EN | ES |

Facsimile Lines

966


< Page >

[1]
zu beantworten vermógen, wann Chelcickys Aufenthalt in der Haupt-
[2]
stadt seinen Anfang genommen und wie lange derselbe gewährt habe.
[3]
In Prag anwesend war er jedenfalls in der Zeit, da die hussitische
[4]
Bewegung, mächtig anschwellend, die Dämme durchbrach, um sich zu
[5]
einem Bürgerkrieg zu gestalten: in den Jahren 1419 und 1420. Es
[6]
sind dies die ersten und eigentlich die einzigen ganz festen und
[7]
bestimmten Daten seiner Lebensgeschichte, verbunden mit Nachrich-
[8]
ten, die bereits die eigenartige Stellung des Mannes kennzeichnen.

[9]
Bereits vor Ausbruch des Krieges lassen sich in der hussitischen
[10]
Bewegung verschiedene Strömungen unterscheiden, aus denen in der
[11]
Folge die Parteien hervorgiengen. Auch auf die Frage ist verschieden
[12]
geantwortet worden, ob es erlaubt sei im Streite, der Glauben, Cul-
[13]
tus und kirchliche Verfassung betrifft, zum Schwerte zu greifen, na-
[14]
mentlich wenn sich seine Schärfe gegen die höchsten Autoritäten wenden
[15]
sollte, gegen Kirche und Staat.

[16]
Während es in der Hauptstadt der Staatsgewalt noch gelang, blu-
[17]
tige Tumulte, die sich in der Neustadt Prag gegen die städtische
[18]
Obrigkeit erhoben, durch einen Vergleich zur Ruhe zu bringen, dem
[19]
zufolge der König sich mit der Entschuldigung und Abbitte der
[20]
Gemeinde, in welcher jener Excess stattgefunden, begnügte, daun aber
[21]
die von ihr gewählten neuen Räthe bestätigte, hatte bereits auf dem
[22]
Lande eine Bewegung begonnen, welche, die Volksmassen ergreifend,
[23]
alsbald grossartige Formen annehmen sollte. Noch zu Lebzeiten K.
[24]
Wenzels fanden jene merkwürdigen Versammlungen unter freiem Him-
[25]
mel statt, namentlich auf dem Berge Tabor bei Bechyne, wobei die
[26]
Theilnehmer sich von den Priestern abkehrten, die ihnen in den Pfarr-
[27]
kirchen den Kelch verweigerten. Sie trennten sich von den Gemein-
[28]
den, denen sie bisher angehört hatten, und sagten sich los nicht
[29]
allein von den durch die Obrigkeit eingesetzten Hirten, sondern auch
[30]
von der Autorität, die sie eingesetzt hatte. An deren Stelle traten die-
[31]
jenigen Priester, die, dem Verbote der Kirche trotzend, dem Volke
[32]
das Sakrament unter beiderlei Gestalt reichten, und die wohl als
[33]
die eigentlichen Erfinder und Urheber dieser Versammlungen anzu-
[34]
sehen sind.!) Alsbald erschienen bei den Versammlungen auch waffen-
[35]
kundige Mánner, wie Nikolaus von Hus. Wenn wir nun lesen, diese
[36]
religiósen Meetings hátten K. Wenzel in seinen letzten Lebenstagen
[37]
die Befürchtung eingeflósst, er werde nicht auf dem Throne seiner
[38]
Vüter sterben, so ist dies durchaus glaubwürdig. War es erlaubt, sich

[39]
') Vgl. Laur. von Bfezová. Hófler Ss. IL. 1. S. 351.


Text viewFacsimile