Protokoll
aufgenommen am 12. Juli 1938 im Stadtrat von Olmütz mit dem früh.
österr. Staatsangehörigen, heute r.deutschen,
Felix
Stiastny aus Wien, der am 6. 7. 38
illegal
die Grenze der ČSR überquert hat.
Gegenstand: Verhör bezüglich illeg.
Grenzübertritts
Anwesend: die Unterzeichnenden
Ich heiße Felix
Stiastny, geboren am 7. 3. 1891 in Wien, heimatber. in
Wien,
Handelsvertreter und ich wohnte in Wien und habe einen gültigen
österr. Reisepass, ausgestellt von der Polizeidir. in
Wien am 4. 1. 1937 [...].
Weil die Umstände in Wien, wo ich in Wien
II, Glockeng. 1 gewohnt habe, unter dem gegenwärtigen Regime derart sind, dass
der Mensch täglich in Lebensgefahr ist, habe ich mich entschlossen Österreich aus
Gründen des Selbsterhalts zu verlassen. In meinem Reisepass hatte ich zwar einen Vermerk, der mich zur Ausreise nach Italien, in die
Schweiz und
die ČSR und
zur Reise zurück berechtigt, jedoch weiß jeder, dass die verwaltenden Behörden der
ČSR auf
einen solchen Vermerk in einem österr. Pass
kein Visum zur Reise in die ČSR erteilen und
dass sie jeden von der Grenze zurückschicken. Bereits bei der Passausgabe und der Reiseerlaubnis nötigen die reichsdeutschen
Behörden den Passinhaber zur Unterzeichnung eines Revers, dass er niemals nach
Österreich zurückkehren wird.
Ich konnte also, obwohl ich einen gültigen Pass
habe, nicht auf legalem Weg mit der Eisenbahn oder auf
sonstige Weise in die ČSR fahren, sondern muss dies auf eine andere Weise versuchen. So handelt
übrigens eine große Zahl jüdischer
Flüchtlinge. Ich war gezwungen, meine ganzen Ersparnisse in Wien zurückzulassen, denn
niemand darf auch nur einen Heller ausführen, jeden ziehen sie nackt aus und durchsuchen ihn
gründlich.
Am 6. 7. 1938 verließ ich Wien mit dem Autobus in
Richtung Grenze zur ČSR nach Znaim. Im öst. Grenzort
Kleinhaugsdorf erwarteten uns bereits SS
Männer, die uns sofort festnahmen und zu ihren Wachmännern brachten, wo wir sehr
gründlich einzeln bis auf den nackten Körper durchsucht wurden. Täglich treffen dort 4
Autobusse ein. Die Flüchtlinge sind dort versammelt und werden am Abend in Gruppen von
einem eigenen Führer, einem tschechoslowakischem
Staatsangehörigen-polit. Flüchtling, über die Grenze in Richtung Eisenbahnstation Schattau überführt. In
unserer Gruppe waren insgesamt 17 Personen. Um zehn Uhr wurden wir zur Grenze geführt, wo
uns der Führer auf einem Kleefeld den weiteren Weg über die Grenze zur Eisenbahnstation
Schattau zeigte.
Doch nur 3 gelang es, die Grenze zu überqueren, ohne festgehalten zu werden. Die übrigen 14
wurden von der Grenzwache festgenommen und zur
Ortschaft Gnadlersdorf gebracht. Dort wurde ich wegen unberechtigtem Grenzübertritt mit
einer Geldstrafe von 10.- Kronen belegt [...] und noch am Morgen derselben Nacht wurden wir
zurück zur Grenze geführt, damit wir nach Österreich
zurückkehren. Sobald der Beauftragte, der uns zur Grenze gebracht hatte, fortgegangen war,
kehrte ich zurück und gelangte zu Fuß bis nach Znaim, wo ich Unterstützung
von der jüdischen Gemeinde und eine Fahrkarte nach Olmütz erhielt. In
Olmütz haben wir
eine Tante, Fr. Jenny
Pollaková, Englova 6, die mich eine Weile bei sich
wohnen lässt. Sie hat zwar nicht viel, doch trotzdem versorgt sie mich bereits mit etwas
Essen.
In Olmütz habe
ich mich sofort aus völlig freien Stücken bei der Polizei und der
Ausländerregistrierung gemeldet und sofort ohne Zwang angegeben, dass ich die Grenze illegal
überquert hatte, und dass ich dafür bereits bestraft worden bin.
Es ist interessant, dass uns die Männer der SA, die uns in
Kleinhaugsdorf
festnahmen, sagten, dass wir ohne Komplikationen in die ČSR könnten, dass
sie dort schon auf uns warten und dass sie uns in deut. Gegenden ansiedeln würden, damit wir
dort tschechisch wählen. Es handelt sich um Propaganda, die gegen die ČSR verwendet
wird.
Ich beabsichtige, in Olmütz einige Zeit abzuwarten, wie sich die Verhältnisse entwickeln. Ich
werde mich um die Unterstützung der Liga für Menschenrechte bemühen und
später entscheide ich mich, wohin ich mich wenden sollte, wenn ich keine
Aufenthaltsgenehmigung in der ČSR erhalte.
Ich werde mich in keiner Weise ins öff. polit. Leben einmischen, denn ich schulde der
ČSR. Dank
dafür, dass sie mir Asylrecht gewährt.
Mehr kann ich nicht hinzufügen. Ich bin bereit, die Verhältnisse in Österreich
unter dem derzeitigen Regime ausführlich darzulegen, und dies völlig wahrheitsgemäß und
unparteiisch.