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XLIV

bedeutende Auslassungen. Dies ist auch, nur in viel höherem Grade, mit der Lyra- Quelle der Fall. Die entlehnten Erklärungen bilden nur einen Bruchteil aller bei Lyra überlieferten Hiob-Kommentarien. Diese erscheinen oft fast wörtlich wieder- gegeben, aber noch öfter mehr oder weniger stark abgekürzt, u. a. durch Auslassung von vielen der bei Lyra vorkommenden biblischen und philosophischen Ausführungen. Hie und da finden sich auch kleinere Umstellungen: vgl. den genealogischen Be- richt in der Vorrede v. 444 ff., der wohl aus Lyra Kap. 1 stammt, sowie die Er- orterungen über das große Jahr v. 5492 ff. (= Job 14, 11), die bei Lyra zu Job 7, 7 gestellt sind. Andere Auslegungen sind frei umschrieben worden: ein kurz gefaßter Gedanke bei Lyra ist dem deutschen Dichter nicht selten ein Anlaß zu langen Ausführungen geworden. Im Hauptteil des Gedichts sind die stofflich selb- ständigen Partien sonst sehr unbedeutend.

Auf seine Quellen verweist der Dichter selber sehr oft durch Ausdrücke wie glose (v. 107. 210. 443. 494. 7510. 7617. 8100. 8249. 14747. 15188), gloselin 14848, gegloset 490, lerer (vgl. oben und noch v. 830. 1096. 1143. 1342. 1375. 7751. 10704. 14735), meister 435. 5359. 13859. 13915, der wise 635, di wisen 13674. 14210. 15097. 15261, der philosophen man 13832, als ich geschriben vant 729. Besonders genannt sind (aufer Gregorius und Hieronymus) Ambrosius 644, Augustinus 11633, Aristoteles 8064. 13406.

Auch der Bibeltext ist angeführt worden; vgl. di heilige schrift 107. 599. 1375, so- wie EWnzelzitate: Moyses 444. 9444. 10756. 14042, kunge buch 4736. 15481, (Buch der Richter 14304), das Buch Hiob (buch) 353. 417. 420. 425, kunig David 64. 169. 14048, der salter 12370, kung Salomon 10791. 13396, Ezechiel 470, Ysaias 8252, Matheus der deyn 1120, der ewangeliste Lucas 166, sente Pauwel 780. 6893.

Wer ist schließlich der anonyme Dichter der Paraphrase? Persönlich tritt er nicht selten hervor, aber nur durch das nichtssagende ich: vgl. v. 121. 729. 839. 2065. 2802. 2828. 4521. 5273. 5347. 15512. 15518 f. 15523. 15537. Nach Franz Hipler, Literaturgeschichte des Bistums Ermland (1873) S. 18 ff. ist er identisch mit dem Magister Tilo von Kulm, der im J. 1331 das Gedicht Von siben inge- sigeln beendet hat. Dieser Auffassung sind andere Forscher beigetretem: schon M üller (S. 5), wenn auch ohne jede Begründung. J'ngst hat Reimann in einer Unter- suchung über den Stil der Siben Ingesigel (Palaestra IC) dieser Verfasser-

die Lyra-Chronologie falsch oder der Dichter hat eine Vorlage oder Quelle von Lyras Hiob- Kommentar benutzt. Lyra wollte dem vielfach verdorbenen lat. Text den Grumdtext vorziehen und hat auch jüdische Ausleger, besonders Rabbi Salomon Raschi (geb. 1040), den Begründer und Mittelpunkt der nordfranzösischen Exegetenschule, berücksichtigt. Es ist bezeichnend für Lyra, daß er unter den jüdischen Exegeten gerade den Raschi gewählt hat, der in der jüdischen Exegese ebenfalls eine Epoche der Beschränkung des Allegorisierens einleitet. Vom Hebräischen versteht Lyra sonst nicht allzuviel, wenn auch mehr als seine Zeitgenossen. Er ist ganz auf seinen Raschi angewiesen, den er ab- schreibt. Sonst wurde, außer den Kirchenvätern, auch Thomas von Aquino von Lyra vie benutzt, gerade im Hiob (Herzog a. a. O.). Auch mit Rücksicht auf diese Tatsachen bedarf die Quellenfrage einer näheren Untersuchung.



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