Abschrift.
Protokoll
Verfasst bei der staatlichen Polizeibehörde in Iglau am 5. September 1938. Gegenstand ist die Aussage von
Arnošt Pogner zum Zwecke der Ausweisung aus der Tschechoslowakischen
Republik. Nach dem Hinweis, die Wahrheit anzugeben, macht er freiwillig und
ohne Zwang die folgende Aussage:
1. Zu den allgemeinen Fragen:
Name und Zuname: Arnošt Pogner,
Geburtstag und -ort: 29./X.1885 in Pavlovice,
Bezirk Olmütz,
Heimatgemeinde: Gross
Sieghard, Bez. Waidhofen,
Deutschland,
Name: Vater: Jan Polak, Mutter: Františka, geb.
Hönigová,
Letzter Wohnsitz: ohne dauerhaften Wohnsitz,
Familienstand: verheiratet, hat drei Kinder, Beruf: Privatbeamter,
Wehrdienstverhältnis: abgeleistet im J. 1906, diente beim ehem.
Inf. Reg. 54 Sarajevo,
Schulbildung: 5 Kl. Volkssch., 3 Kl. städt. deut. Schule in Wien,
Religion: bis zum J. 1916 war er Jude,
seither ist er röm.-kath.,
Nationalität: Deutscher, Zahl der Familienangehörigen, die er unterhält: niemand,
Vermögensverhältnisse: unvermögend, früh. Strafen: angeblich straffrei.
2. Zu den speziellen Fragen:
Von meiner Geburt bis zum Alter von vier Jahren lebte ich mit den Eltern in Olmütz und in Pawlowitz und
etwa ab dem Jahr 1898 in Wien. Weiterhin lebte ich
etwa ein Jahr in Budapest. Seit dem Jahr 1900 lebte ich dann
dauerhaft in Kremsier und Liebenthal in Mähren bis ins Jahr 1906,
als ich den Militärdienst beim ehem. Inf. Reg. 54 in Sandschak
Novi Pazar und
Sarajevo
antrat. Nach dem Krieg bin ich vom Militär nach Wien und Heinfeld in Österreich
zurückgekehrt und habe mich dort bis Dezember 1919 aufgehalten.
Seither lebte ich bereits dauerhaft in Gross Sieghard bei
Waidhofen im ehem. Österreich.
Ursprünglich gehörte ich der jüdischen Religion an und hieß nach meinen Eltern
Polak doch im Jahr 1916 ließ ich mich in
Wien taufen und
mein Name wurde dann von der Niederösterreichischen Landesregierung [i.O. deutsch], Nr. IIIb-7194/9 vom
3. November 1930 in Pogner
geändert.
In Gross
Sieghards in Deutschland lebt bis heute meine Ehefrau Alžběta geb. Kutscherová, geb. 1893 in Prag-Smichow, die der
röm.-kath. Religion angehört und als Lehrerin an der städtischen (Haupt)Schule unterrichtet.
Ich habe mit ihr drei Kinder: E., geb. 1923, W., geb.
1924 und Z.,
geb. 1925, die nun alle bei der Mutter leben und die Schule
besuchen.
Weil ich als ehem. Jude in Deutschland nirgends eine Anstellung bekommen konnte und meine Frau, im Fall dass
ich länger dort geblieben wäre, ebenfalls ihrer Anstellung hätte enthoben werden können,
entschloss ich mich in die Tschechoslowakei zu
gehen und von dort aus die Scheidung zu beantragen, so dass wenigstens meine Frau weiterhin
als Lehrerin im Dienst bleiben und sich um die Kinder kümmern kann. Zuletzt habe ich in
Gross
Sieghards als Buchführer bei der Getreidegroßhandlung Max
Auspitz gearbeitet, seit dem 1. April 1938 war
ich ohne Arbeit.
Ich habe einen Reisepass, Nr.846.301/52/1930, ausgestellt am 15./3.1930 von der Bezirkshauptmannschaft in Waidhofen,
gültig bis zum 14. März 1935.
Die tschechoslowakische Staatsgrenze habe ich illegal
ohne Reisepass bei dem Ort Reingers in Deutschland in Richtung Neu Bistritz in
Böhmen überquert.
Ehe ich die Grenze übertreten habe, wurde ich von der deut. Fin. Wache festgenommen und der
Gendarmerie übergeben, die mir 5 Schweiz. Franken und 42.50 RM abgenommen hat, und dann von
einem reichsdeutschen Gendarm zur Staatsgrenze begleitet, der mir an selbiger Grenze
mitteilte, er habe den Befehl mich auf kürzestem Weg zur Grenze der tschechoslow.
Republik zu begleiten und mich dort freizulassen. Zugleich teilte er mir mit,
dass ich ins Konzentrationslager in Dachau
eingeliefert würde, wenn ich nach Deutschland zurückkehren sollte.
In der Tschechoslowakei habe ich einen Schwager namens Raul
Kučera, ein pensionierter Gerichtsrat, der in Teplitz-Schönau,
Steinbartgasse 27, lebt. Weiterhin habe ich hier die Cousins Professor Oskar
Briehse in Brünn, Parkgasse 8, Vilém Hönig, Kaufmann in Pavlovice bei
Olmütz und
Arnošt Kulka in Prerau, Fabrikant sowie die
Cousine meiner Ehefrau, die Staatsbeamtin Ada Krčálová, die unter
unbekannter Adresse in Prag wohnt. Ich habe die Absicht, mich um den Erhalt der tschechoslowakischen
Staatsbürgerschaft zu bemühen, andernfalls würde ich nach Schweden
weiterreisen.
Ernst Pogner e.h.