49
gelten weniger für das Volk, das verpflichtet ist, das Schwert zu
ergreifen, wenn die Obrigkeit ruft, als für die Priesterschaft, die
an die Stelle der fehlenden Obrigkeit treten und den Ruf an das Volk
ergehen lassen könnte. Davor warnt eben das Gutachten, und es ge-
schieht dies in Ausdrücken und Wendungen, die eigentlich den Chri-
sten jedweden Krieg verbieten, so dass es fast als ein Widerspruch
erscheint, wenn auch dem Volke das Recht mit „körperlichen Waffen“
die Wahrheit zu vertheidigen nicht bestimmt und offen abgesprochen
wird, da ja, auch wenn alle Bedingungen erfüllt sind, der bessere
und sichere Weg, den die Christen das Beispiel des Heilands und
der Märtyrer lehre, verlassen wird. Ich kann daher der Ansicht Pa-
lackys nicht beipflichten, das Gutachten habe Zizka befriedigt. Eher
das Gegentheil ist anzunehmen. Während die Prager im November
1419 vom Kampfe wieder abstanden, als in Folge des damals mit der
Obrigkeit geschlossenen Vertrags die Berechtigung zum Kampfe den
Grundsätzen das Gutachten gemäss wieder zu schwinden schien, trennte
sich Zizka von ihnen, um denjenigen beizutreten, die trotzdem den
Kampf fortsetzten.
Palacký bezeichnet ferner Žižka und Nikolaus von Hus als die
Fragesteller, die jenes Gutachten der Magister provocirt hätten. .Dies
stimmt aber mit dem, was jenes Gutachten selbst berichtet, nicht
überein, Erst viel spätere Quellen, denen Palacky folgt, stellen in
dieser Weise Žižka in den Vordergrund, die ja überhaupt, wie es
scheint, viel zu früh ihn als den Führer betrachten. Zuerst findet sich
in einer Schrift des Lukas von Prag vom Jahre 152' !) die Erzáhlung,
Zizka habe, als die Verfolgungen anhuben, sich mit den Magistern
und denjenigen Priestern, die der Lehre des Mag. Johannes Hus an-
hiengen, berathen und sie befragt, ,ob es erlaubt sei, die Verfolgun-
gen durch die weltliche Macht im Kampfe* abzuwehren, und darauf
die Antwort empfangen, es sei statthaft; auch hàátten sie Schriftstellen,
die sich darauf beziehen, gesammelt und ihm gegeben.
Es erübrigt noch die Frage zu berühren, wann das Gutachten
verfasst worden sei. Sowol Palacký als Tomek versetzen es in die.
ersten Tage des Oktober, als: diejenigen Scharen, die sich am 30. Sep-
tember in der Nähe von Prag versammelt hatten, in die Hauptstadt
kamen. Mir scheint es eher in den folgenden Monat (November) zu
fallen, der Lage der Dinge entsprechend, welche eintrat, als die be-
!) Von der Entstehung der Unitát. Allerdings scheinen Lukas' Schrift in
diesem 'l'heile ältere Vorlagen zu Grunde liegen.