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Universal Dependencies - German - LIT

LanguageGerman
ProjectLIT
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AnnotationSalomoni, Alessio

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s-203 Ein gutes Rätsel sollte witzig sein;
s-204 sonst bleibt nichts, sobald das Wort gefunden ist: auch ist 's nicht ohne Reiz, wenn ein witziger Einfall insoweit rätselhaft ist, daß er erraten sein will: nur muß sein Sinn gleich völlig klar werden, sobald er getroffen ist.
s-205 Salz im Ausdruck ist das Pikante, pulverisiert.
s-206 Es gibt grobkörniges und feines.
s-207 Folgendes sind allgemeingültige Grundgesetze der schriftstellerischen Mitteilung: 1)
s-208 Man muß etwas haben, was mitgeteilt werden soll; 2) man muß jemand haben, dem man's mitteilen wollen darf; 3) man muß es wirklich mitteilen, mit ihm teilen können, nicht bloß sich äußern, allein;
s-209 sonst wäre es treffender, zu schweigen.
s-210 Wer nicht selbst ganz neu ist, der beurteilt das Neue, wie alt;
s-211 und das Alte wird einem immer wieder neu, bis man selbst alt wird.
s-212 Welches ist denn nun die poetische Poesie?
s-213 Affektation entspringt nicht so wohl aus dem Bestreben, neu, als aus der Furcht, alt zu sein.
s-214 Alles beurteilen zu wollen, ist eine große Verirrung oder eine kleine Sünde.
s-215 Viele Werke, deren schöne Verkettung man preist, haben weniger Einheit, als ein bunter Haufen von Einfällen, die nur vom Geiste eines Geistes belebt, nach Einem Ziele zielen.
s-216 Diese verbindet doch jenes freie und gleiche Beisammensein, worin sich auch die Bürger des vollkommnen Staats, nach der Versicherung der Weisen, dereinst befinden werden;
s-217 jener unbedingt gesellige Geist, welcher nach der Anmaßung der Vornehmen jetzt nur in dem gefunden wird, was man so seltsam, und beinahe kindisch große Welt zu nennen pflegt.
s-218 Manches Erzeugnis hingegen, an dessen Zusammenhang niemand zweifelt, ist, wie der Künstler selbst sehr wohl weiß, kein Werk, sondern nur Bruchstück, eins oder mehre, Masse, Anlage.
s-219 So mächtig ist aber der Trieb nach Einheit im Menschen, daß der Urheber selbst, was er durchaus nicht vollenden oder vereinigen kann, oft gleich bei der Bildung doch wenigstens ergänzt;
s-220 oft sehr sinnreich und dennoch ganz widernatürlich.
s-221 Das Schlimmste dabei ist, daß alles, was man den gediegenen Stücken, die wirklich da sind, so drüber aufhängt, um einen Schein von Ganzheit zu erkünsteln, meistens nur aus gefärbten Lumpen besteht.
s-222 Sind diese nun auch gut und täuschend geschminkt, und mit Verstand drappiert: so ist's eigentlich um desto schlimmer.
s-223 Dann wird anfänglich auch der Auserwählte getäuscht, welcher tiefen Sinn hat für das wenige tüchtig Gute und Schöne, was noch in Schriften wie in Handlungen sparsam hie und da gefunden wird.
s-224 Er muß nun erst durch Urteil zur richtigen Empfindung gelangen!
s-225 Geschieht die Scheidung auch noch so schnell: so ist doch der erste frische Eindruck einmal weg.
s-226 Was man gewöhnlich Vernunft nennt, ist nur eine Gattung derselben;
s-227 nämlich die dünne und wäßrige.
s-228 Es gibt auch eine dicke feurige Vernunft, welche den Witz eigentlich zum Witz macht, und dem gediegenen Styl das Elastische gibt und das Elektrische.
s-229 Sieht man auf den Geist, nicht auf den Buchstaben: so war das ganze römische Volk, samt dem Senat, und samt allen Triumphatoren und Cäsaren ein Zyniker.
s-230 Nichts ist in seinem Ursprung jämmerlicher und in seinen Folgen gräßlicher, als die Furcht, lächerlich zu sein.
s-231 Daher z.B. die Knechtschaft der Weiber und mancher andre Krebsschaden der Menschheit.
s-232 Die Alten sind Meister der poetischen Abstraktion: die Modernen haben mehr poetische Spekulation.
s-233 Die Sokratische Ironie ist die einzige durchaus unwillkürliche, und doch durchaus besonnene Verstellung.
s-234 Es ist gleich unmöglich sie zu erkünsteln, und sie zu verraten.
s-235 Wer sie nicht hat, dem bleibt sie auch nach dem offensten Geständnis ein Rätsel.
s-236 Sie soll niemanden täuschen, als die, welche sie für Täuschung halten, und entweder ihre Freude haben an der herrlichen Schalkheit, alle Welt zum besten zu haben, oder böse werden, wenn sie ahnden, sie wären wohl auch mit gemeint.
s-237 In ihr soll alles Scherz und alles Ernst sein, alles treuherzig offen, und alles tief verstellt.
s-238 Sie entspringt aus der Vereinigung von Lebenskunstsinn und wissenschaftlichem Geist, aus dem Zusammentreffen vollendeter Naturphilosophie und vollendeter Kunstphilosophie.
s-239 Sie enthält und erregt ein Gefühl von dem unauflöslichen Widerstreit des Unbedingten und des Bedingten, der Unmöglichkeit und Notwendigkeit einer vollständigen Mitteilung.
s-240 Sie ist die freieste aller Lizenzen, denn durch sie setzt man sich über sich selbst weg; und doch auch die gesetzlichste, denn sie ist unbedingt notwendig.
s-241 Es ist ein sehr gutes Zeichen, wenn die harmonisch Platten gar nicht wissen, wie sie diese stete Selbstparodie zu nehmen haben, immer wieder von neuem glauben und mißglauben, bis sie schwindlicht werden, den Scherz grade für Ernst, und den Ernst für Scherz halten.
s-242 Lessings Ironie ist Instinkt;
s-243 bei Hemsterhuys ist's klassisches Studium;
s-244 Hülsens Ironie entspringt aus Philosophie der Philosophie, und kann die jener noch weit übertreffen.
s-245 Milder Witz, oder Witz ohne Pointe, ist ein Privilegium der Poesie, was die Prosa ihr ja lassen muß: denn nur durch die schärfste Richtung auf Einen Punkt kann der einzelne Einfall eine Art von Ganzheit erhalten.
s-246 Sollte die harmonische Ausbildung der Adlichen und der Künstler nicht etwa bloß eine harmonische Einbildung sein?
s-247 Chamfort war, was Rousseau gern scheinen wollte: ein echter Zyniker, im Sinne der Alten mehr Philosoph, als eine ganze Legion trockner Schulweisen.
s-248 Obgleich er sich anfänglich mit den Vornehmen gemein gemacht hatte, lebte er dennoch frei, wie er auch frei und würdig starb, und verachtete den kleinen Ruhm eines großen Schriftstellers.
s-249 Er war Mirabeaus Freund.
s-250 Sein köstlichster Nachlaß sind seine Einfälle und Bemerkungen zur Lebensweisheit; ein Buch voll von gediegenem Witz, tiefem Sinn, zarter Fühlbarkeit, von reifer Vernunft und fester Männlichkeit, und von interessanten Spuren der lebendigsten Leidenschaftlichkeit, und dabei auserlesen und von vollendetem Ausdruck;
s-251 ohne Vergleich das höchste und erste seiner Art.
s-252 Der analytische Schriftsteller beobachtet den Leser, wie er ist;
s-253 danach macht er seinen Kalkül, legt seine Maschinen an, um den gehörigen Effekt auf ihn zu machen.
s-254 Der synthetische Schriftsteller konstruiert und schafft sich einen Leser, wie er sein soll;
s-255 er denkt sich denselben nicht ruhend und tot, sondern lebendig und entgegenwirkend.
s-256 Er läßt das, was er erfunden hat, vor seinen Augen stufenweise werden, oder er lockt ihn es selbst zu erfinden.
s-257 Er will keine bestimmte Wirkung auf ihn machen, sondern er tritt mit ihm in das heilige Verhältnis der innigsten Symphilosophie oder Sympoesie.
s-258 Voß ist in der »Louise« ein Homeride: so ist auch Homer in seiner Übersetzung ein Vosside.
s-259 Es gibt so viele kritische Zeitschriften von verschiedener Natur und mancherlei Absichten!
s-260 Wenn sich doch auch einmal eine Gesellschaft der Art verbinden wollte, welche bloß den Zweck hätte, die Kritik selbst, die doch auch notwendig ist, allmählich zu realisieren.
s-261 Die ganze Geschichte der modernen Poesie ist ein fortlaufender Kommentar zu dem kurzen Text der Philosophie: Alle Kunst soll Wissenschaft, und alle Wissenschaft soll Kunst werden;
s-262 Poesie und Philosophie sollen vereinigt sein.
s-263 Die Deutschen, sagt man, sind, was Höhe des Kunstsinns und des wissenschaftlichen Geistes betrifft, das erste Volk in der Welt.
s-264 Gewiß;
s-265 nur gibt es sehr wenige Deutsche.
s-266 Poesie kann nur durch Poesie kritisiert werden.
s-267 Ein Kunsturteil, welches nicht selbst ein Kunstwerk ist, entweder im Stoff, als Darstellung des notwendigen Eindrucks in seinem Werden, oder durch eine schöne Form, und einen im Geist der alten römischen Satire liberalen Ton, hat gar kein Bürgerrecht im Reiche der Kunst.
s-268 War nicht alles, was abgenutzt werden kann, gleich anfangs schief oder platt?
s-269 Sapphische Gedichte müssen wachsen und gefunden werden.
s-270 Sie lassen sich weder machen, noch ohne Entweihung öffentlich mitteilen.
s-271 Wer es tut, dem fehlt es zugleich an Stolz und an Bescheidenheit.
s-272 An Stolz: indem er sein Innerstes herausreißt, aus der heiligen Stille des Herzens, und es hinwirft unter die Menge, daß sie 's angaffen, roh oder fremd;
s-273 und das für ein lausiges Da capo oder für Friedrichsd'or.
s-274 Unbescheiden aber bleibt's immer, sein Selbst auf die Ausstellung zu schicken, wie ein Urbild.
s-275 Und sind lyrische Gedichte nicht ganz eigentümlich, frei und wahr: so taugen sie nichts, als solche.
s-276 Petrarca gehört nicht hierher: der kühle Liebhaber sagt ja nichts, als zierliche Allgemeinheiten;
s-277 auch ist er romantisch, nicht lyrisch.
s-278 Gäbe es aber auch noch eine Natur so konsequent schön und klassisch, daß sie sich nackt zeigen dürfte, wie Phryne vor allen Griechen: so gibts doch kein Olympisches Publikum mehr für ein solches Schauspiel.
s-279 Auch war es Phryne.
s-280 Nur Zyniker lieben auf dem Markt.
s-281 Man kann ein Zyniker sein und ein großer Dichter: der Hund und der Lorbeer haben gleiches Recht, Horazens Denkmal zu zieren.
s-282 Aber Horazisch ist noch bei weitem nicht Sapphisch.
s-283 Sapphisch ist nie zynisch.
s-284 Wer Goethes »Meister« gehörig charakterisierte, der hätte damit wohl eigentlich gesagt, was es jetzt an der Zeit ist in der Poesie.
s-285 Er dürfte sich, was poetische Kritik betrifft, immer zur Ruhe setzen.
s-286 Die einfachsten und nächsten Fragen, wie: Soll man Shakespeares Werke als Kunst oder als Natur beurteilen? und: Ist das Epos und die Tragödie wesentlich verschieden oder nicht?
s-287 und: Soll die Kunst täuschen oder bloß scheinen? können nicht beantwortet werden ohne die tiefste Spekulation und die gelehrteste Kunstgeschichte.
s-288 Wenn irgend etwas die hohe Idee von Deutschheit rechtfertigen kann, die man hie und da findet: so ist's die entschiedne Vernachlässigung und Verachtung solcher gewöhnlich guten Schriftsteller, die jede andre Nation mit Pomp in ihren Johnson aufnehmen würde, und der ziemlich allgemeine Hang, auch an dem, was sie als das beste erkennen, und was besser ist, als daß die Ausländer es schon gut finden könnten, frei zu tadeln, und es überall recht genau zu nehmen.
s-289 Es ist eine unbesonnene und unbescheidne Anmaßung, aus der Philosophie etwas über die Kunst lernen zu wollen.
s-290 Manche fangen's so an, als ob sie hofften hier etwas Neues zu erfahren;
s-291 da die Philosophie doch weiter nichts kann und können soll, als die gegebnen Kunsterfahrungen und vorhandnen Kunstbegriffe zur Wissenschaft machen, die Kunstansicht erheben, mit Hülfe einer gründlich gelehrten Kunstgeschichte erweitern, und diejenige logische Stimmung auch über diese Gegenstände zu erzeugen, welche absolute Liberalität mit absolutem Rigorismus vereinigt.
s-292 Auch im Innern und Ganzen der größten modernen Gedichte ist Reim, symmetrische Wiederkehr des Gleichen.
s-293 Dies rundet nicht nur vortrefflich, sondern kann auch höchst tragisch wirken.
s-294 Zum Beispiel, die Champagnerflasche und die drei Gläser, welche die alte Barbara in der Nacht vor Wilhelm auf den Tisch setzt.
s-295 Ich möchte es den gigantischen oder den Shakespeareschen Reim nennen: denn Shakespeare ist Meister darin.
s-296 Schon Sophokles glaubte treuherzig, seine dargestellten Menschen seien besser als die wirklichen.
s-297 Wo hat er einen Sokrates dargestellt, einen Solon, Aristides, so unzählig viele andre?
s-298 Wie oft läßt sich nicht diese Frage auch für andre Dichter wiederholen?
s-299 Wie haben nicht auch die größten Künstler wirkliche Helden in ihrer Darstellung verkleinert?
s-300 Und doch ist jener Wahn allgemein geworden, von den Imperatoren der Poesie bis zu den geringsten Liktoren.
s-301 Dichtern mag er auch wohl heilsam sein können, wie jede konsequente Beschränkung, um die Kraft zu kondensieren und zu konzentrieren.
s-302 Ein Philosoph aber, der sich davon anstecken ließe, verdiente wenigstens deportiert zu werden, aus dem Reiche der Kritik.

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