s-102
| Humor ist eine willkührlich angenommene Manier. |
s-103
| Das Willkührliche ist das Pikante daran: Humor ist Resultat einer freyen Vermischung des Bedingten und Unbedingten. |
s-104
| Durch Humor wird das eigenthümlich Bedingte allgemein interessant, und erhält objektiven Werth. |
s-105
| Persifflage gehört zum Humor, ist aber um einen Grad geringer: es ist nicht mehr rein artistisch, und viel beschränkter. |
s-106
| Was Fr. Schlegel als Ironie karakterisirt, ist meinem Bedünken nach nichts anders als die Folge, der Karakter der Besonnenheit, der wahrhaften Gegenwart des Geistes. |
s-107
| Schlegels Ironie scheint mir ächter Humor zu seyn. |
s-108
| Mehre Nahmen sind einer Idee vortheilhaft. |
s-109
| Das Unbedeutende, Gemeine, Rohe, Häßliche, Ungesittete, wird durch Witz allein Gesellschaftfähig. |
s-110
| Es ist gleichsam nur um des Witzes willen: seine Zweckbestimmung ist der Witz. |
s-111
| Um das Gemeine, wenn man nicht selbst gemein ist, mit der Kraft und mit der Leichtigkeit zu behandeln, aus der die Anmuth entspringt, muß man nichts sonderbarer finden als das Gemeine, und Sinn fürs Sonderbare haben, viel darin suchen und ahnden. |
s-112
| Wir sind auf einer Mißion: zur Bildung der Erde sind wir berufen. |
s-113
| Wenn uns ein Geist erschiene, so würden wir uns sogleich unsrer eignen Geistigkeit bemächtigen: wir würden inspirirt seyn durch uns und den Geist zugleich. |
s-114
| Ohne Inspirazion keine Geistererscheinung. |
s-115
| Inspirazion ist Erscheinung und Gegenerscheinung, Zueignung, und Mittheilung zugleich. |
s-116
| Der Mensch lebt, wirkt nur in der Idee fort, durch die Erinnerung an sein Daseyn. |
s-117
| Vor der Hand giebts kein anderes Mittel der Geisterwirkungen auf dieser Welt. |
s-118
| Daher ist es Pflicht an die Verstorbenen zu denken. |
s-119
| Es ist der einzige Weg in Gemeinschaft mit ihnen zu bleiben. |
s-120
| Gott selbst ist auf keine andere Weise bey uns wirksam als durch den Glauben. |
s-121
| Interesse ist Theilnahme an dem Leiden und der Thätigkeit eines Wesens. |
s-122
| Mich interessirt etwas, wenn es mich zur Theilnahme zu erregen weiß. |
s-123
| Kein Interesse ist interessanter, als was man an sich selbst nimmt; |
s-124
| so wie der Grund einer merkwürdigen Freundschaftund Liebe die Theilnahme ist, zu der mich ein Mensch reizt, der mit sich selbst beschäftigt ist, der mich durch seine Mittheilung gleichsam einladet, an seinem Geschäfte Theil zu nehmen. |
s-125
| Wer den Witz erfunden haben mag? |
s-126
| Jede zur Besinnung gebrachte Eigenschaft, Handlungsweise unsers Geistes ist im eigentlichsten Sinn eine neuentdeckte Welt. |
s-127
| Der Geist erscheint immer nur in fremder, luftiger Gestalt. |
s-128
| Jetzt regt sich nur hie und da Geist: wann wird der Geist sich im Ganzen regen? wann wird die Menschheit in Masse sich selbst zu besinnen anfangen? |
s-129
| Der Mensch besteht in der Wahrheit. |
s-130
| Giebt er die Wahrheit preis, so giebt er sich selbst preis. |
s-131
| Wer die Wahrheit verräth, verräth sich selbst. |
s-132
| Es ist hier nicht die Rede vom Lügen, sondern vom Handeln gegen Überzeugung. |
s-133
| In heitern Seelen giebts keinen Witz. |
s-134
| Witz zeigt ein gestörtes Gleichgewicht an: er ist die Folge der Störung und zugleich das Mittel der Herstellung. |
s-135
| Den stärksten Witz hat die Leidenschaft. |
s-136
| Der Zustand der Auflösung aller Verhältnisse, die Verzweiflung oder das geistige Sterben ist am fürchterlichsten witzig. |
s-137
| Von einem liebenswerthen Gegenstande können wir nicht genug hören, nicht genug sprechen. |
s-138
| Wir freuen uns über jedes neue, treffende, verherrlichende Wort. |
s-139
| Es liegt nicht an uns, daß er nicht Gegenstand aller Gegenstände wird. |
s-140
| Wir halten einen leblosen Stoff wegen seiner Beziehungen, seiner Formen fest. |
s-141
| Wir lieben den Stoff, in so fern er zu einem geliebten Wesen gehört, seine Spur trägt, oder Ähnlichkeit mit ihm hat. |
s-142
| Ein ächter Klub ist eine Mischung von Institut und Gesellschaft. |
s-143
| Er hat einen Zweck, wie das Institut; |
s-144
| aber keinen bestimmten, sonderneinen unbestimmten, freyen: Humanität überhaupt. |
s-145
| Aller Zweck ist ernsthaft; |
s-146
| die Gesellschaft ist durchaus fröhlich. |
s-147
| Die Gegenstände der gesellschaftlichen Unterhaltung sind nichts, als Mittel der Belebung. |
s-148
| Dieß bestimmt ihre Wahl, ihren Wechsel, ihre Behandlung. |
s-149
| Die Gesellschaft ist nichts, als gemeinschaftliches Leben: eine untheilbare denkende und fühlende Person. |
s-150
| Jeder Mensch ist eine kleine Gesellschaft. |
s-151
| In sich zurückgehn, bedeutet bey uns, von der Außenwelt abstrahiren. |
s-152
| Bey den Geistern heißt analogisch, das irdische Leben eine innere Betrachtung, ein in sich Hineingehn, ein immanentes Wirken. |
s-153
| So entspringt das irdische Leben aus einer ursprünglichen Reflexion, einem primitiven Hineingehn, Sammeln in sich selbst, das so frey ist, als unsre Reflexion. |
s-154
| Umgekehrt entspringt das geistige Leben in dieser Welt aus einem Durchbrechen jener primitiven Reflexion. |
s-155
| Der Geist entfaltet sich wiederum, geht aus sich selbst wieder heraus, hebt zum Theil jene Reflexion wieder auf, und in diesem Moment sagt er zum erstenmal Ich. |
s-156
| Man sieht hier, wie relativ das Herausgehn und Hineingehn ist. |
s-157
| Was wir Hineingehn nennen, ist eigentlich Herausgehn, eine Wiederannahme der anfänglichen Gestalt. |
s-158
| Ob sich nicht etwas für die neuerdings so sehr gemißhandelten Alltagsmenschen sagen ließe? |
s-159
| Gehört nicht zur beharrlichen Mittelmäßigkeit die meiste Kraft? und soll der Mensch mehr als einer aus dem Popolo seyn? |
s-160
| Wo ächter Hang zum Nachdenken, nicht bloß zum Denken dieses oder jenes Gedankens, herrschend ist, da ist auch Progreßivität. |
s-161
| Sehr viele Gelehrte besitzen diesen Hang nicht. |
s-162
| Sie haben schließen und folgern gelernt, wie ein Schuster das Schuhmachen, ohne je auf den Einfall zu gerathen, oder sich zu bemühen, den Grund der Gedanken zu finden. |
s-163
| Dennoch liegt das Heil auf keinem andern Wege. |
s-164
| Bey vielen währt dieser Hang nur eine Zeitlang. |
s-165
| Er wächst und nimmt ab, sehr oft mit den Jahren, oft mit dem Fund eines Systems, das sie nur suchten, um der Mühe des Nachdenkens ferner überhoben zu seyn. |
s-166
| Irrthum und Vorurtheil sind Lasten, indirekt reizende Mittel für den Selbstthätigen, jeder Last gewachsenen. |
s-167
| Für den Schwachen sind sie positiv schwächende Mittel. |
s-168
| Das Volk ist eine Idee. |
s-169
| Wir sollen ein Volk werden. |
s-170
| Ein vollkommener Mensch ist ein kleines Volk. |
s-171
| Ächte Popularität ist das höchste Ziel des Menschen. |
s-172
| Jede Stufe der Bildung fängt mit Kindheit an. |
s-173
| Daher ist der am meisten gebildete, irdische Mensch dem Kinde so ähnlich. |
s-174
| Jeder geliebte Gegenstand ist der Mittelpunkt eines Paradieses. |
s-175
| Das Interessante ist, was mich, nicht um mein selbst willen, sondern nur als Mittel, als Glied, in Bewegung setzt. |
s-176
| Das Klassische stört mich gar nicht; |
s-177
| es afficirt mich nur indirect durch mich selbst. |
s-178
| Es ist nicht für mich da, als klassisch, wenn ich es nicht setze, als ein solches, das mich nicht afficiren würde, wenn ich mich nicht selbst zur Hervorbringung desselben für mich, bestimmte, anregte; wenn ich nicht ein Stück von mir selbst losrisse, und diesen Keim sich auf eine eigenthümliche Weise vor meinen Augen entwickeln ließe. |
s-179
| Eine Entwickelung, die oft nur einen Moment bedarf, und mit der sinnlichen Wahrnehmung des Objects zusammen fällt, so daß ich ein Object vor mir sehe, in welchem das gemeine Object und das Ideal, wechselseitig durchdrungen, nur Ein wunderbares Individuum bilden. |
s-180
| Formeln für Kunstindividuen finden, durch die sie im eigentlichsten Sinn erst verstanden werden, macht das Geschäft des artistischen Kritikers aus, dessen Arbeiten die Geschichte der Kunst vorbereiten. |
s-181
| Je verworrener ein Mensch ist, man nennt die Verworrenen oft Dummköpfe, desto mehr kann durch fleißiges Selbststudium aus ihm werden; |
s-182
| dahingegen die geordneten Köpfe trachten müssen, wahre Gelehrte, gründliche Encyklopädisten zu werden. |
s-183
| Die Verworrnen haben im Anfang mit mächtigen Hindernissen zu kämpfen, sie dringennur langsam ein, sie lernen mit Mühe arbeiten: dann aber sind sie auch Herrn und Meister auf immer. |
s-184
| Der Geordnete kommt geschwind hinein, aber auch geschwind heraus. |
s-185
| Er erreicht bald die zweyte Stufe: aber da bleibt er auch gewöhnlich stehn. |
s-186
| Ihm werden die letzten Schritte beschwerlich, und selten kann er es über sich gewinnen, schon bey einem gewissen Grade von Meisterschaft sich wieder in den Zustand eines Anfängers zu versetzen. |
s-187
| Verworrenheit deutet auf Überfluß an Kraft und Vermögen, aber mangelhafte Verhältnisse; |
s-188
| Bestimmtheit, auf richtige Verhältnisse, aber sparsames Vermögen und Kraft. |
s-189
| Daher ist der Verworrne so progressiv, so perfektibel, dahingegen der Ordentliche so früh als Philister aufhört. |
s-190
| Ordnung und Bestimmtheit allein ist nicht Deutlichkeit. |
s-191
| Durch Selbstbearbeitung kommt der Verworrene zu jener himmlischen Durchsichtigkeit, zu jener Selbsterleuchtung, die der Geordnete so selten erreicht. |
s-192
| Das wahre Genie verbindet diese Extreme. |
s-193
| Es theilt die Geschwindigkeit mit dem letzten und die Fülle mit dem ersten. |
s-194
| Das Individuum interessirt nur, daher ist alles Klassische nicht individuell. |
s-195
| Der wahre Brief ist seiner Natur nach poetisch. |
s-196
| Witz, als Prinzip der Verwandtschaften ist zugleich das menstruum universale. |
s-197
| Witzige Vermischungen sind z.B. Jude und Kosmopolit, Kindheit und Weisheit, Räuberey und Edelmuth, Tugend und Hetärie, Überfluß und Mangel an Urtheilskraft in der Naivetät und so fort ins Unendliche. |
s-198
| Der Mensch erscheint am würdigsten, wenn sein erster Eindruck der Eindruck eines absolut witzigen Einfalls ist: nemlich Geist und bestimmtes Individuum zugleich zu seyn. |
s-199
| Einen jeden vorzüglichen Menschen muß gleichsam ein Geist zu durchschweben scheinen, der die sichtbare Erscheinung idealisch parodirt. |
s-200
| Bey manchen Menschenist es als ob dieser Geist der sichtbaren Erscheinung ein Gesicht schnitte. |
s-201
| Gesellschaftstrieb ist Organisationstrieb. |