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s-401 Sie machen ein Spiel aus, das wie alles Spiel auf Überraschung und Täuschung hinausläuft.
s-402 Mehre Sagen des gemeinen Lebens beruhn auf einer Bemerkung dieses verkehrten Zusammenhangs.
s-403 So z.B. bedeuten böse Träume Glück; todtsagen langes Leben; ein Hase, der über'n Weg läuft, Unglück.
s-404 Fast der ganze Aberglaube des gemeinen Volks beruht auf Deutungen dieses Spiels.
s-405 Die höchste Aufgabe der Bildung ist, sich seines transcendentalen Selbst zu bemächtigen, das Ich seines Ich's zugleich zu seyn.
s-406 Um so weniger befremdlich ist der Mangel an vollständigem Sinn und Verstand für Andre.
s-407 Ohne vollendetes Selbstverständniß wird man nie andere wahrhaft verstehn lernen.
s-408 Humor ist eine willkührlich angenommene Manier.
s-409 Das Willkührliche ist das Pikante daran: Humor ist Resultat einer freyen Vermischung des Bedingten und Unbedingten.
s-410 Durch Humor wird das eigenthümlich Bedingte allgemein interessant, und erhält objektiven Werth.
s-411 Persifflage gehört zum Humor, ist aber um einen Grad geringer: es ist nicht mehr rein artistisch, und viel beschränkter.
s-412 Was Fr. Schlegel als Ironie karakterisirt, ist meinem Bedünken nach nichts anders als die Folge, der Karakter der Besonnenheit, der wahrhaften Gegenwart des Geistes.
s-413 Schlegels Ironie scheint mir ächter Humor zu seyn.
s-414 Mehre Nahmen sind einer Idee vortheilhaft.
s-415 Das Unbedeutende, Gemeine, Rohe, Häßliche, Ungesittete, wird durch Witz allein Gesellschaftfähig.
s-416 Es ist gleichsam nur um des Witzes willen: seine Zweckbestimmung ist der Witz.
s-417 Um das Gemeine, wenn man nicht selbst gemein ist, mit der Kraft und mit der Leichtigkeit zu behandeln, aus der die Anmuth entspringt, muß man nichts sonderbarer finden als das Gemeine, und Sinn fürs Sonderbare haben, viel darin suchen und ahnden.
s-418 Wir sind auf einer Mißion: zur Bildung der Erde sind wir berufen.
s-419 Wenn uns ein Geist erschiene, so würden wir uns sogleich unsrer eignen Geistigkeit bemächtigen: wir würden inspirirt seyn durch uns und den Geist zugleich.
s-420 Ohne Inspirazion keine Geistererscheinung.
s-421 Inspirazion ist Erscheinung und Gegenerscheinung, Zueignung, und Mittheilung zugleich.
s-422 Der Mensch lebt, wirkt nur in der Idee fort, durch die Erinnerung an sein Daseyn.
s-423 Vor der Hand giebts kein anderes Mittel der Geisterwirkungen auf dieser Welt.
s-424 Daher ist es Pflicht an die Verstorbenen zu denken.
s-425 Es ist der einzige Weg in Gemeinschaft mit ihnen zu bleiben.
s-426 Gott selbst ist auf keine andere Weise bey uns wirksam als durch den Glauben.
s-427 Interesse ist Theilnahme an dem Leiden und der Thätigkeit eines Wesens.
s-428 Mich interessirt etwas, wenn es mich zur Theilnahme zu erregen weiß.
s-429 Kein Interesse ist interessanter, als was man an sich selbst nimmt;
s-430 so wie der Grund einer merkwürdigen Freundschaftund Liebe die Theilnahme ist, zu der mich ein Mensch reizt, der mit sich selbst beschäftigt ist, der mich durch seine Mittheilung gleichsam einladet, an seinem Geschäfte Theil zu nehmen.
s-431 Wer den Witz erfunden haben mag?
s-432 Jede zur Besinnung gebrachte Eigenschaft, Handlungsweise unsers Geistes ist im eigentlichsten Sinn eine neuentdeckte Welt.
s-433 Der Geist erscheint immer nur in fremder, luftiger Gestalt.
s-434 Jetzt regt sich nur hie und da Geist: wann wird der Geist sich im Ganzen regen? wann wird die Menschheit in Masse sich selbst zu besinnen anfangen?
s-435 Der Mensch besteht in der Wahrheit.
s-436 Giebt er die Wahrheit preis, so giebt er sich selbst preis.
s-437 Wer die Wahrheit verräth, verräth sich selbst.
s-438 Es ist hier nicht die Rede vom Lügen, sondern vom Handeln gegen Überzeugung.
s-439 In heitern Seelen giebts keinen Witz.
s-440 Witz zeigt ein gestörtes Gleichgewicht an: er ist die Folge der Störung und zugleich das Mittel der Herstellung.
s-441 Den stärksten Witz hat die Leidenschaft.
s-442 Der Zustand der Auflösung aller Verhältnisse, die Verzweiflung oder das geistige Sterben ist am fürchterlichsten witzig.
s-443 Von einem liebenswerthen Gegenstande können wir nicht genug hören, nicht genug sprechen.
s-444 Wir freuen uns über jedes neue, treffende, verherrlichende Wort.
s-445 Es liegt nicht an uns, daß er nicht Gegenstand aller Gegenstände wird.
s-446 Wir halten einen leblosen Stoff wegen seiner Beziehungen, seiner Formen fest.
s-447 Wir lieben den Stoff, in so fern er zu einem geliebten Wesen gehört, seine Spur trägt, oder Ähnlichkeit mit ihm hat.
s-448 Ein ächter Klub ist eine Mischung von Institut und Gesellschaft.
s-449 Er hat einen Zweck, wie das Institut;
s-450 aber keinen bestimmten, sonderneinen unbestimmten, freyen: Humanität überhaupt.
s-451 Aller Zweck ist ernsthaft;
s-452 die Gesellschaft ist durchaus fröhlich.
s-453 Die Gegenstände der gesellschaftlichen Unterhaltung sind nichts, als Mittel der Belebung.
s-454 Dieß bestimmt ihre Wahl, ihren Wechsel, ihre Behandlung.
s-455 Die Gesellschaft ist nichts, als gemeinschaftliches Leben: eine untheilbare denkende und fühlende Person.
s-456 Jeder Mensch ist eine kleine Gesellschaft.
s-457 In sich zurückgehn, bedeutet bey uns, von der Außenwelt abstrahiren.
s-458 Bey den Geistern heißt analogisch, das irdische Leben eine innere Betrachtung, ein in sich Hineingehn, ein immanentes Wirken.
s-459 So entspringt das irdische Leben aus einer ursprünglichen Reflexion, einem primitiven Hineingehn, Sammeln in sich selbst, das so frey ist, als unsre Reflexion.
s-460 Umgekehrt entspringt das geistige Leben in dieser Welt aus einem Durchbrechen jener primitiven Reflexion.
s-461 Der Geist entfaltet sich wiederum, geht aus sich selbst wieder heraus, hebt zum Theil jene Reflexion wieder auf, und in diesem Moment sagt er zum erstenmal Ich.
s-462 Man sieht hier, wie relativ das Herausgehn und Hineingehn ist.
s-463 Was wir Hineingehn nennen, ist eigentlich Herausgehn, eine Wiederannahme der anfänglichen Gestalt.
s-464 Ob sich nicht etwas für die neuerdings so sehr gemißhandelten Alltagsmenschen sagen ließe?
s-465 Gehört nicht zur beharrlichen Mittelmäßigkeit die meiste Kraft? und soll der Mensch mehr als einer aus dem Popolo seyn?
s-466 Wo ächter Hang zum Nachdenken, nicht bloß zum Denken dieses oder jenes Gedankens, herrschend ist, da ist auch Progreßivität.
s-467 Sehr viele Gelehrte besitzen diesen Hang nicht.
s-468 Sie haben schließen und folgern gelernt, wie ein Schuster das Schuhmachen, ohne je auf den Einfall zu gerathen, oder sich zu bemühen, den Grund der Gedanken zu finden.
s-469 Dennoch liegt das Heil auf keinem andern Wege.
s-470 Bey vielen währt dieser Hang nur eine Zeitlang.
s-471 Er wächst und nimmt ab, sehr oft mit den Jahren, oft mit dem Fund eines Systems, das sie nur suchten, um der Mühe des Nachdenkens ferner überhoben zu seyn.
s-472 Irrthum und Vorurtheil sind Lasten, indirekt reizende Mittel für den Selbstthätigen, jeder Last gewachsenen.
s-473 Für den Schwachen sind sie positiv schwächende Mittel.
s-474 Das Volk ist eine Idee.
s-475 Wir sollen ein Volk werden.
s-476 Ein vollkommener Mensch ist ein kleines Volk.
s-477 Ächte Popularität ist das höchste Ziel des Menschen.
s-478 Jede Stufe der Bildung fängt mit Kindheit an.
s-479 Daher ist der am meisten gebildete, irdische Mensch dem Kinde so ähnlich.
s-480 Jeder geliebte Gegenstand ist der Mittelpunkt eines Paradieses.
s-481 Das Interessante ist, was mich, nicht um mein selbst willen, sondern nur als Mittel, als Glied, in Bewegung setzt.
s-482 Das Klassische stört mich gar nicht;
s-483 es afficirt mich nur indirect durch mich selbst.
s-484 Es ist nicht für mich da, als klassisch, wenn ich es nicht setze, als ein solches, das mich nicht afficiren würde, wenn ich mich nicht selbst zur Hervorbringung desselben für mich, bestimmte, anregte; wenn ich nicht ein Stück von mir selbst losrisse, und diesen Keim sich auf eine eigenthümliche Weise vor meinen Augen entwickeln ließe.
s-485 Eine Entwickelung, die oft nur einen Moment bedarf, und mit der sinnlichen Wahrnehmung des Objects zusammen fällt, so daß ich ein Object vor mir sehe, in welchem das gemeine Object und das Ideal, wechselseitig durchdrungen, nur Ein wunderbares Individuum bilden.
s-486 Formeln für Kunstindividuen finden, durch die sie im eigentlichsten Sinn erst verstanden werden, macht das Geschäft des artistischen Kritikers aus, dessen Arbeiten die Geschichte der Kunst vorbereiten.
s-487 Je verworrener ein Mensch ist, man nennt die Verworrenen oft Dummköpfe, desto mehr kann durch fleißiges Selbststudium aus ihm werden;
s-488 dahingegen die geordneten Köpfe trachten müssen, wahre Gelehrte, gründliche Encyklopädisten zu werden.
s-489 Die Verworrnen haben im Anfang mit mächtigen Hindernissen zu kämpfen, sie dringennur langsam ein, sie lernen mit Mühe arbeiten: dann aber sind sie auch Herrn und Meister auf immer.
s-490 Der Geordnete kommt geschwind hinein, aber auch geschwind heraus.
s-491 Er erreicht bald die zweyte Stufe: aber da bleibt er auch gewöhnlich stehn.
s-492 Ihm werden die letzten Schritte beschwerlich, und selten kann er es über sich gewinnen, schon bey einem gewissen Grade von Meisterschaft sich wieder in den Zustand eines Anfängers zu versetzen.
s-493 Verworrenheit deutet auf Überfluß an Kraft und Vermögen, aber mangelhafte Verhältnisse;
s-494 Bestimmtheit, auf richtige Verhältnisse, aber sparsames Vermögen und Kraft.
s-495 Daher ist der Verworrne so progressiv, so perfektibel, dahingegen der Ordentliche so früh als Philister aufhört.
s-496 Ordnung und Bestimmtheit allein ist nicht Deutlichkeit.
s-497 Durch Selbstbearbeitung kommt der Verworrene zu jener himmlischen Durchsichtigkeit, zu jener Selbsterleuchtung, die der Geordnete so selten erreicht.
s-498 Das wahre Genie verbindet diese Extreme.
s-499 Es theilt die Geschwindigkeit mit dem letzten und die Fülle mit dem ersten.
s-500 Das Individuum interessirt nur, daher ist alles Klassische nicht individuell.

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