s-201
| Gesellschaftstrieb ist Organisationstrieb. |
s-202
| Durch diese geistige Assimilazion entsteht oft aus gemeinen Bestandtheilen eine gute Gesellschaft um einen geistvollen Menschen her. |
s-203
| Das Interessante ist die Materie, die sich um die Schönheit bewegt. |
s-204
| Wo Geist und Schönheit ist, häuft sich in konzentrischen Schwingungen das Beste aller Naturen. |
s-205
| Der Deutsche ist lange das Hänschen gewesen. |
s-206
| Er dürfte aber wohl bald der Hans aller Hänse werden. |
s-207
| Es geht ihm, wie es vielen dummen Kindern gehn soll: er wird leben und klug seyn, wenn seine frühklugen Geschwister längst vermodert sind, und er nun allein Herr im Hause ist. |
s-208
| Das beste an den Wissenschaften ist ihr philosophisches Ingrediens, wie das Leben am organischen Körper. |
s-209
| Man dephilosophire die Wissenschaften: was bleibt übrig? |
s-210
| Erde, Luft und Wasser. |
s-211
| Menschheit ist eine humoristische Rolle. |
s-212
| Unsere alte Nazionalität, war, wie mich dünkt, ächt römisch. |
s-213
| Natürlich, weil wir auf eben dem Wege wie die Römer entstanden; |
s-214
| und so wäre der Name, römisches Reich, warlich ein artiger, sinnreicher Zufall. |
s-215
| Deutschland ist Rom, als Land. |
s-216
| Ein Land ist ein großer Ort mit seinen Gärten. |
s-217
| Das Kapitol ließe sich vielleicht nach dem Gänsegeschrey vor den Galliern bestimmen. |
s-218
| Die instinktartige Universalpolitik und Tendenz der Römer liegt auch im Deutschen Volk. |
s-219
| Das Beste, was die Franzosen in der Revoluzion gewonnen haben, ist eine Porzion Deutschheit. |
s-220
| Gerichtshöfe, Theater, Hof, Kirche, Regierung, öffentliche Zusammenkünfte, Akademieen, Kollegien u.s.w. sind gleichsam die speciellen, innern Organe des mystischen Staatsindividuums. |
s-221
| Alle Zufälle unsers Lebens sind Materialien, aus denen wir machen können, was wir wollen. |
s-222
| Wer viel Geist hat, macht viel aus seinemLeben. |
s-223
| Jede Bekanntschaft, jeder Vorfall, wäre für den durchaus Geistigen erstes Glied einer unendlichen Reihe, Anfang eines unendlichen Romans. |
s-224
| Der edle Kaufmannsgeist, der ächte Großhandel, hat nur im Mittelalter und besonders zur Zeit der deutschen Hanse geblüht. |
s-225
| Die Medicis, die Fugger waren Kaufleute, wie sie seyn sollten. |
s-226
| Unsere Kaufleute im Ganzen, die größten nicht ausgenommen, sind nichts als Krämer. |
s-227
| Eine Übersetzung ist entweder grammatisch, oder verändernd, oder mythisch. |
s-228
| Mythische Übersetzungen sind Übersetzungen im höchsten Styl. |
s-229
| Sie stellen den reinen, vollendeten Karakter des individuellen Kunstwerks dar. |
s-230
| Sie geben uns nicht das wirkliche Kunstwerk, sondern das Ideal desselben. |
s-231
| Noch existirt wie ich glaube, kein ganzes Muster derselben. |
s-232
| Im Geist mancher Kritiken und Beschreibungen von Kunstwerken trifft man aber helle Spuren davon. |
s-233
| Es gehört ein Kopf dazu, in dem sich poetischer Geist und philosophischer Geist in ihrer ganzen Fülle durchdrungen haben. |
s-234
| Die griechische Mythologie ist zum Theil eine solche Übersetzung einer Nazionalreligion. |
s-235
| Auch die moderne Madonna ist ein solcher Mythus. |
s-236
| Grammatische Übersetzungen sind die Übersetzungen im gewöhnlichen Sinn. |
s-237
| Sie erfordern sehr viel Gelehrsamkeit, aber nur diskursive Fähigkeiten. |
s-238
| Zu den verändernden Übersetzungen gehört, wenn sie ächt seyn sollen, der höchste poetische Geist. |
s-239
| Sie fallen leicht ins Travestiren, wie Bürgers Homer in Jamben, Popens Homer, die Französischen Übersetzungen insgesamt. |
s-240
| Der wahre Übersetzer dieser Art muß in der That der Künstler selbst seyn, und die Idee des Ganzen beliebig so oder so geben können. |
s-241
| Er muß der Dichter des Dichters seyn und ihn also nach seiner und des Dichters eigner Idee zugleich reden lassen können.In einem ähnlichen Verhältnisse steht der Genius der Menschheit mit jedem einzelnen Menschen. |
s-242
| Nicht bloß Bücher, alles kann auf diese drey Arten übersetzt werden. |
s-243
| Im höchsten Schmerz tritt zuweilen eine Paralysis der Empfindsamkeit ein. |
s-244
| Die Seele zersetzt sich. |
s-245
| Daher der tödtliche Frost, die freye Denkkraft, der schmetternde unaufhörliche Witz dieser Art von Verzweiflung. |
s-246
| Keine Neigung ist mehr vorhanden; |
s-247
| der Mensch steht wie eine verderbliche Macht allein. |
s-248
| Unverbunden mit der übrigen Welt verzehrt er sich allmählig selbst, und ist seinem Princip nach Misanthrop und Misotheos. |
s-249
| Unsere Sprache ist entweder mechanisch, atomistisch oder dynamisch. |
s-250
| Die ächt poetische Sprache soll aber organisch, lebendig seyn. |
s-251
| Wie oft fühlt man die Armuth an Worten, um mehre Ideen mit Einem Schlage zu treffen. |
s-252
| Dichter und Priester waren im Anfang Eins, und nur spätere Zeiten haben sie getrennt. |
s-253
| Der ächte Dichter ist aber immer Priester, so wie der ächte Priester immer Dichter geblieben. |
s-254
| Und sollte nicht die Zukunft den alten Zustand der Dinge wieder herbeyführen? |
s-255
| Schriften sind die Gedanken des Staats, die Archive sein Gedächtniß. |
s-256
| Je mehr sich unsere Sinne verfeinern, desto fähiger werden sie zur Unterscheidung der Individuen. |
s-257
| Der höchste Sinn wäre die höchste Empfänglichkeit für eigenthümliche Natur. |
s-258
| Ihm entspräche das Talent der Fixirung des Individuums, dessen Fertigkeit und Energie relativ ist. |
s-259
| Wenn der Wille sich in Beziehung auf diesen Sinn äußert, so entstehn die Leidenschaften für oder gegen Individualitäten: Liebe und Haß. |
s-260
| Die Meisterschaft im Spiel seiner eignen Rolle verdankt man der Richtung dieses Sinns auf sich selbst bey herrschender Vernunft. |
s-261
| Nichts ist zur wahren Religiosität unentbehrlicher als ein Mittelglied, das uns mit der Gottheit verbindet. |
s-262
| Unmittelbar kann der Mensch schlechterdings nicht mit derselben in Verhältniß stehn. |
s-263
| In der Wahl dieses Mittelglieds muß der Mensch durchaus frey seyn. |
s-264
| Der mindeste Zwang hierin schadet seiner Religion. |
s-265
| Die Wahl ist karakteristisch, und es werden mithin die gebildeten Menschen ziemlich gleiche Mittelglieder wählen, dahingegen der Ungebildete gewöhnlich durch Zufall hier bestimmt werden wird. |
s-266
| Da aber so wenig Menschen einer freyen Wahl überhaupt fähig sind, so werden manche Mittelglieder allgemeiner werden; |
s-267
| sey es durch Zufall, durch Associazion, oder ihre besondre Schicklichkeit dazu. |
s-268
| Auf diese Art entstehn Landesreligionen. |
s-269
| Je selbständiger der Mensch wird, desto mehr vermindert sich die Quantität des Mittelglieds, die Qualität verfeinert sich, und seine Verhältnisse zu demselben werden mannichfaltiger und gebildeter: Fetische, Gestirne, Thiere, Helden, Götzen, Götter, Ein Gottmensch. |
s-270
| Man sieht bald, wie relativ diese Wahlen sind, und wird unvermerkt auf die Idee getrieben, daß das Wesen der Religion wohl nicht von der Beschaffenheit des Mittlers abhange, sondern lediglich in der Ansicht desselben, in den Verhältnissen zu ihm bestehe. |
s-271
| Es ist ein Götzendienst im weitern Sinn, wenn ich diesen Mittler in der That für Gott selbst ansehe. |
s-272
| Es ist Irreligion, wenn ich gar keinen Mittler annehme; und in so fern ist Aberglaube und Götzendienst, und Unglaube oder Theismus, den man auch ältern Judaism nennen kann, beydes Irreligion. |
s-273
| Hingegen ist Atheism nur Negazion aller Religion überhaupt, und hat also gar nichts mit der Religion zu schaffen. |
s-274
| Wahre Religion ist, die jenen Mittler als Mittler annimmt, ihn gleichsam für das Organ der Gottheit hält, für ihre sinnliche Erscheinung. |
s-275
| In dieser Hinsicht erhielten die Juden zur Zeit der Babylonischen Gefangenschaft eine ächt religiöse Tendenz, eine religiöse Hoffnung, einen Glauben an eine künftige Religion, der sie auf eine wunderbare Weise von Grund aus umwandelte, und sie in der merkwürdigsten Beständigkeit bis auf unsre Zeiten erhielt. |
s-276
| Die wahre Religion scheint aber bei einer nähern Betrachtung abermals antinomisch getheilt in Pantheismus und Monotheismus. |
s-277
| Ich bediene mich hier einer Licenz, indem ich Pantheism nicht im gewöhnlichen Sinn nehme, sondern darunter die Idee verstehe, daß alles Organ der Gottheit, Mittler seyn könne, indem ich es dazu erhebe:so wie Monotheism im Gegentheil den Glauben bezeichnet, daß es nur Ein solches Organ in der Welt für uns gebe, das allein der Idee eines Mittlers angemessen sey, und wodurch Gott allein sich vernehmen lasse, welches ich also zu wählen durch mich selbst genöthigt werde: denn ohnedem würde der Monotheism nicht wahre Religion seyn. |
s-278
| So unverträglich auch beyde zu seyn scheinen, so läßt sich doch ihre Vereinigung bewerkstelligen, wenn man den monotheistischen Mittler zum Mittler der Mittelwelt des Pantheism macht, und diese gleichsam durch ihn centrirt, so daß beyde einander jedoch auf verschiedene Weise nothwendig machen. |
s-279
| Das Gebet, oder der religiöse Gedanke besteht also aus einer dreyfach aufsteigenden, untheilbaren Abstrakzion oder Setzung. |
s-280
| Jeder Gegenstand kann dem Religiösen ein Tempel im Sinn der Auguren seyn. |
s-281
| Der Geist dieses Tempels ist der allgegenwärtige Hohepriester, der monotheistische Mittler, welcher allein im unmittelbaren Verhältnisse mit der Gottheit steht. |
s-282
| Die Basis aller ewigen Verbindung ist eine absolute Tendenz nach allen Richtungen. |
s-283
| Darauf beruht die Macht der Hierarchie, der ächten Maçonnerie, und des unsichtbaren Bundes ächter Denker. |
s-284
| Hierin liegt die Möglichkeit einer Universalrepublik, welche die Römer bis zu den Kaisern zu realisiren begonnen hatten. |
s-285
| Zuerst verließ August diese Basis, und Hadrian zerstörte sie ganz. |
s-286
| Fast immer hat man den Anführer, den ersten Beamten des Staats, mit dem Repräsentanten des Genius der Menschheit vermengt, der zur Einheit der Gesellschaft oder des Volks gehört. |
s-287
| Im Staat ist alles Schauhandlung, das Leben des Volks ist Schauspiel; |
s-288
| mithin muß auch der Geist des Volks sichtbar seyn. |
s-289
| Dieser sichtbare Geist kommt entweder, wie im tausendjährigen Reiche, ohne unser Zuthun, oder er wird einstimmig durch ein lautes oder stilles Einverständniß gewählt. |
s-290
| Es ist eine unwidersprechliche Thatsache, daß die meisten Fürsten nicht eigentlich Fürsten, sondern gewöhnlich mehr oder minder eine Art von Repräsentanten des Genius ihrer Zeit waren, und die Regierung mehrentheils, wie billig, in subalternen Händen sich befand. |
s-291
| Unser Alltagsleben besteht aus lauter erhaltenden, immer wiederkehrenden Verrichtungen. |
s-292
| Dieser Zirkel von Gewohnheiten ist nur Mittel zu einem Hauptmittel, unserm irdischen Daseyn überhaupt, das aus mannichfaltigen Arten zu existiren gemischt ist. |
s-293
| Philister leben nur ein Alltagsleben. |
s-294
| Das Hauptmittel scheint ihr einziger Zweck zu seyn. |
s-295
| Sie thun das alles, um des irdischen Lebens willen; |
s-296
| wie es scheint und nach ihren eignen Äußerungen scheinen muß. |
s-297
| Poesie mischen sie nur zur Nothdurft unter, weil sie nun einmal an eine gewisse Unterbrechung ihres täglichen Laufs gewöhnt sind. |
s-298
| In der Regel erfolgt diese Unterbrechung alle sieben Tage, und könnte ein poetisches Septanfieber heißen. |
s-299
| Sonntags ruht die Arbeit, sie leben ein bißchen besser als gewöhnlich und dieser Sonntagsrausch endigt sich mit einem etwas tiefern Schlafe als sonst; |
s-300
| daher auch Montags alles noch einen raschern Gang hat. |