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Universal Dependencies - German - LIT

LanguageGerman
ProjectLIT
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AnnotationSalomoni, Alessio

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s-101 Sie scheinen nach dem Begriff von Tragödie getauft zu sein, der einmal beim Shakespeare vorkommt, aber von großer Allgemeinheit in der modernen Kunstgeschichte ist: eine Tragödie ist ein Drama, worin Pyramus sich selbst umbringt.
s-102 Die Römer sind uns näher und begreiflicher als die Griechen;
s-103 und doch ist echter Sinn für die Römer noch ungleich seltner als der für die Griechen, weil es weniger synthetische als analytische Naturen gibt.
s-104 Denn auch für Nationen gibts einen eignen Sinn;
s-105 für historische wie für moralische Individuen, nicht bloß für praktische Gattungen, Künste oder Wissenschaften.
s-106 Wer etwas Unendliches will, der weiß nicht was er will.
s-107 Aber umkehren läßt sich dieser Satz nicht.
s-108 Ironie ist die Form des Paradoxen.
s-109 Paradox ist alles, was zugleich gut und groß ist.
s-110 Eins der wichtigsten Moyens der dramatischen und romantischen Kunst bei den Engländern sind die Guineen.
s-111 Besonders in der Schlußcadence werden sie stark gebraucht, wenn die Bässe anfangen recht voll zu arbeiten.
s-112 Wie tief doch im Menschen der Hang wurzelt, individuelle oder nationale Eigenheiten zu generalisieren!
s-113 Ist dies allgemeiner französischer Sprachgebrauch?
s-114 Witz als Werkzeug der Rache ist so schändlich, wie Kunst als Mittel des Sinnenkitzels.
s-115 In manchem Gedicht erhält man stellenweise statt der Darstellung nur eine Überschrift, welche anzeigt, daß hier eigentlich dies oder das dargestellt sein sollte, daß der Künstler aber Verhinderung gehabt habe, und ergebenst um gewogene Entschuldigung bittet.
s-116 In Rücksicht auf die Einheit sind die meisten modernen Gedichte Allegorien (Mysterien, Moralitäten,) oder Novellen (Avantüren, Intrigen);
s-117 ein Gemisch, oder eine Verdünnung von diesen.
s-118 Es gibt Schriftsteller die Unbedingtes trinken wie Wasser;
s-119 und Bücher, wo selbst die Hunde sich aufs Unendliche beziehen.
s-120 Ein recht freier und gebildeter Mensch müßte sich selbst nach Belieben philosophisch oder philologisch, kritisch oder poetisch, historisch oder rhetorisch, antik oder modern stimmen können, ganz willkürlich, wie man ein Instrument stimmt, zu jeder Zeit, und in jedem Grade.
s-121 Witz ist logische Geselligkeit.
s-122 Auch gibts Kritiken, die nichts mehr sagen, nur viel weitläuftiger.
s-123 Wie die Menschen lieber groß handeln mögen, als gerecht: so wollen auch die Künstler veredeln und belehren.
s-124 Chamforts Lieblingsgedanke, der Witz sei ein Ersatz der unmöglichen Glückseligkeit, gleichsam ein kleines Prozent, womit die bankerotte Natur sich für die nicht honorierte Schuld des höchsten Gutes abfinde; ist nicht viel glücklicher als der des Shaftesbury, Witz sei der Prüfstein der Wahrheit, oder als das gemeinere Vorurteil, sittliche Veredlung sei der höchste Zweck der schönen Kunst.
s-125 Witz ist Zweck an sich, wie die Tugend, die Liebe und die Kunst.
s-126 Der genialische Mann fühlte, so scheint es, den unendlichen Wert des Witzes, und da die französische Philosophie nicht hinreicht, um dieses zu begreifen, so suchte er sein Höchstes instinktmäßig mit dem, was nach dieser das Erste und Höchste ist, zu verknüpfen.
s-127 Und als Maxime ist der Gedanke, der Weise müsse gegen das Schicksal immer en état d'epigramme sein, schön und echt zynisch.
s-128 Alle klassischen Dichtarten in ihrer strengen Reinheit sind jetzt lächerlich.
s-129 Streng genommen ist der Begriff eines wissenschaftlichen Gedichts wohl so widersinnig, wie der einer dichterischen Wissenschaft.
s-130 Man hat schon so viele Theorien der Dichtarten.
s-131 Warum hat man noch keinen Begriff von Dichtart?
s-132 Vielleicht würde man sich dann mit einer einzigen Theorie der Dichtarten behelfen müssen.
s-133 Nicht die Kunst und die Werke machen den Künstler, sondern der Sinn und die Begeisterung und der Trieb.
s-134 Es bedürfte eines neuen »Laokoon«, um die Grenzen der Musik und der Philosophie zu bestimmen.
s-135 Zur richtigen Ansicht mancher Schriften fehlt es noch an einer Theorie der grammatischen Tonkunst.
s-136 Die Poesie ist eine republikanische Rede;
s-137 eine Rede, die ihr eignes Gesetz und ihr eigner Zweck ist, wo alle Teile freie Bürger sind, und mitstimmen dürfen.
s-138 Die revolutionäre Objektivitätswut meiner frühern philosophischen Musikalien hat etwas weniges von der Grundwut, die unter Reinholds Konsulate in der Philosophie so gewaltig um sich griff.
s-139 In England ist der Witz wenigstens eine Profession, wenn auch keine Kunst.
s-140 Alles wird da zünftig, und selbst die roués dieser Insel sind Pedanten.
s-141 So auch ihre wits, welche die unbedingte Willkür, deren Schein dem Witz das Romantische und Pikante gibt, in die Wirklichkeit einführen, und so auch witzig leben;
s-142 daher ihr Talent zur Tollheit.
s-143 Sie sterben für ihre Grundsätze.
s-144 Wieviel Autoren gibts wohl unter den Schriftstellern?
s-145 Autor heißt Urheber.
s-146 Es gibt auch negativen Sinn, der viel besser ist als Null, aber viel seltner.
s-147 Man kann etwas innig lieben, eben weil mans nicht hat: das gibt wenigstens ein Vorgefühl ohne Nachsatz.
s-148 Selbst entschiedne Unfähigkeit, die man klar weiß, oder gar mit starker Antipathie ist bei reinem Mangel ganz unmöglich, und setzt wenigstens partiale Fähigkeit und Sympathie voraus.
s-149 Gleich dem Platonischen Eros ist also wohl dieser negative Sinn der Sohn des Überflusses und der Armut.
s-150 Er entsteht, wenn einer bloß den Geist hat, ohne den Buchstaben;
s-151 oder umgekehrt, wenn er bloß die Materialien und Förmlichkeiten hat, die trockne harte Schale des produktiven Genies ohne den Kern.
s-152 Im ersten Falle gibts reine Tendenzen, Projekte die so weit sind, wie der blaue Himmel, oder wenn's hoch kömmt, skizzierte Fantasien: im letzten zeigt sich jene harmonisch ausgebildete Kunst-Plattheit, in welcher die größten engländischen Kritiker so klassisch sind.
s-153 Das Kennzeichen der ersten Gattung, des negativen Sinns vom Geiste ist, wenn einer immer wollen muß, ohne je zu können; wenn einer immer hören mag, ohne je zu vernehmen.
s-154 Leute die Bücher schreiben, und sich dann einbilden, ihre Leser wären das Publikum, und sie müßten das Publikum bilden: diese kommen sehr bald dahin, ihr sogenanntes Publikum nicht bloß zu verachten, sondern zu hassen;
s-155 welches zu gar nichts führen kann.
s-156 Sinn für Witz ohne Witz ist doch schon das Abc der Liberalität.
s-157 Eigentlich haben sie's recht gern, wenn ein Dichterwerk ein wenig ruchlos ist, besonders in der Mitte;
s-158 nur muß der Anstand nicht gradezu beleidigt werden, und zuletzt muß alles ein gutes Ende nehmen.
s-159 Was in gewöhnlichen guten oder vortrefflichen Übersetzungen verloren geht, ist grade das Beste.
s-160 Es ist unmöglich, jemanden ein Ärgernis zu geben, wenn er's nicht nehmen will.
s-161 manche Kommentare, wo der Text nur Anstoß oder Nicht-Ich ist, philologische Idyllen.
s-162 Das ist der alte.
s-163 Es gibt einen andern Ehrgeiz, der lieber wie Tassos Gabriel:
s-164 Gabriel, che fra i primi era il secondo;
s-165 Das ist der moderne.
s-166 Maximen, Ideale, Imperative und Postulate sind jetzt bisweilen Rechenpfennige der Sittlichkeit.
s-167 Mancher der vortrefflichsten Romane ist ein Kompendium, eine Enzyclopädie des ganzen geistigen Lebens eines genialischen Individuums;
s-168 Werke die das sind, selbst in ganz andrer Form, wie »Nathan«, bekommen dadurch einen Anstrich vom Roman.
s-169 Auch enthält jeder Mensch, der gebildet ist, und sich bildet, in seinem Innern einen Roman.
s-170 Daß er ihn aber äußre und schreibe, ist nicht nötig.
s-171 Zur Popularität gelangen deutsche Schriften durch einen großen Namen, oder durch Persönlichkeiten, oder durch gute Bekanntschaft, oder durch Anstrengung, oder durch mäßige Unsittlichkeit, oder durch vollendete Unverständlichkeit, oder durch harmonische Plattheit, oder durch vielseitige Langweiligkeit, oder durch beständiges Streben nach dem Unbedingten.
s-172 Ungern vermisse ich in Kants Stammbaum der Urbegriffe die Kategorie Beinahe, die doch gewiß ebensoviel gewirkt hat in der Welt und in der Literatur, und ebensoviel verdorben, als irgendeine andre Kategorie.
s-173 In dem Geiste der Naturskeptiker tingiert sie alle übrigen Begriffe und Anschauungen.
s-174 Es hat etwas Kleinliches, gegen Individuen zu polemisieren, wie der Handel en detail.
s-175 Will er die Polemik nicht en gros treiben, so muß der Künstler wenigstens solche Individuen wählen, die klassisch sind, und von ewig dauerndem Wert.
s-176 Ist auch das nicht möglich, etwa im traurigen Fall der Notwehr: so müssen die Individuen, kraft der polemischen Fiktion, so viel als möglich zu Repräsentanten der objektiven Dummheit, und der objektiven Narrheit idealisiert werden: denn auch diese sind wie alles Objektive, unendlich interessant, wie der höhern Polemik würdige Gegenstände sein müssen.
s-177 Geist ist Naturphilosophie.
s-178 Manieren sind charakteristische Ecken.
s-179 Jeder rechtliche Autor schreibt für niemand, oder für alle.
s-180 Wer schreibt, damit ihn diese und jene lesen mögen, verdient, daß er nicht gelesen werde.
s-181 Der Zweck der Kritik, sagt man, sei, Leser zu bilden!
s-182 Wer gebildet sein will, mag sich doch selbst bilden.
s-183 Dies ist unhöflich: es steht aber nicht zu ändern.
s-184 Da die Poesie unendlich viel wert ist, so sehe ich nicht ein, warum sie auch noch bloß mehr wert sein soll, wie dies und jenes, was auch unendlich viel wert ist.
s-185 Es gibt Künstler, welche nicht etwa zu groß von der Kunst denken, denn das ist unmöglich, aber doch nicht frei genug sind, sich selbst über ihr Höchstes zu erheben.
s-186 Nichts ist pikanter, als wenn ein genialischer Mann Manieren hat;
s-187 nämlich wenn er sie hat: aber gar nicht, wenn sie ihn haben;
s-188 das führt zur geistigen Versteinerung.
s-189 Sollte es nicht überflüssig sein, mehr als Einen Roman zu schreiben, wenn der Künstler nicht etwa ein neuer Mensch geworden ist?
s-190 Offenbar gehören nicht selten alle Romane eines Autors zusammen, und sind gewissermaßen nur ein Roman.
s-191 Witz ist eine Explosion von gebundnem Geist.
s-192 Die Alten sind weder die Juden, noch die Christen, noch die Engländer der Poesie.
s-193 Sie sind nicht ein willkürlich auserwähltes Kunstvolk Gottes;
s-194 noch haben sie den alleinseligmachenden Schönheitsglauben; noch besitzen sie ein Dichtungsmonopol.
s-195 Auch der Geist kann, wie das Tier, nur in einer aus reiner Lebensluft und Azote gemischten Atmosphäre atmen.
s-196 Dies nicht ertragen und begreifen zu können, ist das Wesen der Torheit;
s-197 es schlechthin nicht zu wollen, der Anfang der Narrheit.
s-198 In den Alten sieht man den vollendeten Buchstaben der ganzen Poesie: in den Neuern ahnet man den werdenden Geist.
s-199 Mittelmäßige Autoren, die ein kleines Buch so ankündigen, als ob sie einen großen Riesen wollten sehen lassen, sollten von der literarischen Polizei genötigt werden, ihr Produkt mit dem Motto stempeln zu lassen: This is the greatest elephant in the world, except himself.
s-200 Die harmonische Plattheit kann dem Philosophen sehr nützlich werden, als ein heller Leuchtturm für noch unbefahrne Gegenden des Lebens, der Kunst oder der Wissenschaft.

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