Illegale
Beförderung
österreichisch
jüdischer Staatsbürger auf čsl. Gebiet
Beilagen: 2.
[...]
Am 17. April 1938 um zwei Uhr vermeldete der
Bezirkshauptmann in Pressburg telefonisch das Folgende:
"Gerade habe ich eine telefonische Nachricht vom Inspektor der Finanzwache in Theben erhalten, dass 52
ehemalige österreichische Staatsangehörige jüdischen Glaubens aus
Österreich über
die Donau auf eine
Insel in der Donau bei der Ortschaft Theben befördert wurden. Es
sind 20 Männer, 20 Frauen und 12 Kinder.
Die Beförderung dieser über die Donau wurde mit zwei Prahmen durchgeführt. Die genannten Personen wurden auf
der Theben-Insel auf der Seite
Richtung Österreich
abgesetzt, die von der tschechoslowakischen Seite nicht zu sehen ist, so dass das Anlaufen der
Prahme nicht gesichtet wurde. Festgenommen wurde von der Finanzwache nur ein Mann,
der den Damm überquert hatte, der die Insel mit dem Ufer der Donau verbindet, und in die Ortschaft Theben gegangen war. Dieser
Mann meldete den Vorfall."
Am 17. April um 8 Uhr morgens telefonierte der
Bezirkshauptmann
in Pressburg zusätzlich das Folgende:
"Die Prahme, auf denen die genannten Personen aus Österreich überführt wurden,
sind auf die österreichische Seite zurückgekehrt und wurden von zwei motorisierten Booten
geschleppt – angeblich militärischen – woraus sich schließen lässt, dass der
Personentransport über die Donau von Pionieren durchgeführt wurde, die in Hainburg
stationiert sind und dass die deutschen
Staatsorgane von dem Transport Kenntnis hatten. Den Transport selbst führten Menschen in
Zivilkleidung durch.
[...]Es folgt eine Namensliste von 52 ausgewiesenen Jüdinnen und Juden,
davon 42 aus Kittsee und 10 aus Pama. Eine Person hatte einen ungültigen polnischen
Reisepass, ein 40jähriger Mann kam ohne seine christliche Ehefrau, die zusammen mit ihrem
Kind in Österreich zurückgehalten wurde.
Am 17. April 1938 um 10 Uhr teilte der Bezirkshauptmann in
Pressburg
weiter Folgendes mit:
"Alle Personen, deren Namen ich bekanntgegeben habe, befinden sich nun in Theben, sind ohne jegliche
finanzielle Mittel und spärlich bekleidet. Nur einige
Personen haben Geld in kleinen Mengen. Sie haben keine Ausweispapiere."
Der Bezirkshauptmann versuchte Maßnahmen zu ergreifen, um diese Personen noch in der Nacht
über den Fluß March nach
Österreich
zurückzuführen, und dies mit Fischerbooten von Fuchs. Weil es jedoch Befürchtungen gab, dass die deutschen Grenzorgane
bei Entdeckung der Boote schießen würden und es dabei zu Verletzungen oder zu Todesfällen nicht nur von beförderten Personen ehemaliger österreichischer
Staatsangehörigkeit, sondern auch von Begleitpersonen mit tschechoslowakischer
Staatsbürgerschaft kommen könnte, wurde von dieser Maßnahme abgesehen.
Deshalb ordnete der Bezirkshauptmann gemäß der Anordnung, die ihm durch die Landesbehörde
vorgegebenen war, an, dass die genannten Personen nach Pressburg befördert und
im Schubbahnhof untergebracht werden, von wo sie nach der Durchführung des
Disziplinarverfahrens wegen illegalen
Grenzübertritts nach Österreich zurückgeführt werden.
[...]
Der Polizeidirektor in Pressburg berichtete
mir telefonisch und per schriftlichem Bericht Nummer 6760 vom 19.
April 1938, dass er diese Instruktion befolgt hat und weiter, dass er im
Einvernehmen mit der Bezirksbehörde in Pressburg am 18. April d. J. alle diese Flüchtlinge ins Ausland geschafft hat,
so dass sich diese laut seiner vertraulichen Ermittlungen am 19.
April d. J. alle wieder auf deutschem Gebiet in
der Ortschaft Kittsee befanden.
Um zu verhindern, dass sich weitere solche Fälle stümperhafter Personentransporte aus Deutschland auf tschechoslowakisches
Gebiet wiederholen, habe ich noch am 17. April in den
Vormittagsstunden eine Besprechung im Präsidium der Landesbehörde einberufen, an der neben
dem Bezirkshauptmann und dem Polizeidirektor von
Pressburg
der für die Generalfinanzdirektion zuständige Referent Hauptrat Dr Zajíček und der Kontrollbeamte der Finanzwache Inspektor
Smíkal teilnahmen. Bei dieser Besprechung
wurden die folgenden Maßnahmen festgelegt:
1/ die Generalfinanzdirektion in Pressburg verstärkt
vorläufig nach ihren Möglichkeiten den Bestand der einzelnen tangierten Abteilungen der
Grenzfinanzwache an der deutschen Grenze von
Brodsko bis nach Engerau. Auf diesem
bestimmten Abschnitt setzt sie mit Beschleunigung eine größere Anzahl von für dieses Jahr
aufgenommenen Rekruten aus dem erlaubten Neubestand von 580 Finanzwachen ein.
2/ Die Polizeidirektion in Pressburg stellt der
Generalfinanzdirektion zwei Motorboote mit zwei Polizeiführern zur
Verfügung. Von diesen Booten:
a/ wird das größere mit einer zweiköpfigen Patrouille der Grenzfinanzwache ab dem 17. April 1938 drei 4 stündige Turnusse entlang des tschechoslowakischen
(linken) Ufers der Donau
von der Dämmerung bis zum Tagesanbruch im Abschnitt vom Hochschulinternat in Pressburg bis zur
Mündung der March
übernehmen.
b/ wird das kleinere Boot während des Tages mit einer zweiköpfigen Patrouille der Finanzwache Wachdienst über den Fluß March gemäß gesonderter Anordnung
leisten.
Basis für dieses Schiffe und Ort für die Wachablösung ist die Anlegestelle für Polizeimotorboote auf Cukermandl.
3. Die Landespolizeikommandantur in Pressburg (Oberst
Müller) wurde sofort nach der Besprechung
telefonisch darüber informiert, sofort die diensthabenden Polizeipatrouillen an
der tschechoslowakisch-deutschen Grenze von
Brodsko bis Engerau mit einer
möglichen Bestandserhöhung der entsprechenden Gendarmeriewachen zu
verstärken.
Zur Sache der stümperhaft hierher beförderten österreichischen Bürger
merke ich an, dass diese Emigranten zugestimmt haben, dass sie aus den Gemeinden Kittsee und Pama im Burgenland-Österreich
stammen, wo sie dauerhaft sesshaft sind. In diesen Tagen wurden sie von SS-Leuten nach
Hainburg der Kommandantur des SS-Bataillons
vorgeführt, wo sie unterschreiben mussten, dass sie auf ihr gesamtes Eigentum in Österreich verzichten,
daraufhin wurden sie in der Nacht auf den 17. April 1938 zur
Donau gebracht, in zwei
Boote verladen und von Zivilisten zum tschechoslowakischen
Ufer respekt. zur Donauinsel unterhalb von Theben, die bereits erwähnt
wurde, übergesetzt. Nachdem man sie ans Ufer geführt hatte, wurde ihnen gedroht, dass
während eines event. Rückkehrversuchs auf sie geschossen werde.
Im Nachhang zur genannten Besprechung teilte ich der Generalfinanzdirektion in Pressburg in dem
Schreiben Nummer II-FS 2414/2-1938 vom 19. April 1938 mit,
dass vorläufig die Bewachung der Flüsse Donau und March unter Mitarbeit der Polizeidirektion
Pressburg
mithilfe von Motorüberwachungsbooten eingeleitet wurde. Die Wache der Insel Kesmacher
ordnete an, am Tag eine Wachpatrouille der Lebensmittelsteuer an der Grenze einzusetzen, in
der Nacht eine Patrouille der Finanzwache Pressburg - Zollamt.
Die Abteilung Finanzwache in Theben wurde kurzfristig mit 6 Angestellten der Finanzwache verstärkt.
[...]
Im Nachhang erlaube ich mir zu vermelden, dass laut Meldung des Bezirkshauptmanns in
Sommerein vom
20. April 1938 gegenüber des Ortes Gutor auf der ungarischen Insel Gútor
Menschen (etwa 45-50 österreichische Juden) aufgetaucht sind, die auf illegalem Weg nach
Ungarn gelangt
sind und auf den Übertritt in die Tschechoslowakei
warten. Der Bezirkshauptmann in Sommerein hat über das
Inspektorat der Grenzwache in Sommerein sofort Maßnahmen getroffen, damit die Grenzfinanzwache am Ufer der
Donau den Übertritt
dieser Menschen auf tschechoslowakischen Boden unbedingt verhindert. Ähnliche Maßnahmen hat auch
die Bezirkspolizeikommandantur in Sommerein getroffen. Nach
Erhalt dieser Nachrichten benachrichtigte das Präsidium der Landesbehörde auf meine Weisung
hin sofort die Generalfinanzdirektion und die Landespolizeikommandantur in Pressburg, mit der
Bitte sofortige Maßnahmen zu ergreifen, dass in diesem Abschnitt der tschechoslowakischen
Grenze von Pressburg bis Parkan die Patrouillen der Finanzwache und die Polizeipatrouillen sofort so zu verstärken sind, dass jedweder Versuch jüdischer
Flüchtlinge zum Übertritt der tschechoslowakischen
Grenzen in Richtung durch die Donau verhindert wird und diese rechtzeitig vereitelt werden.