s-201
| Poetischer Schein ist Spiel der Vorstellungen, und Spiel ist Schein von Handlungen. |
s-202
| Was in der Poesie geschieht, geschieht nie, oder immer. |
s-203
| Sonst ist es keine rechte Poesie. |
s-204
| Man darf nicht glauben sollen, daß es jetzt wirklich geschehe. |
s-205
| Die Frauen haben durchaus keinen Sinn für die Kunst, wohl aber für die Poesie. |
s-206
| Sie haben keine Anlage zur Wissenschaft, wohl aber zur Philosophie. |
s-207
| An Spekulation, innerer Anschauung des Unendlichen fehlts ihnen gar nicht; nur an Abstraktion, die sich weit eher lernen läßt. |
s-208
| Daß man eine Philosophie annihiliert, wobei sich der Unvorsichtige leicht gelegentlich selbst mit annihilieren kann, oder daß man ihr zeigt, sie annihiliere sich selbst, kann ihr wenig schaden. |
s-209
| Ist sie wirklich Philosophie, so wird sie doch wie ein Phönix aus ihrer eignen Asche immer wieder aufleben. |
s-210
| Nach dem Weltbegriffe ist jeder ein Kantianer, der sich auch für die neueste deutsche philosophische Literatur interessiert. |
s-211
| Nach dem Schulbegriffe ist nur der ein Kantianer, der glaubt, Kant sei die Wahrheit, und der, wenn die Königsberger Post einmal verunglückte, leicht einige Wochen ohne Wahrheit sein könnte. |
s-212
| Nach dem veralteten Sokratischen Begriffe, da die, welche sich den Geist des großen Meisters selbständig angeeignet, und angebildet hatten, seine Schüler hießen, und als Söhne seines Geistes nach ihm genannt wurden, dürfte es nur wenige Kantianer geben. |
s-213
| Schellings Philosophie, die man kritisierten Mystizismus nennen könnte, endigt, wie der »Prometheus« des Äschylus, mit Erdbeben und Untergang. |
s-214
| Die moralische Würdigung ist der ästhetischen völlig entgegengesetzt. |
s-215
| Dort gilt der gute Wille alles, hier gar nichts. |
s-216
| Der gute Wille witzig zu sein, zum Beispiel, ist die Tugend eines Pagliaß. |
s-217
| Das Wollen beim Witze darf nur darin bestehen, daß man die konventionellen Schranken aufhebt, und den Geist frei läßt. |
s-218
| Am witzigsten aber müßte der sein, der es nicht nur ohne es zu wollen, sondern wider seinen Willen wäre, so wie der bienfaisant bourru eigentlich der allergutmütigste Charakter ist. |
s-219
| Das stillschweigends vorausgesetzte, und wirklich erste Postulat aller Kantianischen Harmonien der Evangelisten, lautet: Kants Philosophie soll mit sich selbst übereinstimmen. |
s-220
| Schön ist, was zugleich reizend und erhaben ist. |
s-221
| Es gibt eine Mikrologie, und einen Glauben an Autorität, die Charakterzüge der Größe sind. |
s-222
| Das ist die vollendende Mikrologie des Künstlers, und der historische Glaube an die Autorität der Natur. |
s-223
| Es ist ein erhabener Geschmack, immer die Dinge in der zweiten Potenz vorzuziehn. |
s-224
| Z.B. Kopien von Nachahmungen, Beurteilungen von Rezensionen, Zusätze zu Ergänzungen, Kommentare zu Noten. |
s-225
| Uns Deutschen ist er vorzüglich eigen, wo es aufs Verlängern ankommt; den Franzosen, wo Kürze und Leerheit dadurch begünstigt wird. |
s-226
| Ihr wissenschaftlicher Unterricht pflegt wohl die Abkürzung eines Auszugs zu sein, und das höchste Produkt ihrer poetischen Kunst, ihre Tragödie, ist nur die Formel einer Form. |
s-227
| Die Lehren welche ein Roman geben will, müssen solche sein, die sich nur im Ganzen mitteilen, nicht einzeln beweisen, und durch Zergliederung erschöpfen lassen. |
s-228
| Sonst wäre die rhetorische Form ungleich vorzüglicher. |
s-229
| Die Philosophen welche nicht gegeneinander sind, verbindet gewöhnlich nur Sympathie, nicht Symphilosophie. |
s-230
| Eine Klassifikation ist eine Definition, die ein System von Definitionen enthält. |
s-231
| Eine Definition der Poesie kann nur bestimmen, was sie sein soll, nicht was sie in der Wirklichkeit war und ist; sonst würde sie am kürzesten so lauten: Poesie ist, was man zu irgendeiner Zeit, an irgendeinem Orte so genannt hat. |
s-232
| Daß es den Adel vaterländischer Festgesänge nicht entweihen kann, wenn sie tüchtig bezahlt werden, beweisen die Griechen und Pindar. |
s-233
| Daß aber das Bezahlen nicht allein selig macht, beweisen die Engländer, die wenigstens darin die Alten haben nachahmen wollen. |
s-234
| Die Schönheit ist also doch in England nicht käuflich und verkäuflich, wenn auch die Tugend. |
s-235
| Die romantische Poesie ist eine progressive Universalpoesie. |
s-236
| Ihre Bestimmung ist nicht bloß, alle getrennte Gattungen der Poesie wieder zu vereinigen, und die Poesie mit der Philosophie und Rhetorik in Berührung zu setzen. |
s-237
| Sie will, und soll auch Poesie und Prosa, Genialität und Kritik, Kunstpoesie und Naturpoesie bald mischen, bald verschmelzen, die Poesie lebendig und gesellig, und das Leben und die Gesellschaft poetisch machen, den Witz poetisieren, und die Formen der Kunst mit gediegnem Bildungsstoff jeder Art anfüllen und sättigen, und durch die Schwingungen des Humors beseelen. |
s-238
| Sie umfaßt alles, was nur poetisch ist, vom größten wieder mehre Systeme in sich enthaltenden Systeme der Kunst, bis zu dem Seufzer, dem Kuß, den das dichtende Kind aushaucht in kunstlosen Gesang. |
s-239
| Sie kann sich so in das Dargestellte verlieren, daß man glauben möchte, poetische Individuen jeder Art zu charakterisieren, sei ihr Eins und Alles; und doch gibt es noch keine Form, die so dazu gemacht wäre, den Geist des Autors vollständig auszudrücken: so daß manche Künstler, die nur auch einen Roman schreiben wollten, von ungefähr sich selbst dargestellt haben. |
s-240
| Nur sie kann gleich dem Epos ein Spiegel der ganzen umgebenden Welt, ein Bild des Zeitalters werden. |
s-241
| Und doch kann auch sie am meisten zwischen dem Dargestellten und dem Darstellenden, frei von allem realen und idealen Interesse auf den Flügeln der poetischen Reflexion in der Mitte schweben, diese Reflexion immer wieder potenzieren und wie in einer endlosen Reihe von Spiegeln vervielfachen. |
s-242
| Sie ist der höchsten und der allseitigsten Bildung fähig; nicht bloß von innen heraus, sondern auch von außen hinein; indem sie jedem, was ein Ganzes in ihren Produkten sein soll, alle Teile ähnlich organisiert, wodurch ihr die Aussicht auf eine grenzenlos wachsende Klassizität eröffnet wird. |
s-243
| Die romantische Poesie ist unter den Künsten was der Witz der Philosophie, und die Gesellschaft, Umgang, Freundschaft und Liebe im Leben ist. |
s-244
| Andre Dichtarten sind fertig, und können nun vollständig zergliedert werden. |
s-245
| Die romantische Dichtart ist noch im Werden; ja das ist ihr eigentliches Wesen, daß sie ewig nur werden, nie vollendet sein kann. |
s-246
| Sie kann durch keine Theorie erschöpft werden, und nur eine divinatorische Kritik dürfte es wagen, ihr Ideal charakterisieren zu wollen. |
s-247
| Sie allein ist unendlich, wie sie allein frei ist, und das als ihr erstes Gesetz anerkennt, daß die Willkür des Dichters kein Gesetz über sich leide. |
s-248
| Die romantische Dichtart ist die einzige, die mehr als Art, und gleichsam die Dichtkunst selbst ist: denn in einem gewissen Sinn ist oder soll alle Poesie romantisch sein. |
s-249
| Werke, deren Ideal für den Künstler nicht ebensoviel lebendige Realität, und gleichsam Persönlichkeit hat, wie die Geliebte oder der Freund, blieben besser ungeschrieben. |
s-250
| Wenigstens Kunstwerke werden es gewiß nicht. |
s-251
| Es ist nicht einmal ein feiner, sondern eigentlich ein recht grober Kitzel des Egoismus, wenn alle Personen in einem Roman sich um Einen bewegen wie Planeten um die Sonne, der dann gewöhnlich des Verfassers unartiges Schoßkind ist, und der Spiegel und Schmeichler des entzückten Lesers wird. |
s-252
| Wie ein gebildeter Mensch nicht bloß Zweck sondern auch Mittel ist für sich und für andre, so sollten auch im gebildeten Gedicht alle zugleich Zweck und Mittel sein. |
s-253
| Die Verfassung sei republikanisch, wobei immer erlaubt bleibt, daß einige Teile aktiv andre passiv sein. |
s-254
| Auch solche Bilder der Sprache, die bloß Eigensinn scheinen, haben oft tiefe Bedeutung. |
s-255
| Was für eine Analogie, könnte man denken, ist wohl zwischen Massen von Gold oder Silber, und Fertigkeiten des Geistes, die so sicher und so vollendet sind, daß sie willkürlich werden, und so zufällig entstanden, daß sie angeboren scheinen können? |
s-256
| Und doch fällt es in die Augen, daß man Talente nur hat, besitzt, wie Sachen, die doch ihren soliden Wert behalten, wenn sie gleich den Inhaber selbst nicht adeln können. |
s-257
| Genie kann man eigentlich nie haben, nur sein. |
s-258
| Auch gibt es keinen Pluralis von Genie, der hier schon im Singularis steckt. |
s-259
| Genie ist nemlich ein System von Talenten. |
s-260
| Den Witz achten sie darum so wenig, weil seine Äußerungen nicht lang, und nicht breit genug sind, denn ihre Empfindung ist nur eine dunkel vorgestellte Mathematik; und weil sie dabei lachen, welches gegen den Respekt wäre, wenn der Witz wahre Würde hätte. |
s-261
| Der Witz ist wie einer, der nach der Regel repräsentieren sollte, und statt dessen bloß handelt. |
s-262
| Eine Idee ist ein bis zur Ironie vollendeter Begriff, eine absolute Synthesis absoluter Antithesen, der stete sich selbst erzeugende Wechsel zwei streitender Gedanken. |
s-263
| Ein Ideal ist zugleich Idee und Faktum. |
s-264
| Haben die Ideale für den Denker nicht so viel Individualität wie die Götter des Altertums für den Künstler, so ist alle Beschäftigung mit Ideen nichts als ein langweiliges und mühsames Würfelspiel mit hohlen Formeln, oder ein nach Art der chinesischen Bonzen, hinbrütendes Anschauen seiner eignen Nase. |
s-265
| Nichts ist kläglicher und verächtlicher als diese sentimentale Spekulation ohne Objekt. |
s-266
| Nur sollte man das nicht Mystik nennen, da dies schöne alte Wort für die absolute Philosophie, auf deren Standpunkte der Geist alles als Geheimnis und als Wunder betrachtet, was er aus andern Gesichtspunkten theoretisch und praktisch natürlich findet, so brauchbar und so unentbehrlich ist. |
s-267
| Spekulation en detail ist so selten als Abstraktion en gros, und doch sind sie es, die allen Stoff des wissenschaftlichen Witzes erzeugen, sie die Prinzipien der höhern Kritik, die obersten Stufen der geistigen Bildung. |
s-268
| Die große praktische Abstraktion macht die Alten, bei denen sie Instinkt war, eigentlich zu Alten. |
s-269
| Umsonst war es, daß die Individuen das Ideal ihrer Gattung vollständig ausdrückten, wenn nicht auch die Gattungen selbst, streng und scharf isoliert, und ihrer Originalität gleichsam frei überlassen waren. |
s-270
| Wenn Bürgern ein neues Buch von der Art vorkam, die einen weder kalt noch warm macht, so pflegte er zu sagen: es verdiene in der Bibliothek der schönen Wissenschaften gepriesen zu werden. |
s-271
| Sollte die Poesie nicht unter andern auch deswegen die höchste und würdigste aller Künste sein, weil nur in ihr Dramen möglich sind? |
s-272
| Wenn man einmal aus Psychologie Romane schreibt oder Romane liest, so ist es sehr inkonsequent, und klein, auch die langsamste und ausführlichste Zergliederung unnatürlicher Lüste, gräßlicher Marter, empörender Infamie, ekelhafter sinnlicher oder geistiger Impotenz scheuen zu wollen. |
s-273
| Vielleicht würde eine ganz neue Epoche der Wissenschaften und Künste beginnen, wenn die Symphilosophie und Sympoesie so allgemein und so innig würde, daß es nichts Seltnes mehr wäre, wenn mehre sich gegenseitig ergänzende Naturen gemeinschaftliche Werke bildeten. |
s-274
| Oft kann man sich des Gedankens nicht erwehren, zwei Geister möchten eigentlich zusammengehören, wie getrennte Hälften, und nur verbunden alles sein, was sie könnten. |
s-275
| Gäbe es eine Kunst, Individuen zu verschmelzen, oder könnte die wünschende Kritik etwas mehr als wünschen, wozu sie überall so viel Veranlassung findet, so möchte ich Jean Paul und Peter Leberecht kombiniert sehen. |
s-276
| Grade alles, was jenem fehlt, hat dieser. |
s-277
| Jean Pauls groteskes Talent und Peter Leberechts fantastische Bildung vereinigt, würden einen vortrefflichen romantischen Dichter hervorbringen. |
s-278
| Alle nationale und auf den Effekt gemachte Dramen sind romantisierte Mimen. |
s-279
| Klopstock ist ein grammatischer Poet, und ein poetischer Grammatiker. |
s-280
| Nichts ist kläglicher, als sich dem Teufel umsonst ergeben; zum Beispiel schlüpfrige Gedichte machen, die nicht einmal vortrefflich sind. |
s-281
| Manche Theoristen vergessen bei Fragen, wie die über den Gebrauch des Sylbenmaßes im Drama allzusehr, daß die Poesie überhaupt nur eine schöne Lüge ist, von der es aber dafür auch heißen kann: |
s-282
| Es gibt auch grammatische Mystiker. |
s-283
| Moritz war einer. |
s-284
| Der Dichter kann wenig vom Philosophen, dieser aber viel von ihm lernen. |
s-285
| Es ist sogar zu befürchten, daß die Nachtlampe des Weisen den irre führen möchte, der gewohnt ist im Licht der Offenbarung zu wandeln. |
s-286
| Dichter sind doch immer Narzisse. |
s-287
| Es ist als wenn die Weiber alles mit eignen Händen machten, und die Männer mit dem Handwerksgerät. |
s-288
| Das männliche Geschlecht wird nicht eher durch das weibliche verbessert werden, als bis die Geschlechtsfolge der Nayren nach den Müttern eingeführt sein wird. |
s-289
| Zuweilen nimmt man doch einen Zusammenhang zwischen den getrennten, und oft sich widersprechenden Teilen unsrer Bildung gewahr. |
s-290
| So scheinen die besseren Menschen in unsern moralischen Dramen aus den Händen der neuesten Pädagogik zu kommen. |
s-291
| Es gibt Geister, denen es bei großer Anstrengung und bestimmter Richtung ihrer Kraft an Biegsamkeit fehlt. |
s-292
| Sie werden entdecken, aber weniges, und in Gefahr sein diese Lieblingssätze immer zu wiederholen. |
s-293
| Man dringt nicht tief, wenn man einen Bohrer mit großer Gewalt gegen ein Brett drückt, ohne ihn umzudrehen. |
s-294
| Es gibt eine materiale, enthusiastische Rhetorik die unendlich weit erhaben ist über den sophistischen Mißbrauch der Philosophie, die deklamatorische Stylübung, die angewandte Poesie, die improvisierte Politik, welche man mit demselben Namen zu bezeichnen pflegt. |
s-295
| Ihre Bestimmung ist, die Philosophie praktisch zu realisieren, und die praktische Unphilosophie und Antiphilosophie nicht bloß dialektisch zu besiegen, sondern real zu vernichten. |
s-296
| Rousseau und Fichte verbieten auch denen, die nicht glauben, wo sie nicht sehen, dies Ideal für chimärisch zu halten. |
s-297
| Die Tragiker setzen die Szene ihrer Dichtungen fast immer in die Vergangenheit. |
s-298
| Warum sollte dies schlechthin notwendig, warum sollte es nicht auch möglich sein, die Szene in die Zukunft zu setzen, wodurch die Fantasie mit einem Streich von allen historischen Rücksichten und Einschränkungen befreit würde? |
s-299
| Aber freilich müßte ein Volk, das die beschämenden Gestalten einer würdigen Darstellung der bessern Zukunft ertragen sollte, mehr als eine republikanische Verfassung, es müßte eine liberale Gesinnung haben. |
s-300
| Aus dem romantischen Gesichtspunkt haben auch die Abarten der Poesie, selbst die ekzentrischen und monströsen, ihren Wert, als Materialien und Vorübungen der Universalität, wenn nur irgendetwas drin ist, wenn sie nur original sind. |