 S in Banknoten, 21. amer. (USA) Dollar, 130 in Silber, 1 goldene Armbanduhr und 12 Pengö in Silber ab.

Ich füge hinzu, dass sie mir am angeführten Tag ohne Quittung 1 Revolver, den Waffenschein, den tschechoslowakischen Reisepass, meinen und den meiner Frau, und andere Dinge abnahmen. Ich füge hinzu, dass ich und meine Frau Reisepässe hatten, die im Jahr 1930 vom Bezirksamt Sommerein ausgestellt und zuletzt im J. 1935 vom Generalkonsulat der Tschechoslowakischen Republik in Wien verlängert wurden, mit einer Gültigkeit bis ins Jahr 1940.

In Folge der Ereignisse in Österreich hörten die Leute auf, mein Geschäft aufzusuchen und ich war gezwungen, es an meinen Angestellten Julius Genser zu verpachten, der mir dafür lediglich Kost und Logie gewährte.

Ich füge hinzu, dass mein früherer Angestellter das Geschäft am 1. April 1938 übernahm und dass es mir verboten war, das Geschäft zu betreten. Andere Juden im Ort, die ihre Geschäfte nicht verpachtet hatten, durfte diese etwa ab dem 3. bis 4. April nicht mehr aufsperren. Etwa zwei Tage darauf war in jedem Geschäft ein Kommissar, der das Geschäft führte, denn Juden durften die Geschäfte nicht mehr betreten.

Am Sonntagabend (den 17. April 1938) kamen etwa um 20 Uhr 30 Min. zwei Mitglieder der SA in Zivil (es waren Rössler und Lang), von denen uns einer (Rössler) dazu aufforderte, Deutschland innerhalb von 3 Stunden zu verlassen, worauf der zweite (Lang) an mich herantrat und mir mehrere Ohrfeigen gab. Daraufhin gingen die Genannten wieder und sagten, dass sie in 3 Stunden wiederkommen.

In der Zwischenzeit ging ich zur Polizeistation, wo ich den diensthabenden Wachtmeister aufweckte und ihn aufforderte, etwas zu unternehmen, damit wir erst am Morgen abfahren müssen. Darauf sagte er mir, dass sie keinerlei Macht hätten und dass die jungen Burschen tun würden, was sie wollten.

Um 22.30 Uhr hielt vor unserem Haus ein Auto, dass sie dem Juden Stein weggenommen hatten, in dem sich der bereits erwähnte Lang und ein Chauffeur befanden, die in die Zimmer eintraten, wir mussten zusammenpacken und sie brachten uns, d. h. mich, meine Frau und meine Schwiegermutter zur ungarischen Grenze und wir wurden gezwungen illegal die Grenze zu überqueren, was uns zwei Mitglieder der Grenzpolizei ermöglichten, die uns im Vertrauen ermahnten, dass wir nicht zurückkehren dürfen, denn sie könnten nicht für unser Leben garantieren.

Wir ließen uns zum Polizei-Kapitanat Zalaegerszeg nach Ungarn eine Abschrift der tschechoslowakischen Staatsbürgerschaft schicken, die uns am 12. März 1929 unter der Num. 2685/1929 vom adm. Bezirksamt in Kesmark ausgestellt worden war.

Unsere Tochter, die in Pressburg wohnt, schickte uns die Abschriften und die ungar. Behörden ermöglichten uns die Reise bis nach Engerau.

Als wir zur Grenze kamen, berief ich mich darauf, dass ich ein tschechoslowakischer Staatsangehöriger sei, damit sie mir die Reisepässe zurückgeben, oder gegebenenfalls die Erlaubnis zum Grenzübertritt. Es wurde mir mitgeteilt, dass wir nichts benötigen würden.

In Ungarn habe ich gehört, dass in Deutschland (Österreich) keine Juden im Grenzstreifen, der 15 km breit ist, wohnen dürfen.

Ansonsten habe ich nichts hinzuzufügen.

Nach der Verlesung gebilligt und unterschrieben.

Ján Krajmer m.p.

Polizeikonzipient

Ervin Moskovitz m.p.


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