[1] |
Dorfe Chelčic im südlichen Böhmen, unweit von Vodňan, hat er wohl die
|
---|
[2] |
meisten Jahre seines Lebens zugebracht. Jedenfalls stammt sein Zuname
|
---|
[3] |
von diesem Orte, wo er vielleicht, wie Palacký vermuthet und seine
|
---|
[4] |
eigenen Schriften zu bestätigen scheinen, einen mässigen Grundbesitz
|
---|
[5] |
inne hatte, der es ihm möglich machte, für einige Zeit die Hauptstadt
|
---|
[6] |
des Landes aufzusuchen. Man kann Petr Chelticky mit seinem Lands-
|
---|
[7] |
manne Thomas von Štítné, dem gelehrten Ritter, vergleichen. Doch
|
---|
[8] |
hat ihn nicht wie diesen die Hochschule nach Prag gelockt; zu den
|
---|
[9] |
Füssen der Magister ist er wohl nie gesessen. Wie aber der Ritter
|
---|
[10] |
später aufs innigste sich an Milié, den berühmten Prediger, anschloss,
|
---|
[11] |
so mag Peter in seiner Heimat die Kunde von jenen Predigten er-
|
---|
[12] |
reicht haben, die zahlreiche Zuhörer in der Bethlehemskapelle ver-
|
---|
[13] |
sammelten. Ein tiefes religiöses Bedürfnis hat ihn nach Prag geführt,
|
---|
[14] |
aber keineswegs das Verlangen nach gelehrter Schulbildung. Auch
|
---|
[15] |
hätte ihm den Zugang zu den Lehrsälen die Unkenntnis der lateini-
|
---|
[16] |
schen Sprache verschlossen.") Aber die neue Bewegung hatte von An-
|
---|
[17] |
fang an die Pflege der Volkssprache gefördert: die böhmischen Schrif-
|
---|
[18] |
ten des Johannes Hus und anderer wird Peter schon damals eifrig
|
---|
[19] |
gelesen haben, wozu sich persönlicher Umgang mit gelehrten Männern
|
---|
[20] |
gesellte, mit deren Hilfe er sich einen gewissen Grad von theologi-
|
---|
[21] |
scher Dildung aneignen konnte.?) Da er später, als er selbst die Feder
|
---|
[22] |
ergriff, nicht ohne Bücher gewesen ist, so hat er vielleicht schon da-
|
---|
[23] |
mals sich einen kleinen Vorrath von Handschriften zu verschaffen ge-
|
---|
[24] |
wusst oder selbst angefertigt, wozu seine gelehrten Freunde Auszüge
|
---|
[25] |
aus lateinischen Schriften beisteuerten, unter ihnen vorzüglich die
|
---|
[26] |
Prediger der Bethlehemskapelle,?) neben denen aber Peter auch von
|
---|
[27] |
solchen Mànnern zu lernen nicht anstand, die, wie Mag. Protiva, jenen
|
---|
[28] |
feindlich gegenüberstanden.
|
---|
[29] |
Wenn Cheléicky sich von anderen belehren liess, so schlug er
|
---|
[30] |
doch bald seinen eigenen Weg ein, vielleicht bereits auch ein an
|
---|
[31] |
Jahren reifer Mann, dessen Geburtsjahr ziemlich weit vor dem An-
|
---|
[32] |
fange des 15. Jahrhundertes liegen kann. Doch lassen sich darüber
|
---|
[33] |
nur unsichere Vermuthungen aufstellen, ebenso wie wir die Frage nicht
|
---|
[34] |
1) S. die Replik gegen Nikolaus von Pilgram (Cap. 28.). J. Jiredek geht zu
|
---|
[35] |
weit, wenn er annimmt, Peter habe die Kirchenvüter im Original lesen kónnen.
|
---|
[36] |
Etwas Latein scheint übrigens Chelcicky in Prag gelernt zu haben,
|
---|
[37] |
?) Jire&ek nimmt an, Cheléicky habe auch Hus persönlich gekannt und sei
|
---|
[38] |
demnach bereits im J. 1410 nach Prag gekommen. Dafür scheint allerdings die
|
---|
[39] |
wichtige Stelle in der Replik gegen Nikolaus (Cap. 26.) zu sprechen.
|
---|
[40] |
3) Replik gegen Nikolaus (Cap. 28.) nennt Peter ausdrücklich den Martin
|
---|
[41] |
Volyné. Der dort erwiühnte Auszug war wohl zugleich eine Übersetzung.
|
---|