POMOCNÉ ÚSTŘEDÍ PRO UPRCHLÍKY
BRNO •
ZENTRALHILFSSTELLE FÜR FLÜCHTLINGE
BRÜNN
Brno, 8. August 1938
Herr Innenminister
Wir erlauben uns, Ihnen ein Memorandum der oesterreichischen Flüchtlinge in Brünn, das uns zur Weiterleitung übergeben wurde, zuzusenden.
Ergebenst
Pomocné ústředí pro uprchlíky - Zentralhilfsstelle für Flüchtlinge
[Unterschrift unleserlich]
Zu Handen der Zentralhilfsstelle
für Flüchtlinge
Brno
.
Die Ereignisse der letzten Wochen und insbesondere der letzten Tage haben uns veranlasst,
in eigener Sache vor die internationale Öffentlichkeit zu treten.
Der gewaltsame Anschluss
Oesterreichs an das Deutsche
Reich hat viele Tausende in Elend und Not gestürzt. Täglich erfolgen
Verhaftungen von Menschen, die nichts anderes verbrochen haben, als dass sie entweder Juden
sind, oder eine andere weltanschauliche Meinung vertreten, als das herrschende Regime in
Deutschland.
Nach monate– und wochenlanger Haft voll psychischer und körperlicher Qualen werden Leute
oft in kranken Zustand, Frauen, Kinder
und Greise, nachdem man ihnen vorher eine Erklärung abgepresst hat, dass sie aus freien
Stücken die Gefahr des illegalen Grenzübertrittes auf sich nehmen, an die deutsche Grenze gestellt. Eine andere Gruppe von Leuten, die sich noch in
Freiheit befinden, werden durch verschiedene Verordnungen und Gesetze des Deutschen
Reiches die an das tiefste Mittelalter erinnern, zur Verzweiflung getrieben so
dass sie teils Selbstmord verüben, teils aber den Rest ihrer Habe und ihr Heim im
Stiche lassen, um der Hölle zu entrinnen.
Ein grosser Teil dieser Menschen begibt sich in die Č.S.R., weil dieser
Staat in nächster Nähe liegt, und eine demokratische Insel im Meere der
Reaktion darstellt.
Wir sind uns darüber im Klaren, dass dieser Staat allein nicht dem Problem der Emigration gerecht werden kann. Er hat in freundschaftlicher Weise den vielen
Hunderten, die nur ihr nacktes Leben gerettet, Aufnahme gewährt. Die Aufenthaltsbewilligung
der meisten Emigranten aus Oesterreich
läuft am 8. August ab und es besteht die begründete Gefahr, dass diese Leute wieder an die
Grenzen gestellt werden, um neuerdings ein Dasein voller Qualen zu führen, von Grenze zu
Grenze geschoben zu werden, und schliesslich elendiglich zu Grunde zu gehen.
Denn unter den Emigranten aus Oesterreich
befinden sich nicht nur Oesterreicher,
sondern auch Polen, Rumänen, Ungarn etc, die ihren ständigen Wohnsitz in Oesterreich
hatten und die durch Verordnung ihres Staates auf die Anerkennung ihrer Staatsbürgerschaft viele Monate warten müssen, bei illegalem Betreten des Bodens
ihrer Heimat aber unbarmherzig eingesperrt und in Konzentrationslager gesteckt werden.
In derselben Lage befindet sich das grosse Heer der Staatenlosen, deren Los im Besonderen zu schildern sich erübrigt. Sie wird wohl
kein reaktionärer Staat aufnehmen und sie sind als erste dem Tod
geweiht.
Unser Aufenthalt in Č.S.R. soll nur bis zu dem Zeitpunkt sich erstrecken, da die
Flüchtlingskonferenz das Problem der Emigration gelöst haben wird und wir die Möglichkeit erhalten werden, eine neue
Existenz zu gründen. Es ist daher klar, dass unser Aufenthalt in der Č.S.R. nur ein
vorübergehender sein wird.
Daraus ergeben sich für uns folgende Schritte:
1./ Wir bitten den Herrn Staatspräsidenten Dr. BENEŠ
dahin zu wirken, dass die in der čsl. Republik
derzeit sich aufhaltenden Emigranten bis zur völligen Erledigung des
Problemes der Emigration durch die
internationale Flüchtlingskonferenz (derzeit in London) eine
Aufenthaltsbewilligung erhalten. Wir stützen uns bei dieser Bitte auf die čsl. Demokratie und
erlauben uns darauf hinzuweisen, dass vor der Gründung der čsl. Republik viele
ihrer Söhne Asyl bei anderen Völkern in freundschaftlichster Weise gefunden haben.
2./ Bitten wir den Herrn Innenminister, dem die Erteilung der
vorübergehenden Aufenthaltsbewilligung unmittelbar obliegt, um Berücksichtigung der oben
angeführten Tatsachen.
3./ Bitten wir den Herrn Vorsitzenden des Abgeordnetenhauses um Unterstützung unseres
Gesuches.
4./ Wenden wir uns an die sozialistischen und demokratischen Parteien der čsl. Republik mit
dem Ersuchen, uns in unserem Ringen um das nackte Leben zu unterstützen.
5./ Wenden wir uns an die derzeit in London tagende Konferenz für
Flüchtlinge, mit der Aufforderung, das Problem der Emigration raschestens zu lösen, damit die Beschlüsse dieser Konferenz nicht zu
spät kommen, um die tausenden Leben und Existenzen zu retten.
6./ Wenden wir uns nicht zuletzt an die breiteste Oeffentlichkeit der Welt und alle
Gutgesinnten, uns in unserer Not beizustehen und tatkräftigst zu unterstützen, um die Ehre
der Menschheit zu retten, damit nicht die zukünftige Generation sich mit Abwehr von ihr
wende.
RASCHE HILFE TUT NOT.
Die Emigranten in Brünn
Bratislavská 4