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dreierlei. Erstens stünden in den Aufzeichnungen, die ich Protokolle
nenne, manche Dinge, die mit dem Concil nichts zu thun haben. Merkle
scheint meine Einleitung zum IL. Bande flüchtiger gelesen zu haben, als
er durfte, wenn er widersprechen wollte; er hätte dort die naheliegeude
Erklürung für die von ihm beanstandete Thatsache gefunden, die darin
liegt, dass wir die Protokolle des Concils nur aus dem Manuale eines
Notars kennen, in das dieser ausser den Concilsakten alles, was er für
denkwürdig hielt, eintragen konnte und durfte. Wäre Merkle etwas
bewanderter in der Materie, über die er so absprechend urteilt, so würde
er sich nieht darüber wundern, dass der Concilsnotar in sein Manuale
die Taufe eines Juden, die Befreiung eines zum Tode Verurteilten u. a. m.
eintrügt. Die Notare des 15. Jahrhunderts haben dergleichen. oft. und
gern gethan. Der Concilsnotar Jakob Huglin vermerkt in dem Buche,
das er selbst „manuale . . . super actis et regestratis in concilio Basiliensi*
nennt, auch die rein persónlichen Thatsachen seiner Inkorporation, seiner
Abreise und Abwesenheit (Zeitschrift fiir die Gesch. des Oberrheins, Neue
Folge XVI, 16 ff.). Ein Notar des Pariser Parlaments notiert in seinem amt-
lichen Protokoll mit Vorliebe die Witterung, ja sogar wann eine Influenza
auftritt und wann er selbst an Durchfall leidet (Journal de Nicolas de
Baye, ed. Tuetey, Bd. I, p. XVIII. 89. 178, Bd. II, p. 173). |
Merkles zweiter Einwand ist noch schwächer. Es fehlen, sagt er,
Dinge, die im Protokoll stehen müssten; Z. B. fehlen einmal die Ver-
handlungen einer Deputationssitzung, während deren Bruneti anderwärts
beschäftigt wär (II, 203), und anderswo ist bloss im allgemeinen vermerkt,
es seien einige Stimmen über eine Frage abgegeben worden. Was das
besagen soll, ist nicht klar. Allerdings würden wir heute ein Protokoll
anders und genauer führen, als man es im 15. Jahrhundert that. Aber
was will das heissen? Mit seinem vorgefassten Begriffschema würde
Merkle nicht weit kommen, wenn er, was er meines Wissens noch nicht
versucht hat, sich mit mittelalterlichen Quellen abgeben wollte.
Endlich sein dritter Einwand, auf den er besonders stolz zu sein
scheint, sodass er mit Ausdrücken wie „luce clarius“ und ,somniatur“
aufwartet! Bruneti ist vom 10. Juni bis 29. Oktober 1435 von Basel ab-
wesend, die Aufzeichnungen gehen aber ununterbrochen fort. Folglich,
sagt Merkle, können es keine amtlichen Aufzeichnungen sein. „Nonne
luce est clarius, librum illum esse diarium, quod sibi ipsi scripsit notarius."
Wie nun jemand ein persónliches Tagebuch über Basler Ereignisse führen
kann, wührend er selbst in Arras ist, das ist Merkles Geheimnis. Ich
glaube in der Einleitung zum IIL Bande hinreichend erklàrt zu haben,
dass und wie die Protokollführung beim Concil auch in Brunetis Ab-
wesenheit fortging, und warum diese Aufzeichnungen später auch in