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XLHI
Stelle habe ich eine ganz zutreffende Hieronymus- Parallele jedoch nicht heraus-
finden können, eine völlig übereinstimmende aber bei Nicolaus von Lyra.
Der Hiob-Kommentar in der bekannten Postilla des Nic. v. Lyra war in der Tat,
obschon nirgends namhaft gemacht, nächst dem Vulgatatext die wichtigste Quelle un-
serer Paraphrase. Da dieser Autor in der oben besprochenen Prophetenübersetzung an
zwei verschiedenen Stellen bei Namen genannt ist (vgl. oben S. X und XI Anm.),
konnte die Vermutung, dap er auch für einem anderem Teil des Kodex benutzt
wäre, nicht ganz fern liegen. Schon in der Vorrede kommen an ein paar Stellen
Anklänge an Lyra vor, nämlich v. 351 ff., wozu Nicolaus Vorrede (' Argumentum)
zu vergleichen ist, sowie v. 441 ff., wo die genealogischen Angaben über Hiob ent-
weder aus Hieronymus Hiob-Kommentar, Kap. 1 (eig. aus seiner Schrift De
Hebraicis quaestionibus) oder — wahrscheinlicher — aus dem I. Kap. bei Nicolaus
stammen. Die Auslegungen zu Kap. I verweisen sonst durch nichts auf besondere
Beziehungen zu Lyra. Im Kap. 2 begegnen wieder (v. 900 ff., 924 ff., 934 ff.)
gewisse Anklänge an Lyra, die aber durchaus zu schwach sind, um bestimmte Schlüsse
über die Abhängigkeit zu gestatten; Lyra hat hier lange Kommentarien (z. B.
zu v. 13) ohne jede Entsprechung bei dem Dichter. Aber das 3. Kapitel mit seinen
langen Hinleitungen und vielen Textauslegungen läßt die Abhängigkeit schon klarer
in die Augen springen, und in der Fortsetzung des Gedichtes steigert sich diese
Beeinflussung immer mehr. Nach der Vorrede und den zwei ersten Kapiteln
der Paraphrase zu urteilen, hat der Dichter die Lyraschen Auslegungen schon
von Anfang an gekannt, aber eine eingehende Verwertung derselben scheint nicht in
seinem Plane gelegen zu haben‘). Eine Tendenz zur Freiheit gegenüber den Quellen
könnte etwa schon in der willkürlichen Trennung der V. 13—22 vom Kap. 1 (vgl.
oben) zu Tage treten, sowie in der sonstigen Einrichtung der beiden ersten Kapitel,
z. T. auch des 3. Kap., wo längere Partien der Vulgata ohne Unterbrechung über-
setzt werden, während zusammenhängende Auslegungen nachfolgen oder vorangehen.
In der Fortsetzung sind die Auslegungen mit grôferer Konsequenz ummittelbar
an die zugehôrigen Bibelverse gefügt, ganz wie in der Lyra-Postilla.
Im großen ganzen ist unsere Hiob-Dichtung somit als eine Art Ubersetzungs-
poesie zw fassen. Dies hindert aber nicht, daß des Dichters Stellung zw seinen
Quellen eine verhältnismäßig freie ist: wenigstens in der Stoffwahl aus Lyra, denn
hierin waltet eine auffallende Willkür. Schon der Vulgata gegenüber erlaubte sich
der Dichter, wie oben bemerkt wurde, besonders am Ende des Werkes nicht un-
1) Daß die in den ersten Kapiteln der Paraphrase begegnenden kleinen Übereinstimmungen
mit der Lyra-Postilla auf Abhängigkeit beruhen könnten, war ich anfangs, und zwar aus chrono-
logischen Gründen, zu bezweifeln geneigt. Nach der kirchengeschichtlichen Überlieferung starb Nic.
von Lyra i. J. 1340. Einen doch nur vorläufigen Abschluß gewann das Werk 1330; herausgegeben
wurde es erst nach seinem Tode, vermehrt mit Zusätzen von anderer Hand (vgl. Herzog, Real-
encyklopädie für protest. Theologie u. Kirche XII 28ff.). Die Paraphrase dagegen war schon 1338
vollendet. Die anwachsende Verwandschaft im Fortgang des Gedichtes, auf welche ich durch Hübner
aufmerksam gemacht wurde, läßt aber in der Hauptfrage keinen Zweifel übrig. Entweder ist nun
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