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s-302 Ein Philosoph aber, der sich davon anstecken ließe, verdiente wenigstens deportiert zu werden, aus dem Reiche der Kritik.
s-303 Oder gibt es etwa nicht unendlich viel Gutes und Schönes im Himmel und auf Erden, wovon sich die Poesie nichts träumen läßt?
s-304 Die Römer wußten, daß der Witz ein prophetisches Vermögen ist; sie nannten ihn Nase.
s-305 Es ist indelikat, sich drüber zu wundern, wenn etwas schön ist, oder groß;
s-306 als ob es anders sein dürfte.
s-307 Wir suchen überall das Unbedingte, und finden immer nur Dinge.
s-308 Die Bezeichnung durch Töne und Striche ist eine bewundernswürdige Abstrakzion.
s-309 Wie leicht wird hier die Handhabung des Universums, wie anschaulich die Konzentrizität der Geisterwelt!
s-310 Die Sprachlehre ist die Dynamik des Geisterreichs.
s-311 Ein Kommandowort bewegt Armeen; das Wort Freyheit Nazionen.
s-312 Der Weltstaat ist der Körper, den die schöne Welt, die gesellige Welt, beseelt.
s-313 Er ist ihr nothwendiges Organ.
s-314 Akademie sollte ein durchaus philosophisches Institut seyn: nur Eine Facultät; die ganze Einrichtung zur Erregung und zweckmäßigen Übung der Denkkraft organisirt.
s-315 Lehrjahre im vorzüglichen Sinn sind die Lehrjahre der Kunst zu leben.
s-316 Durch planmäßig geordnete Versuche lernt man ihre Grundsätze kennen und erhält die Fertigkeit nach ihnen beliebig zu verfahren.
s-317 Ganz begreifen werden wir uns nie, aber wir werden und können uns weit mehr, als begreifen.
s-318 Gewisse Hemmungen gleichen den Griffen eines Flötenspielers, der um verschiedene Töne hervorzubringen, bald diese bald jene Öffnung zuhält, und willkührliche Verkettungen stummer und tönender Öffnungen zu machen scheint.
s-319 Der Unterschied zwischen Wahn und Wahrheit liegt in der Differenz ihrer Lebensfunkzionen.
s-320 Der Wahn lebt von der Wahrheit; die Wahrheit lebt ihr Leben in sich.
s-321 Man vernichtet den Wahn, wie man Krankheiten vernichtet, und der Wahn ist also nichts, als logische Entzündung oder Verlöschung, Schwärmerey und Philisterey.
s-322 Jene hinterläßt gewöhnlich einen scheinbaren Mangel an Denkkraft, der durch nichts zu heben ist, als eine abnehmende Reihe von Inzitamenten, Zwangsmitteln.
s-323 Diese geht oft in eine trügliche Lebhaftigkeit über, deren gefährliche Revoluzionssymptome nur durch eine zunehmende Reihe gewaltsamer Mittel vertrieben werden können.
s-324 Beyde Disposizionen können nur durch chronische, streng befolgte Kuren verändert werden.
s-325 Unser sämtliches Wahrnehmungsvermögen gleicht dem Auge.
s-326 Die Objekte müßen durch entgegengesetzte Media durch, um richtig auf der Pupille zu erscheinen.
s-327 Die Erfahrung ist die Probe des Razionalen, und so umgekehrt.
s-328 Die Unzulänglichkeit der bloßen Theorie in der Anwendung, über die der Praktiker oft kommentirt, findet sich gegenseitig in der razionalen Anwendung der bloßen Erfahrung, und wird von den ächten Philosophen, jedoch mit Selbstbescheidung der Nothwendigkeit dieses Erfolgs, vernehmlich genug bemerkt.
s-329 Der Praktiker verwirft deshalb die bloße Theorie ganz, ohne zu ahnden, wie problematisch die Beantwortung der Frage seyn dürfte: »Ob die Theorie für die Anwendung, oder die Anwendung um der Theorie willen sey?«
s-330 Wunder stehn mit naturgesetzlichen Wirkungen in Wechsel: sie beschränken einander gegenseitig, und machen zusammen ein Ganzes aus.
s-331 Sie sind vereinigt, indem sie sich gegenseitig aufheben.
s-332 Kein Wunder ohne Naturbegebenheit und umgekehrt.
s-333 Die Natur ist Feindin ewiger Besitzungen.
s-334 Sie zerstört nach festen Gesetzen alle Zeichen des Eigenthums, vertilgt alle Merkmale der Formazion.
s-335 Allen Geschlechtern gehört die Erde; jeder hat Anspruch auf alles.
s-336 Die Frühern dürfen diesem Primogeniturzufalle keinen Vorzug verdanken.
s-337 Das Eigenthumsrecht erlischt zu bestimmten Zeiten.
s-338 Die Ameliorazion und Deteriorazion steht unter unabänderlichen Bedingungen.
s-339 Wenn aber der Körper ein Eigenthum ist, wodurch ich nur die Rechte eines aktiven Erdenbürgers erwerbe, so kann ich durch den Verlust dieses Eigenthums nicht mich selbst einbüßen.
s-340 Ich verliere nichts, als die Stelle in dieser Fürstenschule, und trete in eine höhere Korporazion, wohin mir meine geliebten Mitschüler nachfolgen.
s-341 Leben ist der Anfang des Todes.
s-342 Das Leben ist um des Todes willen.
s-343 Der Tod ist Endigung und Anfang zugleich, Scheidung und nähere Selbstverbindung zugleich.
s-344 Durch den Tod wird die Redukzion vollendet.
s-345 Auch die Philosophie hat ihre Blüthen.
s-346 Das sind die Gedanken, von denen man immer nicht weiß, ob man sie schön oder witzig nennen soll.
s-347 Die Fantasie setzt die künftige Welt entweder in die Höhe, oder in die Tiefe, oder in der Metempsychose zu uns.
s-348 Wir träumen von Reisendurch das Weltall: ist denn das Weltall nicht in uns?
s-349 Die Tiefen unsers Geistes kennen wir nicht.
s-350 Nach Innen geht der geheimni?volle Weg.
s-351 In uns, oder nirgends ist die Ewigkeit mit ihren Welten, die Vergangenheit und Zukunft.
s-352 Die Außenwelt ist die Schattenwelt, sie wirft ihren Schatten in das Lichtreich.
s-353 Wir werden mehr genießen als je, denn unser Geist hat entbehrt.
s-354 Darwin macht die Bemerkung, daß wir weniger vom Lichte beym Erwachen geblendet werden, wenn wir von sichtbaren Gegenständen geträumt haben.
s-355 Wohl also denen, die hier schon von Sehen träumten!
s-356 Sie werden früher die Glorie jener Welt ertragen können.
s-357 Wie kann ein Mensch Sinn für etwas haben, wenn er nicht den Keim davon in sich hat?
s-358 Was ich verstehn soll, muß sich in mir organisch entwickeln; und was ich zu lernen scheine, ist nur Nahrung, Inzitament des Organismus.
s-359 Der Sitz der Seele ist da, wo sich Innenwelt und Außenwelt berühren.
s-360 Wo sie sich durchdringen, ist er in jedem Punkte der Durchdringung.
s-361 Wenn man in der Mittheilung der Gedanken zwischen absolutem Verstehen und absolutem Nichtverstehen abwechselt, so darf das schon eine philosophische Freundschaft genannt werden.
s-362 Geht es uns doch mit uns selbst nicht besser.
s-363 Und ist das Leben eines denkenden Menschen wohl etwas andres als eine stete innere Symphilosophie?
s-364 Genie ist das Vermögen von eingebildeten Gegenständen, wie von wirklichen zu handeln, und sie auch wie diese zu behandeln.
s-365 Das Talent darzustellen, genau zu beobachten, zweckmäßig die Beobachtung zu beschreiben, ist also vom Genie verschieden.
s-366 Ohne dieses Talent sieht man nur halb, und ist nur ein halbes Genie;
s-367 man kann genialische Anlage haben, die in Ermangelung jenes Talents nie zur Entwickelung kommt.
s-368 Das willkührlichste Vorurtheil ist, daß dem Menschen das Vermögen außer sich zu seyn, mit Bewußtseyn jenseits der Sinne zu seyn, versagt sey.
s-369 Der Mensch vermag in jedem Augenblicke ein übersinnliches Wesen zu seyn.
s-370 Ohne dies wäre er nicht Weltbürger, er wäre ein Thier.
s-371 Freylich ist die Besonnenheit, Sichselbstfindung, in diesem Zustande sehr schwer, da er so unaufhörlich, so nothwendig mit dem Wechsel unsrer übrigen Zustände verbunden ist.
s-372 Je mehr wir uns aber dieses Zustandes bewußt zu seyn vermögen, desto lebendiger, mächtiger, genügender ist die Überzeugung, die daraus entsteht; der Glaube an ächte Offenbarungen des Geistes.
s-373 Es ist kein Schauen, Hören, Fühlen;
s-374 es ist aus allen dreyen zusammengesezt, mehr als alles Dreyes: eine Empfindung unmittelbarer Gewißheit, eine Ansicht meines wahrhaftesten, eigensten Lebens.
s-375 Für den Schwachen ist das Faktum dieses Moments ein Glaubensartikel.
s-376 Auffallend wird die Erscheinung besonders beym Anblick mancher menschlichen Gestalten und Gesichter, vorzüglich bey der Erblickung mancher Augen, mancher Minen, mancher Bewegungen, beym Hören gewisser Worte, beym Lesen gewisser Stellen, bey gewissen Hinsichten auf Leben, Welt und Schicksal.
s-377 Sehr viele Zufälle, manche Naturereignisse, besonders Jahrs- und Tageszeiten, liefern uns solche Erfahrungen.
s-378 Gewisse Stimmungen sind vorzüglich solchen Offenbarungen günstig.
s-379 Die meisten sind augenblicklich, wenige verweilend, diewenigsten bleibend.
s-380 Hier ist viel Unterschied zwischen den Menschen.
s-381 Einer hat mehr Offenbarungsfähigkeit, als der andere.
s-382 Einer hat mehr Sinn, der andere mehr Verstand für dieselbe.
s-383 Der letzte wird immer in ihrem sanften Lichte bleiben, wenn der erste nur abwechselnde Erleuchtungen, aber hellere und mannichfaltigere hat.
s-384 Dieses Vermögen ist ebenfalls Krankheitsfähig, die entweder Überfluß an Sinn und Mangel an Verstand, oder Überfluß an Verstand und Mangel an Sinn bezeichnet.
s-385 Scham ist wohl ein Gefühl der Profanazion.
s-386 Freundschaft, Liebe und Pietät sollten geheimnißvoll behandelt werden.
s-387 Man sollte nur in seltnen, vertrauten Momenten davon reden, sich stillschweigend darüber einverstehen.
s-388 Selbstentäußerung ist die Quelle aller Erniedrigung, so wie im Gegentheil der Grund aller ächten Erhebung.
s-389 Der erste Schritt wird Blick nach Innen, absondernde Beschauung unsers Selbst.
s-390 Wer hier stehn bleibt, geräth nur halb.
s-391 Der zweyte Schritt muß wirksamer Blick nach Außen, selbstthätige, gehaltne Beobachtung der Außenwelt seyn.
s-392 Derjenige wird nie als Darsteller etwas vorzügliches leisten, der nichts weiter darstellen mag, als seine Erfahrungen, seine Lieblingsgegenstände, der es nicht über sich gewinnen kann, auch einen ganz fremden, ihm ganz uninteressanten Gegenstand, mit Fleiß zu studiren und mit Muße darzustellen.
s-393 Der Darsteller muß alles darstellen können und wollen.
s-394 Dadurch entsteht der große Styl der Darstellung, den man mit Recht an Goethe so sehr bewundert.
s-395 Hat man nun einmal die Liebhaberey fürs Absolute und kann nicht davon lassen: so bleibt einem kein Ausweg, als sich selbst immer zu widersprechen, und entgegengesetzte Extreme zu verbinden.
s-396 Um den Satz des Widerspruchs ist es doch unvermeidlich geschehen, und man hat nur die Wahl, ob man sich dabey leidend verhalten will, oder ob man die Nothwendigkeit durch Anerkennung zur freyen Handlung adeln will.
s-397 Eine merkwürdige Eigenheit Goethe's bemerkt man in seinen Verknüpfungen kleiner, unbedeutender Vorfälle mit wichtigern Begebenheiten.
s-398 Er scheint keine andre Absicht dabey zu hegen, als die Einbildungskraft auf eine poetische Weise mit einem mysteriösen Spiel zu beschäftigen.
s-399 Auch hier ist der sonderbare Genius der Natur auf die Spur gekommen, und hat ihr einen artigen Kunstgriff abgemerkt.
s-400 Das gewöhnliche Leben ist voll ähnlicher Zufälle.
s-401 Sie machen ein Spiel aus, das wie alles Spiel auf Überraschung und Täuschung hinausläuft.

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