84
ich Wiklef vorzüglich deswegen, da ich von ihm höre, niemand unter
den alten und auch unter den jetzigen Doktoren habe so gut gesprochen
und geschrieben gegen das Gift, das der h. Kirche eingeflösst ist und aus
dem der oberste Antichrist entsprossen ist mit seinen Widerwürtigkeiten
mit denen er Christum unterdrückt hat und sein Gesetz; auch hat Wiklef
mit den Wurzeln ausgerissen seine Rotten...!) Darin gefällt er mir vor
anderen. Aber der h. Petrus hat die Christen gelehrt, Christus habe für
uns gelitten und uns ein Beispiel hinterlassen, auf dass wir eintreten in
seine Fussspuren: da man ihn gescholten, hat er nicht wieder gescholten,
da er gelitten, hat er nicht mit Bósem Bóses vergolten. Das habe ich mit
dem Glauben erfasst, und würde jetzt Petrus vom Himmel kommen und
gebieten, es solle das Volk unter Waffen treten, um durch die weltliche
Macht die Wahrheit zu vertheidigen und das Gesetz Gottes zu befreien:
ich glaubete ihm nieht mehr, denn so lehrt der h. Paulus: Aber so auch
wir oder die Engel vom Himmel euch würde anders predigen, der
sei verflucht! Da also auch einem Apostel und Engel, da das Gesetz
bereits gegeben, der Glaube nicht gebührt, um so weniger will ieh einigen
Doktoren glauben, die die Rotten in der Christenheit geschaffen und die
Welt in Blut begründet, weder ihnen, noch den Neuerungen, die da ent-
standen .sind nach Verkündigung des Gesetzes vom Sohne Gottes durch
die Apostel.
Was aber die Worte Wiklefs betrifft, ein lobenswerter Gebrauch der
Kirche solle bewahrt werden, so weiss ich nicht, welche Kirche ihr meint,
ob die römische oder diejenige, die aus Stein gebaut ist. Wenn ihr die
römische Kirche die Kirehe nennt, welche lobenswerten Gebrüuche sind
in ihr zu finden?,.. Nur diejenigen können sie und ihre Gebräuche loben,
die ihre Söhne sind und ihre Schmach und Gráüuel zudecken. Wenn ihr
aber eine Kirche von Stein meint, so mögen auch dort einige lobenswerte
Gebräuche zu finden sein, gewöhnlich aber sind dort simonistische Gepflogen-
heiten und eine Menge von Lügen, das Volk zu verführen, mehr als auf
dem Marktplatze...
Wenn ferner gesagt wird, die Gewohnheiten seien im Gesetze Gottes
eingeschlossen, so frage ich dich, Meister, wer sie eingeschlossen hat, ob
der, welcher glaubt, das Gesetz Gottes sei genügend ohne sie, oder der-
jenige, der dem Gesetze Gottes nicht glaubt, es aufhebt und seine Gesetze
an dessen Stelle setzt?... (Es folgen Citate aus Wiclifs Schriften über
das Thema: das Gesetz Gottes war genügend, die Kirche zu begründen
und ist geuügend, sie zu regieren.)... Es ist zu ersehen, dass dadurch,
dass die Menschensatzung dem göttlichen Gesetze sich anschloss, die
Kirche durch sie nicht gebessert, sondern vergiftet und das wahre Leben
in ihr ertödtet worden ist. Die Beimengung der Menschensatzung hat die
Wissenschaft des göttlichen Gesetzes nicht erhöht, sondern vielmehr der
Verachtung preisgegeben, so dass das Recht naclı Menschensatzung ge-
sprochen wird und das Gesetz Gottes vor der Thüre steht... und die
Menschen ihre Zwistigkeiten in den Rathhäusern entscheiden lassen und
!) Vgl. Wiclifs Traktat De Christo et suo adversario Antichristo.